Spätzle, Maultaschen und andere schwäbische Spezialitäten im Blickpunkt der Rechtsprechung

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Linsen mit Spätzle, Maultaschen und Kartoffelsalat, Butterbrezeln, Flädlessuppe, Zwiebelkuchen und Co. Die schwäbische Küche hat viele Leckereien zu bieten. Genauso vielseitig wie die kulinarischen Spezialitäten aus dem „Ländle“ sind deswegen auch die Gerichtsentscheidungen, die sich mit eben jenen Köstlichkeiten befassen. Wir haben uns umgesehen und beleuchten die essenstechnischen Highlights vor Gericht.

Kündigung wegen Maultaschendiebstahls

Wenn Jurist:innen an Maultaschen denken, denken sie nicht an den nächsten Kantinenbesuch, sondern an eine arbeitsrechtliche Kündigung. Der Fall einer Altenpflegerin aus Konstanz, die sechs übriggebliebene Maultaschen aus der Bewohnerverpflegung zum Eigenverzehr mit nach Hause nahm, schrieb 2009 Rechtsgeschichte.

Das Arbeitsgericht Lörrach urteilte damals, dass die Mitnahme der Maultaschen eine außerordentliche Kündigung der seit 17 Jahren angestellten Altenpflegerin rechtfertige. Denn der Arbeitgeber habe hinsichtlich der Verwertung von Resten durch das Personal ein ausdrückliches Verbot ausgesprochen, das der Altenpflegerin auch bekannt sei (ArbG Lörrach, Urt. v. 16.10.2009, Az. 4 Ca 248/09).

Zur Darreichung der Maultaschen im Seniorenheim stellte das Gericht damals übrigens fest: „Es herrscht das sogenannte Schöpf-Prinzip, das heißt, das Essen kommt in Warmhaltebehältern in die Stationsküchen und wird für die Bewohner auf Teller geschöpft und angerichtet. An diesem Tag gab es unter anderem Maultaschen, die in der Brühe schwimmend in einem Behälter warm gehalten wurden.“

Die 58-jährige Altenpflegerin machte geltend, das Personal sei mehrmals vom Koch aufgefordert worden, Reste des Bewohneressens doch bitte zu verzehren. Dieses lande sonst im Müll. Auf Grund einer Fortbildung sei sie jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht dazu gekommen, die Maultaschen vor Ort zu essen. Das Essen hätte maximal einen Materialwert von 1,20 Euro gehabt. Da die Maultaschen ansonsten weggeworfen worden wären, hätten diese für den Arbeitgeber sogar überhaupt keinen wirtschaftlichen Wert. Aus schwäbischer Sparsamkeit heraus eine gut nachvollziehbare Argumentation.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg schloss sich dem an. Der fristlose Rauswurf der Altenpflegerin sei rechtswidrig. Eine Abmahnung hätte im Fall eines derartigen „Bagatelldiebstahls“ gereicht, so die Richter:innen. Damit hat der berühmteste Maultaschen-Fall der Rechtsgeschichte für die Altenpflegerin doch noch ein happy end gefunden. Sie bekam im Rahmen eines Vergleichs eine Abfindung und Gehaltsnachzahlungen von insgesamt 42.500 Euro.

Die arbeitsrechtliche Entscheidung hat letztendlich sogar dazu geführt, dass Dr. Alexander Schall in der NJW einen Aufsatz mit dem Titel „Maultaschen im Sachenrecht“ veröffentlicht hat. Darin untersucht er die „rechtliche Einstufung von Essensresten als derelinquiertes Eigentum der Verköstigten“. In seinem Aufsatz argumentiert er, dass das Eigentum nicht zu vorschnell beim Heimbetreiber zu verorten sei. Das arbeitsrechtliche Urteil hätte in sachenrechtlicher Hinsicht vielmehr die Umstände der Essenausgabe mit in seine Argumentation einbeziehen müssen (Schall, in: NJW 2010, 1248).

