Jurastudium: Der Schwerpunktbereich Völker- und Europarecht

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Irgendwas mit Staaten? Insbesondere das Völkerrecht wirkt auf Studierende manchmal wie eine ziemlich ungreifbare Materie. Nicht umsonst hat mein Professor in der ersten Schwerpunktvorlesung die – eindeutig zu viel diskutierte – Frage aufgeworfen, ob Völkerrecht überhaupt Recht ist. Schließlich machen die Staaten letztendlich doch was sie wollen, oder? Ihr merkt, hier geht es um die großen Zusammenhänge und manchmal auch um ein wenig philosophisch anmutende Fragestellungen.

Ein bisschen anschaulicher und geordneter wirkt da schon das Europarecht. Doch auch hier kann die Rechtsdurchsetzung schon mal frustrierend wirken, wenn Länder Verstößen gegen EU-Recht einfach nicht abhelfen wollen. Internationales Recht, nicht vorstellbar ohne politische Bezüge, damit befasst sich also der hier vorgestellte Schwerpunktbereich.

Tipps fürs Jurastudium

Warum Völker- und Europarecht?

In der Schule haben mich Fremdsprachen begeistert, wann immer es möglich war, habe ich einen Auslandsaufenthalt eingelegt und das Weltgeschehen interessiert und fasziniert mich. Dass ich mir den Weg zu einer internationalen Tätigkeit offenhalten möchte, war mir immer klar. Und so auch, dass ich im vom nationalen Recht geprägten Jurastudium den Schwerpunktbereich wähle, der die meisten internationalen Inhalte und Zusammenhänge verspricht: Völker- und Europarecht. Ich gebe zu, internationales Strafrecht habe ich auch in Erwägung gezogen. Doch letzten Endes erschien mir das breiter gefächerte Völker- und Europarecht interessanter.

Soweit ich mich erinnere, warb meine Uni, die Universität zu Köln, für diesen Schwerpunktbereich zudem mit Berufsmöglichkeiten wie der Arbeit in internationalen Organisationen, bei der EU oder im Bereich der Diplomatie, was mein Interesse noch verstärkte.

Hinzu kommt, dass ich sowohl Völker- als auch Europarecht schon im Grundstudium gehört und in den jeweiligen Klausuren relativ gut abgeschnitten hatte. Vielleicht auch, weil sie aus Fragen und kleineren Sachverhalten bestanden. Einzelne Fragen beantworten anstatt lange, verschachtelte Gutachten zu schreiben? Wenn man mich fragt: ja, bitte. Auch die Erwartung angenehmerer Klausuren trug also zu meiner Schwerpunktbereichswahl bei.

Worum geht es inhaltlich?

In Abgrenzung zum internationalen Privatrecht behandelt der Schwerpunktbereich Völker- und Europarecht das internationale öffentliche Recht. Wie schon angedeutet befasst sich das Völkerrecht dabei zwischenstaatlichem Recht, das Europarecht etwas enger gefasst mit dem Recht der Europäischen Union.

Im Völkerrecht sind Grundthematiken die völkerrechtlichen Rechtsquellen und Rechtssubjekte, das Verhältnis zum nationalen Recht sowie verschiedene Strukturprinzipien. Im Europarecht geht es unter anderem um die Organstruktur der Europäischen Union, die Grundfreiheiten und das EU-Rechtsschutzsystem. Eine Fallfrage könnte sich also beispielsweise um die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Europarecht drehen.

Welche Leistungen müssen erbracht werden?

An der Universität zu Köln müssen Studierende des Schwerpunktbereichs drei Schwerpunktklausuren schreiben sowie eine Seminararbeit inklusive mündlicher Prüfung bestehen. Mindestens zwei der drei geschriebenen Schwerpunktklausuren müssen zum Kernbereich des Schwerpunktbereichs zählen. Von den drei Klausuren müssen zumindest zwei bestanden werden, mindestens eine davon aus dem Kernbereich. Insgesamt gibt es sechs Klausurversuche, die auch zur Verbesserung genutzt werden können. Bei Nichtbestehen der Schwerpunktseminararbeit gibt es einen Wiederholungsversuch, eine Verbesserung ist nicht möglich.

Im Schwerpunktbereich Völker- und Europarecht umfasst der Kernbereich die Vorlesungen Völkerrecht I, Völkerrecht II und Vertiefung Europarecht. Eine weitere Klausur muss in einem Wahlfach bestanden werden. Hier werden Vorlesungen wie Menschenrechte, internationales Wirtschaftsrecht, Völkerstrafrecht oder exotischere Materien wie Weltraumrecht oder Rechtsentwicklung in Mittel- und Osteuropa angeboten. Teilweise finden die Vorlesungen auf Englisch statt, auch Moot Courts sind mögliche Veranstaltungen des Wahlbereichs.

Die Seminararbeit – Was erwartet mich?

Neben den Schwerpunktklausuren wartet die Seminararbeit – ein Thema für sich. Die Themen werden hier zufällig vergeben. Der Professor, bei dem ich meine Seminararbeit im Völkerrecht schrieb, hatte sich für mein Semester das Thema Investitionsrecht ausgeguckt. Ein Rechtsbereich, mit dem ich vorher noch nie in Berührung gekommen war. Mein Seminararbeitsthema trug also den schönen Namen „Die Regelung des Enteignungstatbestands (einschließlich indirekter bzw. de facto-Enteignungen) in bilateralen, regionalen und sektoralen Investitionsschutzabkommen (und ihr Vergleich mit dem Völkergewohnheitsrecht)“. So ganz glücklich war ich mit diesem Thema zugegebenermaßen nicht. Schließlich hatte ich nur eine sehr vage Vorstellung davon, was de facto-Enteignungen oder sektorale Investitionsschutzabkommen überhaupt sind.

