Interview: Frag den… Strafverteidiger!

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Juristische Berufserfahrung aus erster Hand: Im Interview mit RA Hans Holtermann

Hans Holtermann ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er studierte in Frankfurt, Göttingen und Hannover Rechtswissenschaften. Eine Besonderheit: Er musste kein Rechtsreferendariat ablegen, weil dies damals in der einstufigen Juristenausbildung durch Praktika während des Studiums ersetzt wurde (dafür gab es auch nur ein Examen und das ohne Klausuren!). Neben der beruflichen Tätigkeit war er lange Jahre Vorsitzender der Vereinigung Niedersächsischer und Bremer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, ehrenamtlicher Richter des Anwaltsgerichts Celle und Mitglied des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Celle.

Berufsspecial

Sehr geehrter Herr Holtermann, vielen Dank, dass Sie unseren JURios-Leser:innen in diesem Interview einige Einblicke zu Ihrer Person und Ihrem Beruf gewähren wollen!

Zu irgendeinem Zeitpunkt in Ihrem Leben haben Sie sich dazu entschieden, Strafverteidiger zu werden. Warum die Anwaltschaft und warum Strafrecht?

Holtermann: Politische Strafverfahren haben mich immer interessiert, aus der Weimarer Republik und der Nazizeit, damals aber aktuell auch Prozesse gegen Protestbewegungen und militante Gruppen wie die RAF. Und natürlich muss man auf der Seite der Schwächeren stehen – deshalb Strafverteidiger!

Viele Studierende beginnen das Jurastudium mit der Absicht, Anwältin oder Anwalt zu werden. Welcher Fertigkeiten bedarf es, um diesen Beruf erfolgreich auszuüben und unter welchen Umständen ist man weniger gut in der Anwaltschaft aufgehoben?

Holtermann: Ohne solide und möglichst aktuelle Kenntnisse des materiellen wie auch des formellen Rechts geht es nicht. Daneben sollte man in der Lage sein, empathisch mit dem Mandanten (und anderen Beteiligten) umzugehen, wenn nötig aber auch mit deutlichen Worten die eigene Position zu vertreten. Und belastbar sollte man schon sein – das gilt aber sicherlich für jeden Beruf.

Was sind Ihre Hauptaufgaben während eines typischen Arbeitstages – gibt es einen solchen überhaupt? Womit verbringen Sie als Strafverteidiger am liebsten Zeit und womit weniger gerne?

Holtermann: Lesen, Nachdenken, Diskutieren, Schreiben und Telefonieren. Und wenn es sich durch eine Stellungnahme im Vorfeld nicht vermeiden ließ, gehört auch der Gang in den Gerichtssaal dazu. Das mache ich alles ausgesprochen gern. Weniger erfreulich ist dagegen die für das Büro notwendige Befassung mit Erklärungen an das Finanzamt, die Sozialversicherung und anderen bürokratischen Dingen.

Welche Arten von Fällen bearbeiten Sie am häufigsten und gibt es einen Fall, der Ihnen ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Holtermann: Am häufigsten bearbeite ich Wirtschaftsstrafverfahren, die eine sehr große Bandbreite an möglichen Delikten umfassen. Aber auch „normale“ Kriminalität vom kleinen Diebstahl bis zu Tötungsdelikten spielt durchaus eine Rolle.

Neben einigen politischen Strafverfahren war besonders prägnant die Verteidigung eines früheren Mitglieds der Waffen-SS, der im KZ Auschwitz eingesetzt war und deswegen 70 Jahre später angeklagt wurde.

Sicherlich wurden Sie als Strafverteidiger bereits mit einigen Vorurteilen konfrontiert. Räumen Sie mit den gängigsten Clichés auf!

Holtermann: Wir verteidigen den Beschuldigten, der möglicherweise der Täter ist, aber nicht die ihm vorgeworfene Tat. Und als Verteidiger bin ich nicht das „Mietmaul“ des Mandanten; damit täte ich ihm auch keinen Gefallen.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, vor die Strafverteidiger:innen innerhalb des Rechtssystems und/oder innerhalb der Gesellschaft gestellt werden?

Holtermann: Andere Beteiligte mit guten Argumenten von der Position zu überzeugen, die ich gemeinsam mit dem Mandanten erarbeitet habe, und dies bei einem fortwährenden Abbau der Rechte des Beschuldigten.

Ähnlich ist es in der Gesellschaft: Das Eintreten für die Rechte von Beschuldigten, und sei es auch nur die Unschuldsvermutung, stößt häufig auf völliges Unverständnis.

Wenn es eine Sache gäbe, die Sie in Bezug auf einen beliebigen Bereich Ihrer Arbeit verändern könnten, welche wäre das?

Holtermann: Schön wäre es, wenn man ohne Rücksicht auf Finanzen arbeiten konnte.

Herr Holtermann, herzlichen Dank für Ihre wertvollen Antworten auf unsere Fragen. Anders als vor Gericht haben Sie dieses Mal das Letzte Wort!

Holtermann: Strafverteidigung ist herausfordernd – macht aber meist auch Spaß!

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Alina Sviridenko
Alina Sviridenko
Studentin der Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen mit dem Schwerpunkt Kriminalwissenschaften.

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