Der „Spätzle-Shaker“

Wie bitte? Ein „Spätzle-Shaker“? Was soll das denn bitte sein? Spätzle werden geschabt oder mit einer Spätzlepresse hergestellt. Wozu also einen „Spätzle-Shaker“? Laut Google handelt es sich beim „Spätzle-Shaker“ um ein Haushaltsgerät, das nach dreijähriger intensiver Entwicklung 2010 von einer berufstätigen Mutter aus Tübingen herausgebracht wurde. Mit dem „Spätzle-Shaker“, einer Art Mixbecher für Spätzleteig, lassen sich angeblich innerhalb von drei Minuten selbstgemachte Spätzle zubereiten. Der Spätzleteig wird im Becher mit Mixkugeln geschlagen und durch den aufgeschraubten Lochaufsatz in einen Topf mit kochendem Wasser gedrückt.

Was hat das Ganze jetzt aber mit Jura zu tun? Die Erfinderin hatte versucht, ihren „Spätzle-Shaker“ als Marke eintragen zu lassen. Das Bundespatentgericht hatte die Anmeldung jedoch 2012 teilweise zurückgewiesen, soweit die Marke für die Waren der Klasse 21 „Geräte und Behälter für Haushalt und Küche, insbesondere zur Herstellung von Teigwaren“ angemeldet worden ist. Dem „Spätzle-Shaker“ fehle die notwendige Unterscheidungskraft (§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Einer Marke fehlt die Eignung zur Identifizierung der Herkunft einer Ware oder Dienstleistung, wenn sie sich ausschließlich in der Beschreibung der Ware oder Dienstleistung erschöpft. Das sei hier der Fall. „[Der] „Spätzle-Shaker“ bezeichnet einen Shaker, also einen Mixbecher […] mit dessen Hilfe letztendlich die Teigware „Spätzle“ hergestellt werden kann. Dass es hierzu als erstem Schritt der Zubereitung eines Spätzleteigs bedarf und dass hierzu der „Spätzle-Shaker“ an Stelle einer Schüssel und eines Handrührgeräts oder einer Küchenmaschine dienen kann und soll, liegt für den Verkehr auf der Hand. Dass mit Hilfe des „Spätzle-Shaker“ möglicherweise nicht das Endprodukt „Spätzle“ hergestellt wird, weil es hierfür noch eines Kochvorgangs bedarf […] macht die angemeldete Marke entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht phantasievoll und verleiht ihr nicht die Unterscheidungskraft […], weil bei der angemeldeten Marke die beschreibende Sachaussage […] deutlich im Vordergrund steht.“ (BPatG, Beschl. v. 19.03.2014, Az. 26 W (pat) 543/12).

Man kann den Schwaben, die ihre Start-Up-Szene gerne als „Spätzle Valley“ bezeichnen, trotzdem keinen fehlenden Erfindergeist vorwerfen.

Die Maultasche als Beweis im Strafprozess

Man glaubt es kaum, aber manchmal sind „Maultäschle“ sogar ein Beweisstück im Rahmen eines Strafverfahrens. Und das nicht nur im „Tatort“, wenn mal wieder Lannert und Bootz in Stuttgart ermitteln.

Einem Schwaben wurde vorgeworfen, im April 2004 seine ehemalige Lebensgefährtin und den gemeinsamen zweijährigen Sohn in deren Wohnung erstickt zu haben. Die Leichen soll der Mann im Neckar versenkt haben. Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren.

Da der Angeklagte die Wohnung aufgeräumt hatte, wurden die Frau und ihr Sohn zwar von Freund:innen und Familie vermisst, man ging zunächst aber nicht von einem Tötungsdelikt aus. Um den Tattag feststellen zu können, wurde von der Polizei später die Wohnung der Getöteten genau untersucht. Dabei wurden insbesondere auch Essensreste inspiziert bzw. von Zeug:innen beschrieben.

