Erfahrungsbericht: Meine Verwaltungsstation bei der Industrie- und Handelskammer (IHK)

-Werbung-spot_imgspot_img

Während des Referendariats muss in jedem Bundesland auch die Verwaltungsstation absolviert werden. Das stellt die Referendar:innen wohl anders als in den vorherigen Stationen vor größere Entscheidungsprobleme. Im Vergleich zur Zivil- und Strafstation gibt es schlicht und ergreifend eine viel größere Auswahl an möglichen Ausbildungsstellen. Stadtverwaltungen, Zweckverbände, Landratsämter und Ministerien kommen den Meisten wohl als erstes in den Sinn. Die erst genannten stellen dabei Behörden im klassischen Sinne dar. Mit ihnen werden wohl auch die meisten Vorurteile verbunden. Eine mögliche Alternative hierzu kann die Absolvierung der Station bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) sein.

Verknüpfung zur Wirtschaft

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) ist keine Behörde im klassischen Sinn. Als Personalkörperschaft ist sie zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und übernimmt durch das IHK-Gesetz übertragene hoheitliche Aufgaben. Daneben ist sie aber auch eine Selbstverwaltungsorganisation der Wirtschaft für die Gewerbetreibenden aus Industrie, Handel, Verkehr und anderen Dienstleistungsbereichen zur Förderung ihrer Gesamtinteressen. Bei der IHK befasst man sich also nicht ausschließlich mit Verwaltungsaufgaben, sondern stellt auch immer den (so wichtigen) Bezug zur Wirtschaft her.

Für alle Gewerbetreibenden besteht mit Ausnahme der Handwerksbetriebe, der Landwirtschaft und der Freiberufler eine Zwangsmitgliedschaft in der IHK. In Deutschland gibt es insgesamt 79 IHKs auf alle Bundesländern verteilt. Je nach Standort umfasst sie mehr oder weniger Mitglieder. So ist die IHK für München und Oberbayern bspw. deutlich größer und breiter aufgestellt als die IHK Ostthüringen zu Gera, bei der ich meine Station absolviert habe. Kleinere IHKs müssen aber insoweit keinen Nachteil in der Ausbildung darstellen. Die Mitarbeitenden und damit auch Dein Ausbilder oder Deine Ausbilderin, sind nicht so stark auf ein einzelnes Rechtsgebiet spezialisiert. Somit bekommst du in der Ausbildung auch ein breiteres Spektrum an Aufgaben zugeteilt. Im Hinblick auf das Examen ist das ein deutlicher Vorteil.

Gewerberecht und das gesamte Gemüsebeet

Deine zu bearbeitenden Aufgaben sind natürlich, wie immer, von deinem:r Ausbilder:in und dem aktuellen Arbeitsportfolio abhängig. Klassischerweise wirst du aber zumindest einen Teil deiner Aufgaben im Bereich des Gewerberechts absolvieren. Die IHK ist bspw. für Versicherungsvermittler zuständige Erlaubnisbehörde. Entsprechend wirst du Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis zur Tätigkeit als Versicherungsvermittler:in oder einen möglichen Widerruf einer solchen Erlaubnis bearbeiten dürfen. Darüber hinaus ist die IHK und die Handwerkskammer in bestimmten Verwaltungsverfahren über die Untersagung der Gewerbeausübung bzgl. der Unzulässigkeit des:r Gewerbetreibenden anzuhören. So müssen entsprechende Stellungnahmen gefertigt werden. Aber auch die Prüfung von Erfolgsaussichten einer Klage kann Gegenstand Deiner Arbeit sein, da die IHK als Körperschaft des öffentlichen Rechts natürlich beteiligten- und prozessfähig ist.

Daneben gibt es noch viele weitere Gebiete, die auf dich zukommen können. Eine meiner Aufgaben lag bspw. im Datenschutzrecht. Mag man doch, wie so oft, Vorurteile gegenüber diesem Rechtsgebiet haben, zeigt sich während der Beschäftigung mit jenem, dass es doch auch seinen Charm besitzt. So kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass der oftmals von der Allgemeinheit vorgeschobene Satz: „Das geht nicht, das verstößt gegen den Datenschutz!“ tatsächlich in den meisten Fällen gar nicht zutrifft. In den Fällen, die gegen den Datenschutz verstoßen, gibt es dann zumindest oft eine Möglichkeit, die Datenschutzkonformität herzustellen.

Zu den Aufgaben der IHK gehört aber auch, hinsichtlich einer geplanten Eintragung einer Firma in das Handelsregister, Stellungnahmen für das jeweils zuständige Registergericht abzugeben. Die IHK prüft dabei, ob die Voraussetzungen der §§ 18, 30 HGB gewahrt werden, also insbesondere ob der Firmenname eine hinreichende Unterscheidungskraft zu anderen Firmen in dem betreffenden Gebiet bietet und ob er auch keine mögliche Irreführungseignung besitzt.

