Ein Freudentag für alle Jurastudierende! Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen hat im Falle des juristischen Staatsexamens entschieden, dass Kopien der Examensklausuren für die Prüflinge kostenlos sein müssen. Was heißt das für die Zukunft?
Geklagt hatte ein ehemaliger Rechtsreferendar, der im Jahr 2018 erfolgreich an der Zweiten Juristischen Staatsprüfung in NRW teilgenommen hatte. Nach dem Bestehen des Zweiten Staatsexamens beantragte er gegenüber dem Landesjustizprüfungsamt NRW Einsicht in seine Aufsichtsarbeiten und die Prüfergutachten. Am liebsten durch die Übersendung von entsprechenden Kopien auf elektronischem oder postalischem Weg. Für die 348 Seiten verlangte das LJPA Kopierkosten in Höhe von rund 70 Euro. Sehr zum Missfallen des jungen Juristen. Dieser lehnte die Bezahlung ab und ging zunächst leer aus. Doch der Mann machte seinem Berufsstand alle Ehre und klagte vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen auf Übersendung kostenloser Kopien. Zur Begründung berief er sich auf die DSGVO.
Anspruch auf kostenlose Zurverfügungstellung aus DSGVO
Vor dem Verwaltungsgericht hatte der Jurist Erfolg. Doch das LJPA NRW zeigte sich wie grundsätzlich bundesweit alle Justizptüfungsämter verbissen. Es legte Berufung zum Oberverwaltungsgericht NRW ein. In zweiter Instanz bestätigten die Richter:innen des OVG nun aber die Auffassung des VG. Der Anspruch auf unentgeltliche Zurverfügungstellung der Kopien ergebe sich aus Art. 15 III DSGVO. Darin heißt es: “Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.”
Danach müsse das LJPA dem Kläger Kopien von sämtlichen personenbezogenen Daten zur Verfügung stellen. Und dies kostenlos. Sowohl die Aufsichtsarbeiten als auch die Prüfergutachten fallen nach Ansicht des OVG darunter. Die Entscheidung sei auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere sei kein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu erkennen und auch kein unverhältnismäßig großer Aufwand für das LJPA. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen. So wie wir unsere lieben Landesjustizprüfungsämter kennen, wird auch das LJPA NRW diesen Weg nicht ungenutzt lassen. Sonst würde man es Jurastudierenden, Rechtsreferendar:innen und jungen Jurist:innen schließlich viel zu einfach machen.
Update: BVerwG bestätigt Entscheidung
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des OVG NRW inzwischen bestätigt. Die Landesjustizprüfungsämter müssen Jura-Absolvent:innen kostenlose Kopien der von ihnen angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt den zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung stellen (Urt. v. 30.11.2022, Az. 6 C 10.21).
Dass das Landesjustizprüfungsamt NRW diesen Fall überhaupt bis vor das BVerwG getrieben hat, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Man könnte fast meinen, die LJPAe hassen Jurastudierende.
Entscheidung: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 27.04.2020, Az. 20 K 6392/18
Entscheidung: OVG NRW, Urt. v. 08.06.2021, Az. 16 A 1582/20
Pressemitteilung: https://www.ovg.nrw.de/
Fundstelle: https://www.lto-karriere.de/