Eine entscheidende Rolle spielte auch ein Topf mit Maultaschen. Dazu führt das Gericht aus: „Der Zeuge […] bekundete, in dem Topf, den er bei einem seiner ersten Aufenthalte in der Wohnung gespült habe, hätten sich angekrustete Reste von Hackfleisch befunden. [Die Getötete soll] Maultaschen mit einer Hackfleischfüllung („Maultaschen russischer Art“) zubereitet haben. Das Hackfleisch habe [sie] am Abend des Mittwoch oder Donnerstag [eingekauft]. Daraus könnte man folgern – da der Topf ungespült blieb -, dass [das Opfer] am Samstag, 10. April 2004, bereits nicht mehr am Leben war, [da] sie eine ordentliche Hausfrau gewesen sei und schmutziges Geschirr – wenn nicht sogleich – spätestens am folgenden Tag abgespült habe.“

Das Gericht stellt hier also nicht nur ganz entscheidend auf die Gepflogenheiten bei der Zubereitung von Maultaschen ab, sondern zieht auch die Eigenheiten einer schwäbischen Hausfrau mit in die Beweiswürdigung ein (LG Stuttgart, Urt. v. 12.01.2005, Az. 9 Ks 111 Js 37621/04).

Auch in einer Entscheidung des Landgerichts Oldenburg spielten Maultaschen bei der Beweiswürdigung eine Rolle. Der Angeklagte wurde wegen Mordes an einer reichen, alleinstehenden Bekannten und wegen Computerbetruges in sechs Fällen zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Auch in diesem Fall war der Familie des Opfers nach dessen Verschwinden der ungewöhnlich unordentliche Zustand der Wohnung aufgefallen. Dazu gehörte: „In der Küche habe eine Bratpfanne mit Palmfett auf dem Herd gestanden sowie ein mit Wasser gefüllter Topf. Neben dem Herd lag eine geöffnete, aber noch gefüllte Packung mit Maultaschen.“

Obwohl keine Leiche gefunden werden konnte, ist das Landgericht deswegen „zu der Überzeugung gekommen, dass [das Opfer] nicht nur verschwunden, sondern tot ist.“ (LG Oldenburg, Urt. v. 19.03.2019, Az. 1204 Js 47132/17 5 Ks 21/18).

200g Eierspätzle auf einmal im Auto verzehrt?

Dass es schwer ist, sich bei schwäbischen Köstlichkeiten zurückzuhalten, sollte jedem klar sein. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass 200g Eierspätzle von einer Person als Reiseverpflegung im Auto vernascht werden? Damit musste sich das Landesarbeitsgericht München 2019 befassen.

Dabei ging es um die Kündigung eine Arbeitnehmerin, die ihrem Arbeitgeber eine überhöhte „Spesenabrechnung“ vorgelegt haben soll. Neben Meerrettich, Räucherlachs, 490g Erdbeeren, Trauben, 700g Lamm, Tomaten, Pesto und 200g Orangenmarmelade erstand die Frau auch 200g Eierspätzle. Diese „Ungereimtheiten“ erweckten beim Arbeitgeber den Verdacht, dass die Frau mehrfach privat veranlassten Aufwand abgerechnet habe, weswegen ihr gekündigt wurde. Die Kündigungsschutzklage der Frau hatte vor Gericht keinen Erfolg.

Denn die Arbeitnehmerin konnte vor Gericht nicht überzeugend darlegen, dass sie die gekauften Speisen tatsächlich innerhalb eines Tages und auf der Heimreise verzehrt habe. Dazu führte das Gericht aus: „[Selbst der behauptete Verzehr auf der Heimfahrt] vermag nicht zu erklären, wie sie als einzelne Person diese Menge von Lebensmitteln an einem Tag hätte verzehren können. Im Übrigen spricht auch die Art der Lebensmittel gegen die Annahme, es handle sich um Reiseproviant. Vor allem Fleisch und Spätzle sind wenig dafür geeignet, im Auto verzehrt zu werden; schon gar nicht ist es vorstellbar, dass sie während der Fahrt in einem selbst gesteuerten Pkw gegessen werden.“

Wer Spesenbetrug zu Lasten des Arbeitgebers begehen will, sollte also zumindest tunlichst vermeiden, schwäbische Leckereien zu kaufen, die vorher warm zubereitete werden müssen.

