Sie haben das Recht zu schweigen!

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Der Hinweis auf das Schweigerecht ist in strafrechtlichen Verfahren zu einer Art Mantra geworden. Und das zu recht. Denn er hat im Strafverfahren eine besondere Bedeutung. Es geht um die Wahrung eines der vornehmsten Beschuldigtenrechte: das Recht, sich nicht zu den Tatvorwürfen zu äußern.

Dieses Recht folgt aus dem Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten (Selbstbelastungsfreiheit). Die Strafverfolgungsbehörden müssen über das Schweigerecht oder, anders gewendet, das Aussageverweigerungsrecht sogar belehren, wie sich aus § 136 I S. 2 StPO ergibt. Wer trotzdem redet, muss sich bewusst sein, dass seine oder ihre Aussagen unmittelbar Gegenstand der Ermittlungen werden. Das bedeutet auch, dass die Strafverfolgungsbehörden aus den Angaben negative Rückschlüsse ziehen können. Schweigen dagegen ist neutral. Schon deshalb betonen Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger gebetsmühlenartig, dass Angaben im Ermittlungsverfahren wohlüberlegt sein müssen und dass im Zweifel gilt: Schweigen ist Gold. So viel zur Theorie.

Keine Strafverfolgung um jeden Preis

In der Praxis fällt es den Betroffenen oft schwer, mit der Entscheidung, reden oder doch besser zu schweigen, umzugehen. Das ist verständlich. Denn es liegt in unserer Natur, das eigene Handeln oder gar die eigenen Fehler rechtfertigen zu wollen. Wir wollen uns dem Gegenüber, gerade wenn diese Person geschickt auftritt, erklären, uns ihrer Sympathie versichern oder einfach nur Frust und Enttäuschung loswerden. Die Strafverfolgungsbehörden sind sich dieses Umstands ebenso bewusst wie die Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger, weshalb die erste Vernehmung einer oder eines Beschuldigten nicht selten als Wendepunkt im Ermittlungsverfahren angesehen wird. Dabei ist – trotz allem Eifer – immer auch darauf zu achten, dass Vernehmungsmethoden und Fragetechniken den von der StPO vorgegebenen Rahmen nicht verlassen. Insbesondere § 136a StPO, der unter anderem „Mißhandlung“ und „Quälerei“ zu den verbotenen Methoden zählt, bestimmt in dieser Hinsicht klare Grenzen. Kurz gesagt: „Strafverfolgung um jeden Preis“ darf es nicht geben.

Anders liegen die Dinge, wenn sich Beschuldigte bewusst und aus freien Stücken dazu entscheiden, sich zu äußern. Auch das ist ihr gutes Recht. Beschuldigte können sogar – wie sich aus § 136 I S. 5 StPO ergibt – einzelne Beweiserhebungen zu ihrer Entlastung bei den Strafverfolgungsbehörden beantragen. Das dient der Sicherung des aus Art. 103 I GG folgenden Anspruchs auf rechtliches Gehör. Ein uneingeschränktes „Recht zur Lüge“ existiert indes nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Rechtslehre nicht. Der oder die Beschuldigte ist zwar – anders als Zeugen – nicht verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Eine Grenze wird allerdings dort zu ziehen sein, wo es sich um strafbare Angaben, etwa bei falscher Verdächtigung (§ 164 StGB), handelt.

Der Ton macht die Musik – gerade in der Öffentlichkeit

Man findet in der Presse und in den Sozialen Medien immer wieder Beispiele dafür, wie leichtfertig mit dem Schweigerecht umgegangen wird. So etwa von Promis, die – trotz laufender Ermittlungen – weiterhin alles kommentieren, was als Kritik an sie herangetragen wird. Damit durchbrechen diese Personen immer wieder selbst – und vor allem ohne Not – das ihnen zustehende Schweigerecht. Menschlich betrachtet ist dieses Verhalten verständlich. Aus strafrechtlicher Perspektive erscheint es jedoch wenig sinnvoll. Denn klar ist: Solche Statements und Videobotschaften sind auch den Strafverfolgungsbehörden zugänglich. Dass hinter diesem Verhalten eine ausgefeilte Verteidigungsstrategie steckt, darf häufig schon angesichts der widersprüchlich wirkenden Angaben sowie der überhasteten Art ihrer Verbreitung bezweifelt werden. Hinzu kommt, dass die Wortwahl nicht selten ungeschickt wirkt.

Um nicht missverstanden zu werden: Die StPO schreibt dem oder der Beschuldigten nicht vor, wie er oder sie die Einlassung sprachlich zu gestalten hat. Über Geschmack lässt sich vielmehr streiten. Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger wissen aber: Der Ton macht die Musik. Und der kann auch und gerade für eine Einstellungsentscheidung bedeutsam sein, nämlich sofern es sich um eine Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen handelt.

Sicherlich: Es ist nicht einfach, mit einem laufenden Ermittlungsverfahren umzugehen. Der Gesetzgeber aber war sich dieses Problems bewusst und hat nicht zuletzt deshalb ein Schweigerecht für Beschuldigte implementiert. Dieses Recht steht Beschuldigten in jeder Phase des Strafverfahrens zu.

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Dr. Lorenz Bode
Dr. Lorenz Bode
Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

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