Fahrerflucht: Wie hoch muss der Sachschaden sein?

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Die Unfallflucht („Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“) ist strafbar nach § 142 StGB. Ist nach einer Unfallflucht ein „bedeutender Schaden“ zu verzeichnen, so liegt zudem auch gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vor. Ab welcher Höhe ein Schaden “bedeutend” ist, darüber müssen immer wieder die Gerichte entscheiden. So auch hier.

Die Schadenshöhe wird in der Regel durch ein Sachverständigengutachten oder einem Kostenvoranschlag festgestellt. Nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB kommt es in Fällen der Unfallflucht regelmäßig zur Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn ein:e Beschuldigte:r einen „bedeutenden Sachschaden“ verursacht hat. Dieser Rechtsbegriff wird von den Gerichten unterschiedlich ausgelegt und wurde in der Vergangenheit oft neu definiert. So beschloss beispielsweise zuletzt das Landgericht Berlin, dass die maßgebliche Grenze bei 1300 Euro liegt (Az. 534 Qs 23/19).

Das Landgericht Hamburg entschied nun, dass ein bedeutender Sachschaden im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erst dann vorliegt, wenn die Kosten für die Reparatur des Fahrzeugs mindestens 1800 Euro betragen. 

Reparaturkosten und Einkommens­entwicklung entscheidend

Im Oktober 2022 verursachte eine PKW-Fahrerin auf einem Parkplatz die Beschädigung eines anderen Fahrzeugs. Sie verließ den Unfallort, obwohl sie den Unfall bemerkt hatte. Die Reparaturkosten des beschädigten Fahrzeugs wurden laut einem Gutachten daraufhin auf etwa 1600 Euro geschätzt. Fraglich war zunächst damit, ob der Frau gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden sollte. Das Amtsgericht Hamburg bejahte dies, indem es der Fahrerin gemäß § 111 a Abs. 1 StPO vorläufig die Fahrerlaubnis entzog. Die Fahrerin legte sodann dagegen Beschwerde ein. 

Das Landgericht Hamburg entschied jedoch, dass eine Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht in Betracht komme. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis war damit nicht rechtens. Zwar verließ die Beschuldigte unerlaubt den Unfallort, jedoch läge kein bedeutender Sachschaden vor. Laut Gericht ist bei der Beurteilung des Schadens als „bedeutend“ die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommens­entwicklung zu beachten. 

Bislang wurde ein bedeutender Sachschaden angenommen, wenn eine Wertgrenze von 1.500 Euro erreicht wurde. Die fortschreitende Entwicklung der Reparaturkosten und die Einkommensentwicklung rechtfertigen jedoch die Anhebung der Wertgrenze auf 1.800 Euro, so das Landgericht Hamburg. Da die Reparaturkosten auf etwa 1.600 Euro geschätzt wurden, wurde die Wertgrenze nicht überschritten, sodass die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht in Betracht kommt. 


Entscheidung: LG Hamburg, Beschl. v. 09.08.2023, Az. 612 Qs 75/23

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Jana Borochowitsch
Jana Borochowitsch
Autorin, Studentin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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