Die Universität Trier führt zum Wintersemester 2023/24 einen integrierten Bachelor ein. Jurastudierende mit dem Abschlussziel Staatsexamen können so nach sechs Semestern bereits einen Bachelor of Law in den Händen halten. Das bietet Sicherheit und nimmt dem Jurastudium den Druck. Denn bisher standen Studierende, wenn sie nach zehn Semestern das Erste Staatsexamen nicht bestanden haben, komplett ohne Abschluss da. Dieses Schreckensszenario gehört in Trier nun der Vergangenheit an.
Wir haben mit Prof. Dr. Benjamin Raue ein Interview geführt, der den Bachelor mit seinen Kolleginnen und Kollegen auf den Weg gebracht hat.
Wer hat die Einführung des integrierten Bachelors vorgeschlagen/initiiert
Die Idee kursierte schon länger im Kollegenkreis. Am Anfang gab es noch grundsätzlichere Bedenken, die aber über die Zeit immer weniger geworden sind. Irgendwann waren wir uns einig: Die Vorteile überwiegen klar die Nachteile. Nach einem Grundsatzbeschluss haben wir uns auf den doch etwas beschwerlichen Weg gemacht.
Gab es Bedenken und Widerstand gegen die Einführung?
Das klassische Jurastudium und die beiden Staatsexamina haben eine lange Tradition und sind bekannt und bewährt. Außerdem sind Studienreformen generell sehr mühsam. Hier mussten zwei ganz unterschiedliche Studiensysteme aufeinander abgestimmt werden. Wir konnten es uns als kleinere Jurafakultät nicht leisten, parallele Prüfungssysteme zu etablieren. Das wäre auch nicht im Interesse der Studierenden gewesen. Wir wollen ihnen in erster Linie dadurch die Angst vor dem Staatsexamen nehmen, indem wir ihre Studienleistung auf dem Weg dorthin anerkennen und mit einem Studienabschluss belohnen. Es war aber nicht unsere Absicht, den ohnehin schon hohen Arbeitsaufwand zu erhöhen. In Trier ist uns die Reform gelungen, weil alle – Kollegium, Dekanat, Hochschulleitung und Studierendenschaft – engagiert mitgewirkt haben. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken.
Ab wann wird der integrierte Bachelor an der Uni Trier angeboten?
Wir führen den integrierten Bachelor zum Wintersemester 2023/24 ein. Allerdings können sich Studierende, die jetzt im Sommersemester anfangen, im Wintersemester in den Studiengang einschreiben und die bisherigen Studienleistungen anerkennen lassen.
Welche formalen Voraussetzungen müssen die Studierenden mitbringen, um den Bachelor zu erwerben?
Grundsätzlich reicht jede Studienberechtigung dafür aus. Inwiefern „Altfälle“, also Studierende, die vor Einführung des Studiengangs endgültig durch das Staatsexamen gefallen sind, den Bachelor erwerben können, prüfen wir gerade noch.
Geht damit eine „Entwertung” der ersten juristischen Staatsprüfung einher?
Ach, ich glaube, dort wird versucht, Dinge gegeneinander auszuspielen, die sich ergänzen und nicht widersprechen. Die beiden juristischen Staatsprüfungen sind weiter Zugangsvoraussetzungen zu den klassischen juristischen Berufen. Wer Richterin oder Richter werden möchte, Staatsanwältin oder Anwalt, kommt an den Staatsexamina nicht vorbei. Die strengen Staatsexamina haben einen oft verkannten Vorteil: Die strenge Notenskala gewährleistet, dass schon befriedigende Noten eine sichere Eintrittskarte zu diesen immer noch und zurecht sehr begehrten Berufen sind. Es hängt also nicht davon ab, auf welche Universität man gegangen ist, ob man Praktika bei bestimmten Unternehmen ergattern konnte oder ansonsten auf ein (familiäres) Netzwerk zurückgreifen kann. Allein die Studienabschlussleistung zählt! Das ist aus meiner Sicht sehr demokratisch. Jedenfalls, wenn man mit ausreichenden Bafög-Leistungen sicherstellt, dass ein Studium nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt – und über den integrierten Bachelor den Angst- bzw. Stresspegel absenkt, weil alle, die sich den Stress des Staatsexamens nicht antun können oder wollen, trotzdem juristische Berufe ergreifen können.
Welche Vorteile bietet der integrierte Bachelor?
