How to Anklageschrift: Eine Anleitung für die Strafstation im Referendariat

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Alle Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare sehen sich in ihrer Strafstation neuen Aufgaben gegenüber. So darf man für die Staatsanwaltschaft Einstellungs- bzw. Begleitverfügungen zur Anklageschrift, Haftbefehle, Durchsuchungsbeschlüsse und Strafbefehle erstellen. Beginnt man seine Strafstation bei einem Strafgericht so beschäftigt man sich überwiegend mit Strafurteilen.

Hier soll ein näherer Einblick in die Anklageschrift gewährt werden.

Referendariat

Umgrenzungs- und Informationsfunktion

Die Anklageschrift hat sowohl eine Umgrenzungs- als auch eine Informationsfunktion. Die Anklageschrift bezeichnet den Prozessgegenstand. Dieser wird durch die prozessuale Tat bestimmt, also durch die Benennung des oder der Angeschuldigten und der Tat als historischer Lebensvorgang. Es muss genau bestimmbar sein, welche Tat dem oder der Täter:in zur Last gelegt wird.

Die Informationsfunktion erschließt sich aus § 200 StPO. Der Inhalt der Anklageschrift soll die Angeschludigten in die Lage versetzen sich sachgerecht zu verteidigen.

Nur mit einer wirksamen Anklageerhebung kann der Prozess beginnen, ansonsten besteht ein Verfahrenshindernis. Dieses Verfahrenshindernis besteht auch noch bei einem nachträglichen Eröffnungsbeschluss weiter und würde diesen ebenfalls unwirksam machen. Eine Heilung kommt so nachträglich nicht in Betracht. Beachtlich ist hierbei, dass sich diese Mängel der Anklageschrift nur auf die Umgrenzungsfunktion beziehen. Eine Einführung von Einzelheiten der Tat gem. § 286 StPO durch richterlichen Hinweis kann nicht mehr in der Hauptverhandlung geschehen.

Gliederung einer Anklageschrift

1. Der Anklagesatz

Als Kernstück der Anklageschrift hält der Anklagesatz jeweils die Umgrenzungsfunktion und die Informationsfunktion ein. Nur dieser wird in der Sitzung von der Staatsanwaltschaft gem. § 243 Abs. 3 S.1 StPO verlesen.

a.) Kopf der Anklageschrift

Dieser enthält die sachbearbeitende Staatsanwaltschaft, sowie das Aktenzeichen. Außerdem werden Kurzhinweise vermerkt wie: „Haft in anderer Sache“ etc.

b.) Adressat:in der Anklage

Nach dem die Anklageschrift an das zuständige Gericht gem. § 199 StPO übersendet wurde, entscheidet das Gericht, ob es die Anklageschrift zur Eröffnung einer Hauptverhandlung zulässt oder das Verfahren vorläufig einstellt. Eigentlich könnte sich die Adressierung so nur an das Gericht beschränken. Davon wird jedoch in der Praxis überwiegend abgewichen und es wird auch noch der Spruchkörper bezeichnet.

An das Amtsgericht Tübingen
– Strafrichter –
– Jugendstrafrichter –
– (Jugend-) Schöffengericht
– Wirtschaftsstrafkammer –

An das Landgericht Tübingen
– Große Strafkammer –
– Große Jugendkammer –
– Schwurgericht –

c.) Überschrift mit der Bezeichnung „Anklageschrift“

Es folgt die mittige Überschrift „Anklageschrift“.

d.) Rubrum

Angaben zur Person und Angaben zur Haft oder Unterbringung, auch bei § 81 StPO sowie § 126 a StPO. (Wichtig für die spätere Strafbemessung gem. § 51 StGB in selber Sache), Benennung des Verteidigers ( mit Vollmacht oder Beiordnung)

In der Anklageschrift muss der Angeschuldigte nach Nr. 110 Abs. 2 lit. a RiStBV so genau wie möglich bezeichnet werden.

  • Beruf sowie Vor- und Familienname, ggf. Geburtsname,
  • Geburtstag und Geburtsort
  • Anschrift
  • Familienstand
  • Staatsangehörigkeit

Bei Minderjährigen Namen und Anschriften der gesetzlichen Vertreter, soweit der Angeschuldigte zum Zeitpunkt der Anklageerhebung noch nicht volljährig ist.

Sitz der Angeschuldigte bereits in U-Haft oder Strafhaft so hat man „zuletzt wohnhaft gewesen“ oder „zurzeit ohne festen Wohnsitz“ zu schreiben.

e.) Eingangsformel

„wird oder werden angeklagt“.