Vielseitige Beratungsaufgaben

Die IHK nimmt neben ihren schriftlich zu erledigenden Aufgaben auch Beratungsaufgaben wahr. So haben die Kammerzugehörigen die Möglichkeit sich über verschiedenste Themen, von einer möglichen GmbH-Gründung über die Anmeldung von verschiedensten Ansprüchen zur Insolvenztabelle bis hin zu einem eigenen Insolvenzantrag, beraten zu lassen. Gerade hier zeigt sich der wichtige Bezug zur Wirtschaft. Sofern die jeweiligen Personen dem zustimmen, könnt ihr an solchen Beratungsgesprächen teilnehmen oder ggf. unter Aufsicht eures:r Ausbilders:in eine Beratung auch selbst vornehmen. Nutzt diese Möglichkeit, wenn sie euch angeboten wird oder zeigt Eigeninitiative. Beratung muss eben nicht immer im Rahmen eines Mandantenverhältnisses erfolgen.

Daneben hatte ich die Möglichkeit, an zwei von der IHK angebotenen Seminaren teilzunehmen. Jede IHK bietet innerhalb eines Kalenderjahres verschiedene Seminare für ihre Kammerzugehörigen an. In meinem Fall durfte ich an einem Arbeitsrecht und einem Umsatzsteuer Seminar teilnehmen. Sprecht eure Ausbilder:innen darauf an und fragt nach, ob ihr während der Station ebenfalls an einem angebotenen Seminar teilnehmen dürft. In meinem Fall war es bzgl. des Umsatzsteuerseminars eine gute Gelegenheit in ein bis dahin unbekanntes Rechtsgebiet hineinzuschnuppern. Wie immer ist auch hier das Zauberwort Kommunikation.

Nicht examensrelevant. Oder doch?

Dass die Aufgaben (mit Ausnahme des Gewerberechts) nicht immer examensrelevant sind, versteht sich wohl von selbst. Das soll die Arbeit bei dem oder der Einzelausbilder:in aber auch nicht vordergründig sein. Referendar:innen sollen vielmehr die praktische Arbeit einer Behörde kennenlernen und selbst durchführen. Deine spätere Tätigkeit wird in den seltensten Fällen examensrelevante, auswendig gelernte Probleme umfassen. Meist wird es doch darauf hinauslaufen, dass man sich mit neuen und unbekannten Problemen, solchen, die in der Praxis auftreten und oftmals auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten herrühren, befassen muss. Genau solche Probleme zu erkennen und mit dem juristischen Handwerkszeug zu einer vertretbaren Lösung zu führen, zeichnet einen guten Juristen und eine gute Juristin aus. Genau das wird auch im Examen abgeprüft und ist ein nicht zu unterschätzender Prüfungsgegenstand. Die Arbeit in der Station ist also unabhängig von ihrem Rechtsgebiet eigentlich immer examensrelevant.

Nicht ins stille Kämmerlein

Unabhängig von der konkreten Ausbildungsstelle gibt es immer wieder die Diskussion, ob man während der Station besser zwei Tage in der Woche an der konkreten Ausbildungsstelle arbeitet oder an einem Tag nur Aufgaben abholt und dann bis zur nächsten Woche zuhause bearbeitet. Für die Verwaltungsstation liegt meine persönliche Präferenz definitiv bei der Arbeit an zwei Tagen an der Ausbildungsstelle. Mag das auf den ersten Blick auch arbeitsintensiver klingen, muss man aber bedenken, dass man keine Arbeit mit nach Hause nimmt. Was man nicht schafft, wird in der nächsten Woche fortgesetzt. Wenn die Aufgaben zuhause bearbeitet werden müssen, müssen sie innerhalb einer Woche fertig sein. So kann es durchaus dazu kommen, dass man sogar mehr Zeit investieren muss. Ein weiterer Vorteil ist es gerade bei einer Behörde, dass ihr in das Behördengefüge eingegliedert werdet und den wirklichen Behördenalltag kennen lernt. Der besteht eben nicht aus Akte abholen und zurück ins stille Kämmerlein. Die Behörde lebt von der Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden. Gerade unter Jurist:innen ist der Austausch so wichtig. Zwei Jurist:innen, drei Meinungen. Wenn ihr als Referendar:in in der Behörde arbeitet, werdet auch ihr mit in diese Diskussionen eingebunden und könnt eure Ansicht vorstellen und verteidigen.

Ein bisschen Glück gehört immer dazu

Man sollte natürlich nie außer Acht lassen, dass die Ausbildung immer auch von dem Ausbildungsleiter oder der Ausbildungsleiterin und von deren Engagement abhängt. Das ist jedoch bei jeder Stelle ein Glücksspiel. Rein aufgabentechnisch ist die Arbeit bei der IHK aufgrund ihrer Nähe zur Wirtschaft aber doch etwas anderes als bei einer Behörde, die sich nur mit dem öffentlichen Recht beschäftigt. Gerade für Personen, die später auch einmal in der freien Wirtschaft arbeiten möchten oder vielleicht auch Gewerbetreibende als potenzielle MandantInnen sehen, ist es immer wichtig zu wissen, aus welchen Interessen heraus die Personen handeln.

Fazit: Ich kann die Industrie- und Handelskammer (IHK) als Ausbildungsstelle in der Verwaltungsstation (oder auch Wahlstation) absolut empfehlen. Wenn andere Referendar:innen mit ihrer Stelle unzufrieden waren, konnte ich immer mit einem Lächeln über meine Arbeit berichten.

-Werbung-
Florentine Scheffel
Florentine Scheffel
Rechtsreferendarin in Thüringen.

Ähnliche Artikel

Social Media

6,795FollowerFolgen
2,166FollowerFolgen
Download on the App Store
Jetzt bei Google Play
-Werbung-spot_img
-Werbung-

Letzte Artikel