Jurastudierende warten sechs Stunden auf Zulassungsprüfung (Solicitors Qualifying Exam)

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Auf Grund einer IT-Panne konnten angehende Jurist:innen in Großbritannien ihr Solicitors Qualifying Exam (SQE) nicht ablegen – zuvor hatten die Studierenden sechs Stunden darauf gewartet, dass das IT-Problem doch noch gelöst werden würde.

Betroffen waren rund 30 Teilnehmende im Testzentrum Chiswick (West London). Das Examen sollte eigentlich um neun Uhr beginnen. Aufsichtspersonen hielten die Studierenden jedoch zunächst rund drei Stunden in einem Aufenthaltsraum fest, während man versuchte, das IT-Problem zu beheben.

Seit 2020 müssen Jurastudierende, die in Großbritannien das Berufsbild des Solicitors ergreifen wollen, zwei SQE-Examen ablegen, die aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil bestehen. Die schriftlichen Prüfungen werden inzwischen elektronisch abgelegt. In der Vergangenheit kam es dabei immer wieder zu IT-Problemen.

Stundenlanges Warten unter Prüfungsbedingungen

Während der dreistündigen Wartezeit war es den Teilnehmenden in Chiswick nicht erlaubt, ihre Notizen zu wiederholen oder ihre Mobiltelefone zu benutzen. Sie mussten unter „Prüfungsbedingungen“ auf die Lösung des IT-Problems warten. Schließlich wurden sie gegen 12 Uhr in eine Mittagspause entlassen. Danach mussten die Teilnehmenden weitere 1,5 Stunden warten, bevor sie vom Aufsichtspersonal nach Hause entlassen wurden – ohne ihr Examen abgelegt zu haben.

“Das Schlimmste an diesem Tag war, dass wir warten und jeden Moment bereit sein mussten, die Prüfung abzulegen”, so ein Student gegenüber der Seite Legal Cheek. “Wir haben Vorbereitungszeit verloren, waren erschöpft und gestresst.“

Die SQE-Examen werden in Großbritannien von dem privaten Anbieter „Kaplan“ veranstaltet. SQE1-Examen finden zweimal, SQE2-Examen dreimal im Jahr statt. Die Kosten für das erste Examen liegen bei rund 1.700 Pfund, die Kosten für das zweite Examen betragen sogar rund 2.700 Pfund. Die Examensergebnisse werden den Kandidat:innen nach 5-6 Wochen (SQE1) bzw. 14-18 Wochen (SQE2) per E-Mail mitgeteilt. Anbieter Kaplan steht immer wieder in der Kritik, weil es bei der Organisation und vor allem bei der IT-Infrastruktur zu Fehlern kommt.

Entschädigungszahlung und Reisekostenerstattung

Was wurde aber aus den abgewiesenen Examenskandidat:innen in Chiswick? Der Prüfungsanbieter Kaplan schickte den Studierenden immerhin noch am selben Abend eine E-Mail mit zwei Optionen: Sie konnten die Prüfung am nächsten Tag in einem anderen Testzentrum ablegen oder die Prüfung auf Januar 2024 verschieben. Die Reisekosten wurden den Teilnehmenden erstattet, für jede nicht abgelegte Prüfung zahlte Kaplan außerdem 250 Pfund.

Die Betroffenen halten das für einen schlechten Scherz: “Ganz gleich, wie belastbar man ist, solche Prüfungen sind sehr stressig, und die Betroffenen müssen nun zwei bis drei Tage mehr Zeit aufwenden, um sicherzustellen, dass sie alles erforderliche Wissen in ihr Hirn bekommen. Hinzu kommt, dass viele von ihnen berufstätig sind und sich kurzfristig von der Arbeit freistellen lassen müssen, möglicherweise als unbezahlter Urlaub. Einige haben vielleicht Betreuungspflichten und müssen in letzter Minute eine Vertretung organisieren, was Kosten verursachen könnte”, heißt es in einem Kommentar auf Legal Cheeck.

Die deutschen LJPAe lassen grüßen

Erst letzten Sommer war es zu einer Störung in einem Testzentrum in Hammersmith gekommen, die dazu führte, dass einige Studierende fünf Stunden lang warten mussten, bevor sie schließlich nach Hause geschickt wurden. Kürzlich äußerten Teilnehmende außerdem ihre Enttäuschung darüber, dass sie über drei Stunden lang in einer Online-Warteschlange sitzen mussten, um einen Prüfungstermin zu erhalten. Kaplan entschuldigte sich für die Verzögerung.

Die Prüfungsbedingungen in Großbritannien hören sich damit ähnlich an wie die Zustände in Deutschland. Mit dem Unterschied, dass die Prüfungen in Großbritannien für alle angehenden Solicitor einheitlich geregelt sind und gleich ablaufen, während es in Deutschland einen Flickenteppich aus 15 verschiedenen Landesregelungen gibt. Zudem ist das Ablegen des Examens in Großbritannien bereits am PC möglich, während viele Bundesländern (wie z.B. Baden-Württemberg) noch immer mit der Einführung des E-Examens hadern. Auf Grund der privaten Struktur wird den Kandidat:innen in Großbritannien außerdem die Reisekosten erstattet und sie erhalten bei Prüfungsausfällen eine Entschädigung – von derartigen Regelungen kann man in Deutschland nur träumen.

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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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