Es ist zu vermerken, wenn einzelne abtrennbare Tatteile oder einzelne Gesetzesverletzungen von der Strafverfolgung gem. § 154 a StPO ausgenommen wurden (Nr. 101 a Abs. 3, 110 Abs. 2 lit. e RiStBV).

f.) Bezeichnung der Tat

  • Tatzeit und Tatort:
    Wichtig wegen der Verfolgungsverjährung und der örtlichen Zuständigkeit so bestimmt wie möglich anzugeben.
  • Deliktsübergreifende Angaben:
    – Bei Jugendlichen ist gem. § 3 JGG darauf hinzuweisen, dass Sie mit Verantwortungsreife gehandelt haben, oder als Heranwachsender.
    – Die mittelbare Täterschaft wird gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB nicht ausdrücklich erwähnt. – Mittäterschaft wird gem. § 25 Abs. 2 StGB als „gemeinschaftlich“ gekennzeichnet mit genauer Bezeichnung des Mittäters.
    – Bei wechselnder Tatbegehung wird mit römischer Gliederung getrennt.
    – Zu beachten sind Sonderkonstellationen wie: Tatsachenalternativen, Postpendenz und Wahlfeststellung. Es sollte auch erwähnt werden, ob die Taten in Tateinheit gem. § 52 StGB (durch die selbe Handlung) oder in Tatmehrheit gem. § 53 StGB (z.B. in 3 Fällen) oder (durch drei selbstständige Handlungen) zu einander stehen, so kann mitgeteilt werden, ob eine Einzel oder Gesamtstrafe zu erwarten ist.
  • Konkretisierung (sog. „Konkretum“):
    Das Tatgeschehen muss so genau bezeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, was dem Angeschuldigten zur Last gelegt wird. (Hier werden besonders oft Fehler gemacht, aufpassen!).
    Achtung: Die Bundesländer haben hier teilweise einen anderen Aufbau. Manche stellen das Konkretum voran (Baden-Württemberg) und manche stellen das Abstraktum voran.
    „Dem Angeklagten wird folgendes zur Last gelegt:“ (nun im Imperfekt weiter). Es müssen alle Tatsachen enthalten sein, welche der gesetzliche Rahmen vorschreibt, jedoch darf der Gesetzeswortlaut nicht verwendet werden.
  • Gesetzliche Merkmale der Tat (sog. Abstraktum)
    Es müssen die in Betracht kommenden gesetzlichen Merkmale genau nach dem gesetzlichen Wortlaut wiedergegeben werden. ( § 200 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. Nr. 110 Abs. 2 lit. c RiStBV.
    – Ungeschriebene Tatbestandsmerkmale und allgemeine Deliktsmerkmale sind jedoch wegzulassen. (z.B. Vermögensverfügung bei § 263 StGB und Floskeln wie „ohne Mörder zu sein“ bei § 212 StGB)
    – Auch Rechtswidrigkeit und Schuld werden hier nicht angesprochen.
    – Wenn im Tatbestand ein Merkmal wie „rechtswidrig“ oder „widerrechtlich“ vorkommt, kommt es auf die Bedeutung an, ob es in der Anklageschrift benannt wird oder nicht. Konstitutive, also tatbestandsbegrenzende wie bei § 246 StGB „rechtswidrig“ müssen angesprochen werden. Dagegen bei § 253 Abs. 2 StGB nicht. Angaben zur Verwerflichkeit erfolgen im Rahmen der Konkretisierung.
    – Es wird auch auf minder schwere Fälle, besonders schwere Fälle sowie auf verminderte Schuldunfähigkeit nach § 21 StGB ausdrücklich hingewiesen. (Nicht dagegen aber Fälle die auch außerhalb eines Regelkatalogs möglich sind, § 243 Abs. 1 S. 1 StGB, § 250 Abs. 3 StGB, § 212 Abs. 2 StGB.).
    – Auch Hinweise der Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 ff. StGB sowie Nebenstrafen wie § 44 StGB müssen in dem Anklagesatz enthalten sein. Sonstige Nebenfolgen der §§ 73 ff. StGB bedürfen keines besonderen Hinweises, da deren Voraussetzungen in den gesetzlichen Merkmalen der Straftat bereits enthalten sind.
  • Angaben der verletzten Strafgesetze:
    Die Bezeichnung wird eingeführt, mit der Angabe, ob es sich um ein Vergehen oder um ein Verbrechen handelt. Auch Ordnungswidrigkeiten werden benannt, falls eine prozessuale Tat nur solche umfasst.
    – Es sind die besonderen Vorschriften vor den Allgemeinen zu nennen und die Nebenstrafgesetze werden nach denen des StGB zitiert.
    – Täterschaft gem. § 25 Abs. 1 S. 1 StGB wird nicht mit zitiert, da Regelfall.
    – Nebenstrafen und Folgen, sowie Maßregeln sind zu zitieren.
    – Sollte ein Strafantrag erforderlich sein bzw. dieser durch besonderes öffentliches Verfolgungsinteresse entbehrlich sein ist dies zu zitieren. (§§ 194, 230, 248 a StGB)
  • Strafantrag/ besonderes öffentliches Verfolgungsinteresse.
    – Die Voraussetzungen sind gem. § 77 ff. StGB darzustellen.
    – Wenn innerhalb der Antragsfrist – rechtzeitig – gestellter Antrag.