Das soll keine Entmutigung sein, denn mit etwas gutem Willen und Recherchearbeit findet man an (beinahe) jedem Thema etwas Spannendes. Außerdem konnten Freundinnen, die ebenfalls Völker- und Europarecht im Schwerpunktbereich studierten, interessanter klingende Seminararbeitsthemen vorweisen: zum Beispiel die völkerrechtliche Situation in Nahost oder Konflikte zwischen der Europäischen Menschenrechtskonvention und Resolutionen des UN-Sicherheitsrats.

Nach sechs Wochen Schreibzeit für maximal 40 Seiten wird die Seminararbeit in einem Prüfungsseminar vorgestellt, daran anschließend findet ein kurzer Vortrag mit anschließender Diskussion (also eine Art mündliche Prüfung) statt. Ich hatte mich mit meinen Seminarkolleginnen auf den Vortrag vorbereitet und war trotz Aufregung am Ende mit dem Ablauf ziemlich zufrieden. 

Für wen ist Völker- und Europarecht etwas?

Der Schwerpunktbereich ist für alle interessant, die sich für internationale Zusammenhänge interessieren und einen Blick oder Schritt aus dem deutschen Rechtssystem hinauswagen möchten. Es muss also die Bereitschaft bestehen, in andere Systeme einzutauchen und möglicherweise auch englischsprachige Veranstaltungen zu besuchen. Auch sollten philosophisch anmutende Fragestellungen und große Prinzipien wie Souveränität für Interessierte kein No-Go sein.

Außerdem notwendig ist eine gewisse Frustrationstoleranz. Lösungen sind im Völker-und Europarecht oft noch weniger eindeutig als in anderen Rechtsgebieten und Durchsetzungsmechanismen des internationalen Rechts geradezu mangelhaft. Trotzdem sollten Studierende des Schwerpunkts Völker- und Europarecht nicht allzu zynisch werden und vor allem den Überblick zwischen Völkerrecht, Europarecht und nationalem Recht bewahren können.

Würde ich den Schwerpunktbereich nochmal wählen?

Die Frage, ob ich den Schwerpunktbereich nochmal wählen würde, kann ich ganz klar mit ja beantworten. Was soll ich auch sagen, immerhin promoviere ich jetzt zu einem völkerrechtlichen Thema.

Doch unabhängig davon kann ich den Schwerpunktbereich Völker- und Europarecht guten Gewissens empfehlen. Vielleicht nicht wegen hoher Relevanz im ersten Staatsexamen (wobei Europarecht immer wichtiger wird) oder besonders guter Noten (dafür sind andere Schwerpunktbereiche bekannter). Doch bei Interesse an etwas Neuem und bei Lust auf (Welt-)Politik. (Und psst: Die Klausuren fand ich auch wirklich in Ordnung.)

Völker- und Europarecht ist anders als Großteile der Inhalte des juristischen Grundstudiums und genau das hat es für mich spannend gemacht.

An welchen Unis gibt es den Schwerpunkt noch?

Völker- und Europarecht ist ein ziemlicher Klassiker unter den Jura-Schwerpunktbereichen und daher so oder ähnlich auch an beinahe allen deutschen Universitäten vertreten. Manche Unis bieten auch enger oder anders gefassten Themen wie deutsches und europäisches Verfassungsrecht oder internationales Wirtschaftsrecht an. Hier findet ihr die Infos zu Schwerpunktbereichen, die weitestgehend dem des Völker- und Europarechts entsprechen, von folgenden Unis:

Universität Augsburg
Universität Bayreuth
Freie Universität Berlin
Humboldt-Universität zu Berlin
Universität Bielefeld
Ruhr-Universität Bochum
Universität Bonn
Universität Bremen
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder (hier sind die Schwerpunktbereiche Völkerrecht und Europarecht getrennt)
Goethe-Universität Frankfurt/Main
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Justus-Liebig-Universität Gießen
Georg-August-Universität Göttingen
Universität Greifswald (kein Völkerrecht, sondern Europarecht und Rechtsvergleichung)
Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg
Bucerius Law School Hamburg
Universität Hamburg
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Universität Heidelberg (Schwerpunktbereich zum Völkerrecht, daneben gibt es den Schwerpunktbereich Europäisches Wirtschaftsrecht und digitaler Binnenmarkt)
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Universität zu Köln
Universität Konstanz
Universität Leipzig
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Philipps-Universität Marburg
Ludwig-Maximilians-Universität München
Universität Münster
Universität Osnabrück (Deutsches und Europäisches Öffentliches Recht, Wahlkurse aus dem Völkerrecht)
Universität Passau (Völkerrecht und Europarecht als getrennte Schwerpunktbereiche)
Universität Potsdam (völkerrechtlicher Schwerpunktbereich)
Universität Regensburg
Universität des Saarlandes
Universität Trier
Eberhard Karls Universität Tübingen (völkerrechtliche Ausrichtung, Wahlkurse aus dem Europarecht)
Julius-Maximilians-Universität Würzburg (zwei Schwerpunktbereiche mit Fokus Wirtschaft bzw. Menschenrechtsschutz)

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Helen Arling
Helen Arling
Doktorandin mit Schwerpunkt Völkerrecht, Kletterin, Katzenmensch.

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