„Mobile Briefmarke“ darf nicht nach 14 Tagen verfallen

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Man ist unterwegs und muss schnell einen Brief verschicken. Eine Papierbriefmarke, geschweige denn einen Drucker hat man jedoch nicht zur Hand. Abhilfe schafft seit zwei Jahren ein neues Angebot der Deutschen Post. In der App „Post & DHL“ kann man eine sog. „Mobile Briefmarke“ erwerben. Sie besteht aus Zahlen und Buchstaben, die lediglich mit einem Stift auf den Briefumschlag geschrieben werden müssen. Später auf dem Postweg wird der Umschlag mit der Zahlen-Buchstaben-Kombination als frankiert erkannt. Eigentlich eine praktische Sache. Benutzt man diese Briefmarke aber nun, aus welchen Gründen auch immer, doch nicht, verfällt sie nach 14 Tagen.

So zumindest die bisher geltende Rechtslage. Das Landgericht (LG) Köln hat sich der Sache jetzt aber angenommen und kommt zu einem anderen Ergebnis. Eine entsprechende Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Post sei rechtswidrig. Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Konkret lautet die angegriffene AGB-Klausel:

„Die Mobile Briefmarke ist lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Erworbene Mobile Briefmarken verdlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. Das maßgebliche Kaufdatum ist in der Auftragsbestätigung genannt. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen.“

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Grundsätzlich richtet sich eine AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Dass der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB eröffnet ist, sah das LG Köln als gegeben an. So ist die beanstandete Klausel eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, sodass eine AGB gem. § 305 Abs. 1 BGB vorliegt. Außerdem handele es sich auch nicht nur um eine bloße Leistungsbeschreibung, da die Gültigkeitsbefristung für die Bestimmtheit und Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts entbehrlich ist.

Schwerpunkt des Streits war jedoch, ob eine sog. unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn durch die einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten der Vertragspartner:innen durchgesetzt werden, ohne von vornherein auch diese Belange hinreichend zu berücksichtigen und einen angemessen Ausgleich zuzugestehen. Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung der Vertragspartner:innen durch höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen gerechtfertigt ist, so die gängige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH).

Kein Frachtvertrag, sondern Kaufvertrag

Das Problem lag dabei in der verkürzten Verjährungsfrist. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur die Verjährung nach den §§ 194 ff. BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist liegt dabei aber bei drei Jahren nach § 195 BGB. Läge hingegen ein Frachtvertrag gem. § 407 HGB vor, wäre die Verjährungsvorschrift des § 439 HGB anwendbar. Einen Frachtvertrag lehnte das LG aber mit der Begründung ab, dass ein solcher erst durch die Aufgabe der jeweiligen Sendung zustande kommt. Beim Erwerb der mobilen Briefmarke handele sich vielmehr um einen ganz normalen Kaufvertrag gem. § 433 BGB.

Indem die angegriffene Klausel nun die Verjährungsfrist von drei Jahren – beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht – auf 14 Tage herabsetzt – beginnend mit dem Kaufdatum – liegt eine unangemessene Benachteiligung vor.

„So wird der Zeitraum, in dem die unmittelbare Geltendmachung des Anspruchs – die Beförderung eines […] Briefes – möglich ist, auf einen minimalen Bruchteil (ca. 1 %) des vom gesetzlichen Leitbild Vorgesehenen herabgesetzt.  Der dadurch bewirkte ersatzlose Verlust der Möglichkeit, einen nicht verjährten Anspruch geltend zu machen, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher:innen dar.“

100.000.000 Möglichkeiten begründet keine 14 Tage Begrenzung

Das LG führte darüber hinaus aus, dass das Argument der Deutschen Post, eine zeitliche Begrenzung des Codes sei zwingend notwendig, nicht nachvollziehbar ist. Die Post hatte argumentiert, dass eine zeitliche Begrenzung der Codes notwendig sei, weil es nur eine begrenzte Verfügbarkeit der achtstelligen Codes gäbe. Das ist Quatsch. Denn selbst wenn der Code nur aus einer Zahlenkombination bestehe, stünden 100.000.000 Möglichkeiten zur Verfügung. Pro Jahr werden aber nur etwa zwölf Millionen mobiler Briefmarken verkauft. Die Anzahl der Codes würde also für einen Zeitraum von acht Jahren und vier Monaten ausreichen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, sodass für die Verbraucher:innen zunächst alles beim Alten bleibt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Sache weiterentwickelt.


Entscheidung: LG Köln, Urt. v. 20.10.2022, Az. 33 O 258/21

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Florentine Scheffel
Florentine Scheffel
Rechtsreferendarin in Thüringen.

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