2. Beweismittel

Gem. Nr. 110 Abs. 2 lit. F RiStBV sind nach der Anklageschrift die Zeugen und andere Beweismittel zu nennen. Also: Angaben des Angeschuldigten/von Mitbeschuldigten, Zeugen, Sachverständige, Urkunden, Gegenstände des richterlichen Augenscheins, Beiakten

a.) Angaben des Angeschuldigten, ggf. auch von Mitangeschuldigten

GeständnisGeständigen EinlassungEinlassung
Vor einem Richter gem. § 254 StPOAngeschuldigter hat die Tat bei der verantwortlichen Vernehmung vor der Polizei oder der Staatsanwaltschaft eingestanden.Angeschuldigte hat zwar Angaben zur Sache gemacht aber die Tat bestritten bzw. unwahre Angaben gemacht.

Sollte keine Einlassung erfolgt sein, so wird dies nicht im Beweismittelkatalog angeführt.

b.) Zeugen

Zeug:innen sind mit Vor- und Familienname anzugeben, sowie deren Wohn und Aufenthaltsort (in der Praxis werden die Zeug:innen geschützt und es erfolgt nur die Namensnennung und Hinweis auf welchem Blatt sich die ladungsfähige Anschrift finden lässt.). Bei Jugendlichen sind die gesetzlichen Vertreter zu nennen. Es sind nur Zeug:innen zu benennen die für die Aufklärung des Sachverhalts wesentlich sind.

c.) Sachverständige

Benennung des Sachverständigen, sowie ergänzend zu welchem Tatkomplex oder Täter er ein Gutachten abgibt. Eine Verlesung reicht gem. § 256 StPO. Außer er kann das Gutachten nur unter dem gewonnen Eindruck der mündlichen Hauptverhandlung machen.

d.) Urkunden

Es sind Urkunden im Sinne des § 249, 256 StPO gemeint. Entscheiden ist, dass diese verlesen werden können.

e.) Augenschein

§ 86 StPO umfasst alles im Umkehrschluss was nicht Zeuge-, Sachverständigen- oder Urkundenbeweis darstellt. Also Abbildungen, Lichtbilder, Film-, Ton und Videoaufnahmen. Kommt es auf gedankliche Inhalte an, so ist der Urheber gem. § 250 StPO zu vernehmen.- Auch Urkunde kann Augenscheinsobjekt sein, wenn es auf Ihre Beschaffenheit oder Vorhandensein ankommt und nicht auf Ihren Inhalt.

f.) Beiakten

Sind grundsätzlich Urkunden, werden aber als gesondertes Beweismittel gehandhabt.

3. Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen

Es gibt keine festgeschriebene Form, es muss jedoch eine in sich geschlossene Darstellung der Sach- und ggf. Rechtslage sein.

Ein Absehen der wesentlichen Ergebnisse der Ermittlungen kann gem. § 200 Abs. 2 S. 2 StPO bei Anklagen vor dem Strafrichter oder dem Jugendstrafrichter gem. § 33 Abs. 2 JGG erfolgen. Es soll jedoch nach Nr. 112 Abs. 1 RiStBV ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen in die Anklage aufgenommen werden, wenn es sich um eine schwierige Sach-, oder Rechtslage handelt.

Gliederung:

  • Zur Person

– persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Angeschuldigten
– Lebenslauf und Vorstrafen im Imperfekt oder Perfekt
– die gegenwärtige Lebenssituation im Präsens

  • Zur Sache

– Vorgeschichte der Tat (ggf. im Plusquamperfekt)
– Tatsachen im Imperfekt, die als bewiesen anzusehen sind
– Einlassung des Anschuldigten: Ist er geständig müssen die Zeugenaussagen nicht wiedergegeben werden. Bestreitet er im wesentlichen die Tat, dann schließt sich die Beweiswürdigung an.
– In der Beweiswürdigung sind die Gründe anzuführen, welche die Einlassung des Angeschuldigten widerlegen und den hinreichenden Tatverdacht begründen.

4. Der Antrag

Die Anklageschrift wird mit dem Antrag geschlossen und ist auf die Eröffnung des Hautpverfahrens gerichtet.

Es wird beantragt,

das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht – Strafrichter -….zu eröffnen.

5. Unterschrift

Die Anklage ist von dem Verfasser zu unterschreiben.

Ist die Anklageschrift bei der Richterin oder dem Richter eingegangen, so entscheidet er oder sie, ob er sie zulässt und eine Hauptverhandlung ansetzt, oder ob er die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt und das Verfahren einstellt.

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