Darf man im Rechtsreferendariat streiken?

-Werbung-spot_imgspot_img

Zwei Rechtsreferendare des Hanseatischen Oberlandesgerichts gehen auf dem Verfassungsblog der spannenden Frage nach, ob Rechtsreferendar:innen streiken dürfen.

In diesem Jahr fanden in Deutschland zum ersten Mal Demonstrationen statt, die sich explizit an Jurastudierende und Rechtsreferendar:innen gerichtet haben. Die Bundesfachschaft Jura rief gemeinsam mit dem Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung (iur.reform) zur Demonstration vor den beiden Justizministerkonferenzen im Frühjahr und Herbst in Berlin auf. Viele Studierende, Referendar:innen und Praktiker:innen sowie Professor:innen folgten dem Aufruf und forderten von der Politik eine bessere juristische Ausbildung.

Die Teilnahme an Demonstrationen und auch das Streikrecht werden für Jurastudierende und Referendar:innen also zunehmend relevanter. Im Dezember 2023 rief Ver.di erstmals auch Beschäftigte der Justiz zum Arbeitskampf auf. Für Personen, die sich noch in der juristischen Ausbildung befinden, stellt sich da natürlich sofort die Frage: Dürfen wir als Referendar:innen überhaupt streiken?

Öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis

Die Diplomjuristen Tobias Vogt und Carl Cevin-Key Coste beantworten die Frage auf dem Verfassungsblog ganz klar mit einem Ja! Doch neben der Antwort ist für uns (angehende) Jurist:innen aber natürlich auch die rechtliche Begründung hierfür interessant.

Entscheidend ist zunächst, in welchem Verhältnis Referendar:innen überhaupt zum Staat stehen. Das kommt auf das Bundesland an. Auch wenn einige Bundesländer wieder angefangen haben, ihre Referendar:innen zu verbeamten, stehen Rechtsreferendar:innen in den meisten Ländern (noch) in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Dabei handelt es sich gerade um kein Beamtenverhältnis, sodass die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ aus Art. 33 GG nur stark eingeschränkt gelten.

Ob das für Arbeitnehmer entwickelte Arbeitskampfrecht auf Rechtsreferendare übertragbar ist, hängt sodann davon ab, ob der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG (Jedermann-Grundrecht) eröffnet ist. Der sachliche Schutzbereich der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG fordert, dass eine Vereinigung der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient. Auch wenn Referendar:innen strenggenommen noch keine „Arbeit“ leisten, sondern sich noch in der Ausbildung befinden, bejahen Vogt/Coste die Eröffnung des Schutzbereiches.

Schutzbereich der Koalitionsfreiheit eröffnet

„Besonders der Zweck des Art. 9 Abs. 3 GG spricht dafür, Rechtsreferendare zu erfassen. Art. 9 Abs. 3 GG zielt darauf ab, dass abhängig Beschäftigte im Wege der kollektiven Privatautonomie auf die Bedingungen Einfluss nehmen können, unter denen sie tätig sind. Zu diesen Bedingungen zählen neben der Vergütung auch die Arbeitsumstände, auf die sie wegen des Hierachieverhältnisses weniger Einfluss haben als bei üblichen Austauschverhältnissen.“

Nachdem das BVerfG das Streikverbot für Beamt:innen als Teil des „eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums“ aus Art. 33 Abs. 5 GG eingeordnet hat, liegt es nahe, dieses gerade nicht auf das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis anzuwenden. Laut Vogt/Coste sprechen hierfür drei Argumente:

  • Der Ausgleich für das Streikverbot sei das Alimentationsprinzip (das für Referendar:innen nicht gilt)
  • Beamt:innen können gesetzlich abgesichert bereits durch ihre Spitzenorganisationen Einfluss nehmen (Rechtsreferendar:innen können dies nicht)
  • Ein Streikverbot für Rechtsreferendare würde in Art. 11 Abs. 1 EMRK eingreifen.

Staat hat ureigenes Interesse an guter juristischer Ausbildung

Doch Referendar:innen dürfen nicht grenzenlos streiken. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist das Arbeitskampfrecht tarifakzessorisch. Das bedeutet, dass der Arbeitskampf nur rechtmäßig ist, wenn ein tariflich regelbares Ziel verfolgt wird. Andere politische Forderungen dürfen gerade nicht verfolgt werden. Ein Streik für bessere Ausbildungsbedingungen oder eine höhere Unterhaltsbeihilfe ist demnach nicht vom Streikrecht der Rechtsreferendar:innen gedeckt. Allerdings wäre es möglich, einen eigenen Tarifvertrag für Referendar:innen zu fordern.

Vogt/Coste kommen deswegen zu folgendem Ergebnis: „Rechtsreferendare im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis dürfen streiken. Neben der rechtlichen Ebene sind gute Arbeitsbedingungen im Referendariat jedoch gleichzeitig die beste Werbung für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst. Daher hat der Staat ein Eigeninteresse, Streiks als ultima ratio durch gute Arbeitsbedingungen zu vermeiden.“

Außerdem ist es natürlich auch als Referendar:in weiterhin möglich, in der eigenen Freizeit an Demonstrationen für eine bessere juristische Ausbildung teilzunehmen.

-Werbung-

Ähnliche Artikel

Social Media

6,795FollowerFolgen
2,166FollowerFolgen
Download on the App Store
Jetzt bei Google Play
-Werbung-spot_img
-Werbung-

Letzte Artikel