Referendariat mit Kind – Zwischen Krabbelgruppe, Sitzungsdienst und Examensvorbereitung

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„Wow, du hast schon ein Kind? Wie schaffst du das nur alles? Das könnte ich ja nicht.“
So lautet der Standardspruch, der jeder Mutter, die mit Baby oder Kleinkind studiert oder ihrem Beruf schon kurz nach Geburt wieder nachgeht, nur allzu gut bekannt sein dürfte. Weil es sich noch immer um die Ausnahmefälle handelt, die nicht dem klassischen gesellschaftlichen Rollenbild einer Mutter entsprechen. Noch viel weniger passt für viele das Bild der Jurastudentin oder, wie in meinem Fall, der jungen Referendarin und Mutter zusammen. Ich erinnere mich noch gut an die Verkündung meiner Schwangerschaft und daran, wie die Vorstellung vom Kinder bekommen zwischen Juristen und all denen, die nichts mit Jura am Hut haben, auseinandergingen.

Unter Juristen war klar: erst die Karriere, dann die Kinder. Und bei Nichteinhaltung dieser klaren Reihenfolge muss ein Kind eindeutig einen Karriereeinschnitt bedeuten. Denn sehr
erfolgreiche Mütter, die als Partnerinnen in Großkanzleien als Vorbilder für junge Frauen
agieren, sind noch immer eine Seltenheit. Leider muss man wohl sagen. Doch das ist ein
anderes Thema. In den Köpfen aller dominiert wohl am meisten die Frage: „Wie soll das
eigentlich alles klappen?“


Als ich schwanger wurde, habe ich das Internet rauf und runter gesucht, um an
Informationen für das Referendariat mit Kind zu kommen. Ich habe unzählige E-Mails an die Referendarbeauftragen des Landgerichts und Oberlandgerichts geschrieben. Doch viel mehr als das mir auferlegte Beschäftigungsverbot konnte ich daraus nicht mitnehmen. Es ist eben doch nicht der Standardfall, ein Baby während des Referendariats zu bekommen. Oder, um die Worte der Referendargeschäftsstelle, die mir lang nachgehallt sind wiederzugeben: das unmögliche zu schaffen und das Referendariat mit Kind zu Ende zu bringen. Wie genau man das schaffen soll, dabei hilft einem aber leider keiner. Die Seite „Referendariat mit Kind“, wie ich es aus der Uni kannte, sucht man beim OLG vergeblich.

Tipps fürs Jurastudium

Baby nach der Zivilstation

Mein Sohn kam passend nach der Zivilstation und der sechswöchigen Mutterschutz-
Schonfrist zur Welt. Ursprünglich hatte ich ein Jahr Elternzeit eingeplant. Ein Jahr, in dem ich mich voll auf dieses kleine Wesen konzentrieren wollte. Ich wollte jeden Augenblick so gut es ging einsaugen. Kurz nach der Geburt schien das Thema Referendariat so fern. Ich war auf einmal komplett ausgelastet mit dem Mama-Sein. Mit Stillen, Windelwechseln,
Hebammenterminen und dem furchtbaren Schlafentzug. All das mit einem kleinen Baby, das am liebsten die ersten Wochen auf und an einem leben würde.

Und doch kam nach ein paar Monaten der Zwiespalt auf, wann und wie sich der beste
Wiedereinstieg ins Referendariat gestalten ließe. Bei mir machte sich allmählich die Angst
breit, dass diese dämliche Stilldemenz auch die letzten noch vorhandenen juristischen
Gehirnzellen killen würde. Und als ich immer dann, wenn mein Baby in die Trage geschnürt
an mir schlief, für die Uni Grundkursklausuren der ersten Semester korrigierte, ist mir
aufgefallen, wie sehr ich es vermisste, auch mal über komplexere Fragestellungen
nachzudenken, als wann der richtige Zeitpunkt fürs nächste Schläfchen sein könnte.

