Interview: Frag den … Staatsanwalt!

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Juristische Berufserfahrung aus erster Hand: Im Interview mit OStA Dr. Torben Asmus

Oberstaatsanwalt Dr. Asmus ist nach Studium und Referendariat u.a. in Göttingen, Córdoba und Barcelona seit 2005 in der niedersächsischen Justiz tätig. Seit 2016 leitet er die Abteilung für Jugendstrafrecht der Staatsanwaltschaft Göttingen und ist dort auch zuständig für Medizinstrafrecht. Seit 2012 hält er als Lehrbeauftragter der Universität Göttingen (deutsche und spanische) StPO-Vorlesungen.

Sehr geehrter Herr Dr. Asmus, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, Wissenswertes über Sie und Ihren Beruf als Oberstaatsanwalt mit unseren JURios-Leser:innen zu teilen! Wollten Sie eigentlich schon immer Staatsanwalt werden? Und – warum Justiz?

Dr. Asmus: Während des Studiums wollte ich im Bereich des Markenrechts, Urheberrechts und/oder internationalen Privatrechts tätig werden und hatte mir eine Tätigkeit als Richter am Landgericht in einer entsprechend spezialisierten Kammer vorgestellt. Während der drei Jahre als Assessor haben mir dann aber das Wirtschaftsstrafrecht und die kommunikative, vielfältige Tätigkeit eines Staatsanwalts am besten gefallen. Richter oder Staatsanwalt wollte ich schon nach wenigen Semestern im Jurastudium werden. Ich kann mir keine juristische Tätigkeit vorstellen, mit der man inhaltlich dauerhaft derart zufrieden sein kann.

Sie spielen eine Runde Tabu und müssen als Erklärer Ihren Mitspieler:innen den Begriff „Staatsanwalt“ umschreiben. Welche fünf Tabu-Begriffe, die dabei nicht genannt werden dürfen, stehen auf Ihrer Karte, um Ihren Suchbegriff nicht direkt zu entlarven?

Dr. Asmus: Tatort / Polizei / Strafverfolgung / Robe / nicht küssen

Nehmen Sie uns an die Hand und führen Sie uns durch einen typischen Arbeitstag als Oberstaatsanwalt. Was unterscheidet Sie dabei von einem Nicht-Oberstaatsanwalt?

Dr. Asmus: Als Oberstaatsanwalt bin ich etwa zur Hälfte mit der Leitung einer Abteilung mit sechs Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, deren Ausbildung sowie anderen Verwaltungsaufgaben beschäftigt. Die andere Hälfte meiner Tätigkeit ist das typische Führen von Ermittlungsverfahren durch die schriftliche und telefonische Vergabe von Ermittlungsaufträgen an die Polizei, an Gutachter, an sonstige Behörden, die Träger der Jugendhilfe usw., um jeweils entscheiden zu können, ob bezüglich eines strafrechtlichen Vorwurfs Anklage zu erheben ist. Einmal in der Woche vertrete ich dann die Anklagen der Staatsanwaltschaft vor den Strafgerichten. Typischerweise reserviere ich meinen Vormittag für eine Vielzahl von Telefonaten, Gesprächen und Konferenzen, während der ruhigere Nachmittag meist für die Aktenarbeit reserviert bleiben kann. Ungefähr an 14 über das Jahr verteilten Tagen habe ich Eildienst, also einen 24-Stunden-Dienst zur Entgegennahme eiliger Anträge der Polizei für den gesamten Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft.

Apropos „typischer Tag“: Was sind typische Fälle, die Ihnen tagtäglich in Ihrer Arbeit begegnen – was war im Gegenteil dazu das Kurioseste, was Ihnen im Berufsleben widerfahren ist?

Dr. Asmus: In der Sachbearbeitung kümmere ich mich um fahrlässige Tötungen, fahrlässige Körperverletzungen und sonstige Todesermittlungen im Zusammenhang mit vermuteten Ärztefehlern. Im Jugendstrafrecht bearbeiten wir sämtliche Straftaten der 14- bis 21-jährigen Personen in unserem Bezirk mit Ausnahme von Sexualstraftaten.

Der vielleicht kurioseste Fall begann als Fahren ohne Fahrerlaubnis einer 16-jährigen, die vor ihrem Gymnasium 100m mit einem Pkw gefahren war. Angestiftet dazu hatte sie ein Oberarzt, der vorgegeben hatte, der Motor seines Pkw klinge komisch und er müsse kurz von außen hören, wie der Pkw während der Fahrt klinge. Tatsächlich wollte und hat der Oberarzt aber ein Foto davon gemacht, wie das Mädchen ihre Hände am Steuer seines Pkw bewegte, weil er einen entsprechenden Fetisch hatte. Eine spätere Durchsuchung bei ihm führte zum Auffinden von Videos, auf denen Szenen aus Spielfilmen zusammengeschnitten waren, die Frauenhände am Steuer von Pkw zeigten…

Was reizt Sie daran, mit anderen Mitgliedern des Rechtssystems zusammenzuarbeiten und wie würden Sie die Rolle der Staatsanwaltschaft in diesem Gefüge einordnen? Wie gehen Sie vor diesem Hintergrund damit um, wenn Verfahren nicht wie gewünscht ausgehen?

