“Eine eindeutige Lösung sehe ich nicht” – Kommentar zur Reform der Juristenausbildung

Zur Ausgangssituation: Ich bin ein Student im 7. Semester und gerade in der Examensvorbereitung ohne kommerzielles Repetitorium.

Der größte Kritikpunkt ist das System des letzten Jahrhunderts mit einem sehr viel umfangreicheren Stoff. Anstatt den Studierenden mehr Möglichkeiten zu geben, sich „rechtswissenschaftlich“ auszuleben, wird auf Auswendiglernen gesetzt.

Stoff, den oberste Richter und Richterinnen, Literatur und sonstige Praktiker und Praktikerinnen über Monate und sogar Jahre erarbeitet haben, soll in fünf oder drei Stunden möglichst im Wortlaut des Schöpfers wiedergegeben werden. Selbstständige Beteiligung und Ausdiskutieren von Ideen wird leider nur in Arbeitsgemeinschaften oder dem Examenskurs vollzogen. Und Meinungen, die seit Jahrzehnten nicht mehr vertreten werden (Stichwort Dreistufentheorie Art. 12 I GG), sind als Zombies in den Köpfen der Prüfer verankert.

Bachelor of Law und Abschichten als Idee

Ebenso existiert die praktische Komponente des Studiums nicht, es sei denn, man arbeitet nebenbei. Ich unterstelle einmal, dass dies eher aus finanziellen Motiven erfolgt als durch wirkliche Motivation.

Die Idee des zwingenden Bachlor of Law sehe ich indes zwiegespalten. Einerseits kann es nicht sein, dass beispielsweise ein Studierender nach Bestehen der Großen Übungen nicht in einem Verband im Sinne der „Law Clinics“ tätig werden könnte (Gesellschaft für Rechtsberatung). So bestehe auch die Möglichkeit, dem überlastenden Rechtssystem eine Verschnaufpause zu gönnen. Andererseits ist das Niveau zwischen Großen Übungen und einem Examen Welten entfernt. Meiner Ansicht kann das Bologna System keinen Ersatz für das Staatsexamen-System bilden.

Unberührt dessen steht die Frage, warum das Staatsexamen nicht abschichtbar sein könne. Eine Professorin meiner Universität erlangte so ihr ersteres Staatsexamen. Warum sollte den heutigen Studierenden dies verwehrt sein? Welche Argumente sprächen denn dagegen? Mir fallen keine ein.

Folgerichtig muss auch das Notensystem seine wohlverdiente Kritik erfahren. Zum Teil unerreichbare Standards, zum anderen Teil die „vier gewinnt“. Hier gebe ich Kritiker:innen der Reform recht, das Bestehen ist mit Vorbereitung doch sehr machbar. Die Kritiker verkennen aber, dass die Schwelle des Bestehens gerade aus der Lernmethode „Auswendiglernen“ überschritten wird.

Für höhere Noten wird Auslegung im Sinne von Savigny und am besten systematische Kenntnisse von zum Teil unbekannten Rechtsnormen erwartet. Nun stehen wir wieder vor dem Zeitproblem, das oben erörtert wurde.

Auch die extreme Abweichung von subjektiven Bewertungsmethoden spielt eine Rolle. Selber Aufbau, selbe Argumente, anderer Prüferinnen und Prüfer. Das ergibt einen Notenunterschied von vier Punkten. Eine eindeutige Lösung für dieses Problem sehe ich nicht.

Legal Tech als Lösung?

So könne Legal Tech, insbesondere KI, möglicherweise ein gerechteres Ergebnis erstellen. Mangels Statistik in diesem Bereich ist es aber nur Spekulation. Möglich wäre zudem eine Datenbank mit Musterlösungen, um den Erstellern einen einheitlichen Anknüpfungspunkt zu ermöglichen. Wiederum könnte das Notensystem auch ganz abgeschafft werden. Maßgeblich wäre nur noch, ob ein Prüfling bestanden / nicht bestanden / gut bestanden hat.

Zuletzt möchte ich noch die Attraktivität des Studiums selbst ansprechen. Der Staat müsste sich fürchten, wenn die „Boomer“ die Justiz verlassen. Der sächsische Richterverband warnt schon vor dem „erheblichen Personalmangel“ bis 2030. Durch Peitsche wird sich die heutige Generation nicht locken lassen. Im Sinne der gesamten Gesellschaft und der Aufrechterhaltung grundlegender Dienste für die kommenden Jahrzehnte sollte noch in diesem Jahrzehnt eine Reform durchgeführt werden. Sodass die Peitsche auch den Pol des Zuckerbrotes hat.


Weiterlesen: Interview: Die Initiative „iur.reform“ setzt sich für eine Reform des Jurastudiums ein

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