Die Brezel vor Gericht

Schließe jetzt die Augen, stelle dir eine lange, dünne Teigrolle vor und verschlinge diese vor deinem inneren Auge zu einer formschönen Brezel. Gar nicht so einfach, oder? Gut, dass es Brezelbackmaschinen gibt. Was diese tut, beschrieb das Europäische Patentamt sehr schön in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008:

„Die Erfindung betrifft die Herstellung von Brezeln, wobei ein Teigstrang in U-Form gebogen, einer Formeinheit zugeführt, und dort auf einen Haltesattel abgelegt wird. Die beiden Strangenden werden dann von Greifermitteln erfasst, abgehoben und gedreht, sodass der Teigstrang zu einem Knoten geschlungen wird, wonach die beiden Enden auf die Schenkel abgelegt werden.“

Als „Brezel-Urteil“ wurde außerdem ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2019 bekannt (BGH, Urt. v. 17. Oktober 2019, Az. I ZR 44/19). Darin hat der BGH entschieden, dass der Verkauf von Backwaren in Bäckereifilialen mit Cafébetrieb an Sonntagen auch außerhalb der Ladenschlusszeiten zulässig ist. Auslöser des Streits: In einer Bäckerei-Verkaufsstelle in München wurden an einem Pfingstmontag eine Brezel (lecker, lecker!), unbelegte Brötchen sowie ein Laib Brot verkauft. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sah darin einen Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz. Dem widersprach der BGH, denn in Bäckereifilialen mit Cafébetrieb gelte § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gaststättengesetzes, der die normalen Ladenschlussvorschriften überschreibt.

Zubereitete Speisen im Sinne dieser Vorschriften sind alle essfertig gemachten Lebensmittel, ohne dass es auf den bei der Zubereitung getriebenen Aufwand ankommt. Also sogar unbelegte Brezeln, Brötchen und Brote, da diese durch den Backvorgang essfertig gemacht werden.

“Spätzle mit Soß” kochen will gelernt sein

Die Zubereitung schwäbischer Leckereien sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Vor allem, wenn man Koch werden will. Das merkte auch ein Mann, der dreimal durch seine praktische Prüfung als Koch gerasselt war. Der Mann hatte innerhalb von zwei Stunden ein Drei-Gänge-Menü für sechs Personen zubereiten sollen. Dies gelang ihm jedoch nur mangelhaft.

Was dem angehenden Koch zum Verhängnis wurde? Unter anderem die Zubereitung der richtigen Menge an Spätzle mit Soß: „Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt in Bezug auf die Menge der Spätzle keine widersprüchliche Einschätzung der Prüfer vor. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich die Angabe „zu wenig“ auf Bl. 14 des Verwaltungsvorgangs nicht auf die Menge der Spätzle, sondern auf die Sauce. Dies folgt daraus, dass diese Mengenangabe in der gleichen Zeile wie die Sauce steht und lediglich durch ein Komma von den anderen, die Sauce beschreibenden Begriffen „viel zu fettig“ sowie „tomatenlastig“ getrennt ist.“ (VG Köln, Beschl. v. 24.02.2021, Az. 10 L 2308/20).

Für alle, die wir bisher noch nicht überzeugen konnten, wie wichtig schwäbische Spezialitäten für die Rechtsprechung sind, hier das letzte Argument: Geschützte geografische Angaben bei Teigwaren sind „Schwäbische Spätzle“/„Schwäbische Knöpfle“ (s. VO (EU) 186/2012) und „Schwäbische Maultauschen“/„Schwäbische Suppenmaultaschen“ (s. VO (EG) 991/2009). Guten Appetit!


Amerkung: Dieser Artikel erschien in Kooperation mit dem DeGryuter Verlag auch in der Juni-Ausgabe der JURA – Juristische Ausbildung (Klick).

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