Rechtsreferendariat: Alles, was du zum Sitzungsdienst in der Strafstation wissen musst!

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Das bekannteste Vorurteil im Jurastudium ist, dass man nur in der Bibliothek sitzt und Paragrafen auswendig lernt. Das stimmt jedoch nicht ganz! In der Strafstation im Referendariat nimmt man nicht nur an den Verhandlungen teil, sondern trägt auch viel Verantwortung als Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft.

Da ist es ganz normal, dass man vor solchen Verhandlungen aufgeregt ist. Wann steht man denn sonst ganz alleine vor Gericht als Vertreter:in der Staatsanwaltschaft und darf sich gegen Strafverteidiger:innen, aufgebrachte Angeklagte und aufgelöste Zeug:innen behaupten? Um möglichst sicher und souverän aufzutreten, braucht es eine gute Vorbereitung. Es ist wichtig zu wissen, wie eine strafrechtliche Verhandlung in ihren Grundzügen abläuft, welche Aufgaben auf eine:n Referendar:in als Sitzungsvertretung zukommen und wie ein Plädoyer gehalten werden muss.

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Die Vorbereitung des Sitzungsdienstes

Starten wir der Reihenfolge nach. Der:die Staatsanwalt:in händigt dem:der Referendar:in eine Handakte für die mündliche Verhandlung aus, in der meistens nur die Anklageschrift enthalten ist. Manchmal findet sich auch ein Schlussbericht der Polizei vor oder andere für wichtig empfundene Dokumente. Als Referendar:in besprichts Du mit Deinem:r Ausbilder:in, welche Straftat mit welchem Strafrahmen in Frage kommen könnte, ob Einstellungen getätigt werden dürfen (grds. nicht ohne Rücksprache) sowie welche Fragen in der Hauptverhandlung geklärt werden müssen.

Bevor die Verhandlung beginnt, gehst Du in den Gerichtssaal und setzt Dich an den Tisch auf der Fensterseite. Wenn der:die Richter:in in den Gerichtssaal hereinkommt, steht man auf und grüßt freundlich. Sodann kann man sich als Referendar:in vorstellen. Die Richter:innen freuen sich grds. über Nachwuchs und beruhigen einen, wenn man aufgeregt ist.

Die Hauptverhandlung

Der Gang der strafrechtlichen Verhandlung ist in § 243 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Zunächst erfolgt der Aufruf der Sache. Daraufhin wird die Anwesenheit festgestellt und die Zeug:innen belehrt. Nachdem diese den Sitzungssaal verlassen haben, wird der:die Angeklagte zu den persönlichen Verhältnissen vernommen.

Danach beginnt Dein erste Einsatz als Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft: Die Verlesung der Anklageschrift. Diese sollte Zuhause vorab mehrmals geübt werden, um in der Hauptverhandlung souverän aufzutreten zu können. Insbesondere der Name des:der Angeklagten, Straßennamen sowie Abkürzungen sollten bei Nichtwissen erfragt werden.

Danach beginnt das Herzstück der Verhandlung. Wenn der:die Angeklagte bereit ist, sich zur Anklage zu äußern, kann er oder sie dies in diesem Verfahrensschritt machen. Danach werden noch die Zeug:innen und Sachverständige, soweit vorhanden, angehört sowie andere Beweise erhoben. Du hast das Recht, während der Verhandlung an alle Personen Fragen zu stellen. Der:die Richter:in stellt zunächst eigene Fragen an die jeweilige Person. Sodann gibt er:sie der Staatsanwaltschaft, dem:der Angeklagten sowie dem:der Verteidiger:in Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Bevor der:die Angeklagte das letzte Wort bekommt, trägt die Staatsanwaltschaft das Plädoyer vor. Das ist mit die wichtigste Aufgabe als Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft bei der Verhandlung. Das Plädoyer kann nicht vollständig ausformuliert vorbereitet werden, da man unvoreingenommen auf die Situationen in der Verhandlung reagieren soll. Allerdings können Textbausteine als Vorlage vorbereitet und während der Verhandlung ergänzt werden.