Milch abpumpen während des Sitzungsdienstes

Also stieg ich wieder ein. Nach intensiver Abwägung und zahlreichen Gesprächen mit Familie und Partner entschied ich schon zum nächsten Termin weiterzumachen. Mein Sohn war da gerade mal vier Monate alt. Und mir stand die wohl zeitintensivste Station bevor: die Strafstation. Schon der verpflichtende Einführungslehrgang war eine echte organisatorische Herausforderung. Ganz zu schweigen davon, dass ich den Terminplan trotz mehrfacher Nachfrage erst knapp zwei Wochen vor Beginn der Station erhalten habe. Dass ich auf meine Familie als Betreuungspersonen angewiesen war, weil mein Sohn noch viel zu klein für die Kita war, interessierte hier niemanden. Und während die anderen Referendar:innen sich in den AG-Pausen über Partys und Wochenendaktivitäten austauschten, musste ich für meinen Sohn spätestens alle zwei Stunden Milch abpumpen und in einer kleinen Kühltasche wieder mit nach Hause tragen, damit er während meiner Abwesenheiten auch ausreichend versorgt war.

Höhepunkt der Strafstation war dann der Sitzungsdienst. Für die anderen, weil sie zum
ersten Mal in ihrer gesamten juristischen Karriere allein vor Gericht als Organ des Staates
auftreten durften. Für mich in erster Linie, weil es eine organisatorische Hölle darstellte.
Natürlich war ich wahnsinnig stolz und aufgeregt, allein zu plädieren, Fragen zu stellen und
als Staatsanwältin aufzutreten. Aber als die Verhandlung vor dem Strafgericht in einem
Verfahren bereits knapp vier Stunden andauerte und meine Brüste voll Muttermilch fast
zerplatzt wären, war es doch einfach nur peinlich, um eine Unterbrechung zum Abpumpen
zu bitten. Für einen Strafrichter kurz vor dem Renteneintritt auch eine völlig absurde
Anfrage.

Diese Zeiten habe ich inzwischen zum Glück hinter mir gelassen. Inzwischen bin ich in der
Anwaltsstation samt akuter Examensvorbereitung angekommen und mein Sohn ist nun
schon ein Jahr alt.

Ref-Organisation nimmt keine Rücksicht

Um zurück zur Anfangsfrage zu kommen: Wie man das schafft? Ich weiß es ehrlich gesagt
selbst nicht so genau. Ich bin immernoch dabei, es herauszufinden. Denn auch wenn das
Eltern-Sein leichter wird, so wird doch die Erwartung an sich selbst nicht weniger. Und das
Referendariat hält immer wieder organisatorische Überraschungen für einen bereit. Ist eben nicht für jeden ein Problem, wenn die AG zwei Tage vor Stattfinden auf einmal von Dienstag Vormittag auf Freitag Nachmittag verschoben wird. Ich würde es wohl nicht ohne die Unterstützung meiner Familie und meines Partners schaffen. Man braucht ein sehr gutes Zeitmanagement, unfassbares Durchhaltevermögen und muss seine eigenen Ambitionen manchmal auch deutlich herunterschrauben. Denn man kann nicht alles schaffen.

Und trotzdem bleibt im Hinterkopf immer das schlechte Gewissen. Einerseits, weil man nicht genug gelernt hat, nicht bis spätabends gearbeitet hat oder nicht ausreichend konzentriert war. Und auf der anderen Seite steht immer die eigene Erwartung eine gute Mutter zu sein. Für sein Kind da zu sein, ausreichend Zeit zu haben, immer wieder neues miteinander zu erleben und wie die Stay-at-Home-Mums bei jeder Krabbelgruppe und jedem Musikkurs, der im Umkreis so angeboten wird, dabei zu sein.

Vom gesellschaftlichen Druck mal ganz zu schweigen, der ohnehin jede Mutter in ihrer Mutterrolle völlig erdrückt. Sobald man ein Kind hat, tritt alles andere ein wenig in den Hintergrund. Muss dann neben der Kinderbetreuung und -bespaßung auch noch die Examensvorbereitung am Laufen gehalten werden, kann das ganz schön auslaugen. Und doch würde ich es für nichts in der Welt austauschen wollen. Ich habe mir damals immer jemanden gewünscht, der mir genau das sagen würde: Man kann alles schaffen und ja, es wird verdammt hart, aber Kind und Referendariat sind kein gegenseitiges Ausschlusskriterium.

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