Dr. Asmus: Mehr als reizvoll ist es befriedigend, als Staatsanwalt täglich große Selbstwirksamkeit zu erfahren, also im Gespräch mit Verfahrensbeteiligten zu Ergebnissen zu kommen, die eine effektive Strafverfolgung garantieren, aber eben auch zu der Lösung der konkreten sozialen Konflikte beitragen, die für die Taten ursächlich sind und/oder durch sie ausgelöst werden.

Für die Strafverfolgung und die auf diesen Bereich bezogene Garantie des Bestandes und des Vertrauens in die Rechtsordnung ist die Staatsanwaltschaft meines Erachtens von zentraler Bedeutung. Ungefähr 80 % aller Ermittlungsverfahren gelangen nicht über Anklagen und Strafbefehle zu den Gerichten, sondern enden bei der Staatsanwaltschaft. Bezüglich des weit überwiegenden Teils aller strafrechtlichen Phänomene ist die Staatsanwaltschaft also „Herrin des Verfahrens“ vom Anfang bis zum Ende. Daraus erwächst eine große Verantwortung, aber es macht eben auch die Vielfältigkeit, den großen Gestaltungsspielraum und damit letztlich die Freude an der Arbeit in der Staatsanwaltschaft aus.

In meinem Einflussbereich liegende Wunschvorstellungen sind der Verfahrensordnung entsprechende sowie gerechte Lösungen. Da erlebe ich aufgrund der Professionalität aller anderen Verfahrensbeteiligten glücklicherweise so gut wie keine Frustrationserlebnisse. Nicht wie gewünscht laufen natürlich die Lebenswege zahlreicher Jugendlicher, mit denen ich zu tun habe und das Leid der Opfer von Straftaten und Ärztefehlern lässt mich auch nicht kalt. Aber die Aufgabe besteht meines Erachtens darin, diese Gefühle in Motivation zu noch besserer Arbeit umzuwandeln.

Jetzt haben Sie uns schon sehr von Ihrem Beruf überzeugen können. Was muss man tun, um eine Karriere als Staatsanwalt oder Staatsanwältin zu ergreifen und welche Voraussetzungen sollte man dabei mitbringen? Unter welchem Umständen würden Sie sogar dazu raten, von dieser Berufswahl abzusehen?

Dr. Asmus: Wer die entsprechenden Examensnoten mitbringt, kann sich auf den Internetseiten der Oberlandesgerichte informieren, welches Persönlichkeitsprofil sich die Justiz von ihren zukünftigen Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wünscht.

Am wichtigsten ist für mich dabei die immer wieder genannte Identifikation mit dem Auftrag der Justiz, also die Freude daran und die Einsicht darin, welche Verantwortung und welches Privileg es darstellt, im Einzelfall ebenso wie im Großen an der Durchsetzung einer im internationalen Vergleich inhaltlich hervorragenden und gut funktionierenden Rechtsordnung mitarbeiten zu können.

Nicht zu empfehlen ist die Tätigkeit, wenn man lieber (re-)präsentiert, als inhaltlich zu arbeiten. Die Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit in der Sache, die nach außen oft als spröde, im Stil sehr trockene Art erscheint, darf einen nicht langweilen. Wer Auseinandersetzungen auf die Kraft von Argumenten setzt und persönliche Unabhängigkeit schätzt, ist in der Justiz sicher gut aufgehoben. Wenn man sich zu einem so großen Anteil über sozialen Status definiert, dass Vergleiche mit der Entlohnung ähnlich qualifizierter Arbeit zu Sozialneid führen, sollte man diesen Beruf nicht ergreifen.

Zu guter Letzt: Versetzen Sie sich in Ihr Erstsemester-Ich zurück. Was würde es heute von Ihrem Werdegang halten und umgekehrt: was würden Sie Ihrem Erstsemester-Ich raten?

Dr. Asmus: Ich glaube, mein Erstsemester-Ich wäre dankbar für den Weg, der vor ihm liegt. Ich würde ihm allerdings zu mehr Selbstvertrauen, mehr Mobilität und gesünderem Essen raten!

Herr Dr. Asmus, vielen Dank für Ihre spannenden Einblicke!

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Alina Sviridenko
Alina Sviridenko
Studentin der Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen mit dem Schwerpunkt Kriminalwissenschaften.

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