Der Bachelorabschluss bietet drei Vorteile:
Erstens fallen unsere Studierenden nicht mehr auf Abitur und Führerschein zurück, wenn sie das erste Staatsexamen endgültig nicht bestanden haben.
Zweitens entlastet ein solcher Bachelor-Abschluss alle Studierenden, die mit einem solchen Abschluss in die Staatsexamen-Prüfungen gehen. Mit dem Wissen, dass sie bereits einen berufsqualifizierenden Abschluss in der Tasche haben, sinkt die Angst vor den Prüfungen. Das hat aus meiner Sicht auch eine soziale Dimension: Die Sorge, ohne Abschluss dazustehen, hat möglicherweise Schülerinnen und Schüler vom Jura-Studium abgehalten, die nicht aus einem Akademiker-Haushalt kommen. In den nächsten Jahren gehen viele Juristinnen und Juristen in den Ruhestand. Wenn wir Zugangsbarrieren abbauen, ermöglicht das die diverse Richter- und Anwaltschaft, die wichtig für eine repräsentative Justiz ist.
Drittens werden damit die Studienleistung anerkannt, die Jurastudierende auf dem Weg zum Staatsexamen erbringen. Mir hat es nie eingeleuchtet, warum diese nicht mit den Studienleistungen in anderen Fächern vergleichbar sein sollen, die mit einem Bachelor-Abschluss belohnt werden.
Erwarten Sie, dass das Jurastudium an der Universität Trier durch die Einführung des integrierten Bachelors attraktiver wird?
Ja. Wer in der Region lebt, sollte sich die Chance auf einen Doppelabschluss nicht entgehen lassen. Vielleicht überzeugen wir mit dem Angebot aber auch Studierende, die etwas weiter entfernt wohnen, die aber mit dem Sicherheitsnetz des Bachelors ins Staatsexamen gehen wollen.
Welche Berufschancen eröffnet der integrierte Bachelor?
Es gibt einen großen Bedarf an Absolventen mit juristischer Expertise, auch wenn sie kein Staatsexamen haben, etwa in Unternehmen, Anwaltskanzleien, Versicherungen oder Behörden. Außerdem öffnet der Jura-Bachelor die Türen zum internationalen Arbeitsmarkt: Unsere Studierenden sind zum Beispiel im benachbarten Luxemburg sehr gefragt. Ihre Attraktivität im Ausland können sie steigern, wenn sie bei uns fachspezifische Rechts- und Fremdsprachenkenntnisse erlangen. Das bieten wir jetzt schon als Zertifikatskurse an. Wir wollen zukünftig den Jura-Bachelor noch durch die Option eines Internationalen Bachelor ergänzen, der ausländisches Recht beinhaltet. Daran arbeiten wir gerade noch.
Was tut die Universität außerdem, um den “Druck” aus dem Jurastudium zu nehmen?
Wir geben unseren Studierenden durch die Zwischenprüfung frühzeitig Feedback, ob das Studium etwas für sie ist. Die wichtigsten Vorlesungen werden mit Klausuren abgeschlossen, die dreimal wiederholt werden können. Neben der frühen Rückmeldung stellen wir ein kontinuierliches Lernen sicher, das für das Staatsexamen von enormer Bedeutung ist. Und in der Phase vor dem Examen haben wir das universitäre Vorbereitungsprogramm stark ausgebaut: Neben dem klassischen universitären Repetitorium und wöchentlichen Examensübungsklausuren bietet das neugegründete Zentrum für die juristische Examensvorbereitung (ZfjE) individuelle Examensberatungen, eine Klausurenklinik und eine Lerngruppenbörse an, es gibt zweimal im Jahr ein Probeexamen, mündliche Prüfungssimulationen, und wir haben neue Formate wie Tandemklausuren eingeführt. Außerdem experimentieren wir mit Videokorrekturen. Es muss niemand mehr kommerzielle Repetitoren besuchen.
Sind weitere Reformen des Jurastudiums an der Universität Trier geplant?
Wir wollen noch einen neuen internationalen Bachelor „International Legal Studies“ einführen. Außerdem prüfen wir mit der Universitätsleitung, inwiefern wir bald alle studienbegleitenden Klausuren digital durchführen können. Denn Schwerpunkt- und Staatsexamensklausuren können unsere Studierenden von nun an am Computer schreiben.
Prof. Dr. Benjamin Raue ist Inhaber der Professur für Zivilrecht, Recht der Informationsgesellschaft und des Geistigen Eigentums an der Universität Trier.