Das Plädoyer

Das Plädoyer wird auch synonym als Schlussvortrag bezeichnet und ist folgendermaßen aufgebaut:

  1. Einleitungssatz
  2. Sachverhaltsschilderung
  3. Beweiswürdigung
  4. Rechtliche Würdigung
  5. Strafzumessung
  6. Antrag

Der Schlussvortrag beginnt stets mit der Anrede des Gerichts. Diese lautet „Hohes Gericht“. Soweit ein:e Verteidiger:in anwesend ist, kann gerne auch „Herr:Frau Verteidiger:in“ in de Anrede mit aufgenommen werden.

Sodann schließt sich die Sachverhaltsschilderung an. Hier ist der Sachverhalt vorzutragen, der aus staatsanwaltlicher Sicht als erwiesen gilt. Dabei ist zu erwähnen, ob sich der Sachverhalt aus der Anklage bestätigt hat oder ob sich neue Erkenntnisse aufgrund der mündlichen Hauptverhandlung ergeben haben.

Als Einleitung können folgende Sätze verwendet werden: „In der heutigen Hauptverhandlung hat sich der Sachverhalt wie bereits in der Anklage verlesen im Wesentlichen bestätigt“ oder „Entgegen der Anklageschrift hat sich in der Hauptverhandlung herausgestellt, dass …“.

Innerhalb der Beweiswürdigung werden die Beweismittel, z.B. Zeugenaussagen gewürdigt. Auch ein Geständnis des:der Angeklagten muss dahingehend gewürdigt werden, ob die Aussage glaubhaft und der:die Angeklagte dabei glaubwürdig war.

Der Einleitungssatz könnte folgendermaßen beginnen: „Für die Staatsanwaltschaft steht folgender Sachverhalt aufgrund der Einlassung des Angeklagten sowie der Zeugenaussagen fest“. Daraufhin erfolgen weitere Ausführungen, weshalb z.B. der Aussage des:der Angeklagten und der Zeug:innen Glauben geschenkt wird.

Bei der rechtlichen Würdigung werden die Strafnormen, wonach sich der:die Angeklagte strafbar gemacht hat, genannt. Das kann kurz mit „Demnach hat sich der/die Angeklagte nach § 223 I Strafgesetzbuch (StGB) strafbar gemacht“ festgestellt werden.

Die Strafzumessung basiert auf dem Strafrahmen des Tatbestandes, wobei strafmildernde und strafschärfende Umstände zu berücksichtigen sind. Auch Gesamtstrafen werden in diesem Abschnitt erläutert. Zuletzt wird dargestellt, ob eine Freiheitsstrafe oder Geldstrafe für angemessen gehalten wird und anhand welcher Faktoren sich diese bemisst. Bei der Geldstrafe ist grds. vom Einkommen des/der Angeklagten auszugehen.

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Die Strafzumessung

Überleitend zum Antrag kann die Strafzumessung solchermaßen erfolgen: „Unter Berücksichtigung aller für und gegen den:die Angeklagte:n sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkten hält die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe/ Freiheitsstrafe von… für angemessen“.

Zuletzt wird der vollständige Antrag formuliert. Dieser beinhaltet den gewollten Schuldspruch/Freispruch, ggf. Nebenstrafen (z.B. Entzug der Fahrerlaubnis) sowie die Kostenregelung.

Ein Antrag kann dergestalt lauten:

„Ich beantrage daher, den/die Angeklagte wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs.1 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen in Höhe von 40 Euro zu verurteilen.

Der:die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.“

Nach einer kurzen Pause außerhalb des Gerichtssaals wird der:die Strafrichter:in wieder hereinkommen und das Urteil verkünden. Bei der Verkündung stehen alle Anwesenden.


Mit diesen Tipps ist jede:r Referendar:in bestens auf die Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft vor der Hauptverhandlung vorbereitet. Falls Du (zukünftige:r) Referendar:in bist und eine bereits vorgefertigte Vorlage für die Sitzungsvertretung haben möchtest, schaue auf meinem Instagramaccount @linas_studytips vorbei. Dort findest du eine kostenlose Arbeitsvorlage für die Strafstation.

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