Rechtsreferendariat: Meine Zivilstation am Amtsgericht/Landgericht

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Der juristische Vorbereitungsdienst – umgangssprachlich das Rechtsreferendariat genannt – gliedert sich in allen Bundesländern in insgesamt fünf Stationen und beginnt immer mit der Zivilstation. An Deiner Stammdienststelle wirst Du dabei einem Richter oder einer Richterin in erstinstanzlichen Zivilsachen, also einem:r Richter:in am Amts- oder Landgericht, zugeordnet. Aber wie kannst Du Dir die Ausbildung dort konkret vorstellen? Ich beantworte es Dir!

Referendariat

Zuteilung ans Amts- oder Landgericht

Kurz vor Beginn des Referendariats erhältst Du von Deiner Ausbildungsstelle ein Schreiben, in dem Dir mitgeteilt wird, welchem Gericht und welchem:r konkreten Ausbilder:in Du zugeteilt wurdest. Solltest Du einen bestimmten Wunsch haben, ist es teilweise möglich diesen der Referendargeschäftsstelle vorab mitzuteilen. Ob eine Berücksichtigung des Wunsches tatsächlich stattfinden kann, ist aber unterschiedlich. Hast Du die Mitteilung über Deine:n ausbildende:n Richter:in erhalten, wirst Du meist aufgefordert Dich bei dieser Person zu melden und mit ihr den ersten Termin am Gericht abzustimmen. Bis hier hin ergeben sich keine Besonderheiten zwischen Amts- und Landgericht.

Um Dich inhaltlich zumindest etwas auf die Station vorzubereiten, finden in den meisten Bundesländern Einführungslehrgänge – meistens für zwei oder vier Wochen – statt. Im Einführungslehrgang Zivilrecht lernst Du, wie man ein zivilgerichtliches Urteil schreibt und wiederholst das Zivilprozessrecht.

Krankenversicherungsbeiträge und Bundeskleingartengesetz

Der erste spürbare Unterschied besteht darin, dass der oder die ausbildende Richter:in am Amtsgericht als Einzelrichter:in arbeitet. Am Landgericht ist Dein:e Ausbilder:in einer Kammer zugeordnet. Neben dem Unterschied des Spruchkörpers besteht natürlich auch ein Unterschied in der sachlichen Zuständigkeit. Am Amtsgericht bearbeitest Du nur Sachen, die in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fallen. Ganz oben auf der Liste stehen Mietstreitigkeiten, die ausschließlich in der Zuständigkeit des Amtsgerichts liegen, und Verkehrsunfallsachen. Ansonsten kann Dich eigentlich alles erwarten, was einen Streitwert von bis zu 5.000 Euro aufweist. Da sind auch ab und zu sehr spezielle Sachen dabei, wie bei mir die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen oder Klagen im Zusammenhang mit dem Bundeskleingartengesetz. Aber keine Angst: Du wirst mit diesen Akten nicht allein gelassen, sondern Du darfst und sollst auch immer um Hilfe bitten, wenn Du etwas nicht verstehst oder mit etwas nicht zurechtkommst.

Am Landgericht hingegen bist Du einem Richter in einer Kammer zugeordnet. Dort kann es passieren, dass die Kammer hauptsächlich für Bausachen zuständig ist und Du Dich überwiegend mit entsprechenden Akten beschäftigen musst. Aber auch hier brauchst Du keine Angst haben. Dein:e Ausbilder:in weiß, dass es eine besondere Materie ist und Du als Referendar:in noch in der Ausbildung steckst. Er oder sie wird entsprechend Rücksicht nehmen und Dich unterstützen.

Soweit wäre es das aber auch schon mit den Unterschieden. Deine zu erbringenden Leistungen unterscheiden sich nicht. Du musst sowohl beim Amts- als auch beim Landgericht Urteile, Beschlüsse und Gutachten schreiben. Daneben nimmst Du an mündlichen Verhandlungen teil und hältst einen oder mehrere Aktenvorträge.

Eigenständige Beweisaufnahme

Einen Tipp möchte ich Dir an dieser Stelle direkt geben: Es gibt laut den Ausbildungsordnungen der Bundesländer die Möglichkeit, dass Du in Zivilsachen eine Beweisaufnahme unter Aufsicht Deines Ausbilders selbst leitest. Du belehrst dann die Zeug:innen, vernimmst sie und diktierst die Aussage. Nimm diese Möglichkeit unbedingt wahr. Sollte Dein:e Ausbilder:in Dir diese Möglichkeit nicht vorschlagen, dann bitte ihn aktiv darum. Es ist eine super Gelegenheit, um die Arbeit des oder der Zivilrichter:in im Verhandlungssaal selbst zu erleben. Du merkst auch schnell, ob Dir die Prozessleitung Spaß macht und ob diese Tätigkeit etwas für Dich ist. Die Möglichkeit, die Beweisaufnahme zu leiten, wirst Du so schnell nicht wieder bekommen. Und selbst, wenn Du schon weißt, dass Du später sicher nicht als Richter:in arbeiten möchtest, ist es doch eine gute Gelegenheit um Erfahrungen zu sammeln und sich weiterzuentwickeln. Vor Gericht sprechen und Zeug:innen befragen musst Du auch als Anwalt oder Staatsanwältin.

Urteile, Beschlüsse, Gutachten und Co.

Die übrigen Leistungen, insbesondere Urteile, Beschlüsse und Gutachten zu schreiben, erbringst Du von zuhause aus. Du musst meist einen oder maximal zwei Tage in der Woche zu Deinem:r Ausbilder:in ans Gericht. An diesen Tagen nimmst Du an mündlichen Verhandlungen als Zuschauer:in teil, sitzt aber – vor allem am Amtsgericht – meist neben deinem:r Ausbilder:in auf der Richterbank. Danach gibt Dir Dein:e Ausbilder:in die Akten mit nach Hause und fordert Dich entweder konkret auf, ein Urteil zu schreiben oder zu überlegen, was weiter zu tun ist. Dabei kann es dann dazu kommen, dass Du z.B. erst noch einen Beweisbeschluss verfassen musst, da die Sache noch nicht entscheidungsreif ist. Das ist aber von Ausbilder zu Ausbilderin verschieden. Die Bearbeitungszeit kann dabei auch zwischen ein bis drei Wochen – je nach Umfang der Aufgabe – variieren.

Hast Du die Akte bearbeitet, gibst Du sie zurück an Deine:n Ausbilder:in und legst ihm bspw. das Urteil vor. Dieses korrigiert und bewertet er dann. Für jede Leistung, die Du im Rahmen Deiner Ausbildung am Gericht erbringst, bekommst Du von Beginn an eine Benotung, die dann in Dein Abschlusszeugnis der Station (nicht des zweiten Staatsexamens!) einfließt. Du brauchst also auch keine Bedenken haben, wenn Deine Noten am Anfang noch nicht in dem Bereich liegen, den Du Dir wünschst. Das Zeugnis ist relativ irrelevant für die spätere Berufswahl. Hauptsächlich sollen sie nur sicherstellen, dass tatsächlich eine Ausbildung erfolgt und als Nachweis für die Referendargeschäftsstelle dienen.

Als erste Station im Referendariat ist die Zivilstation wohl die ungezwungenste. Das zweite Staatsexamen ist noch weit entfernt. Genieße die Zeit, ehe Du Dich versiehst, ist die Zeit bei Deinem:r Zivilrichter:in auch schon wieder vorbei. In diesem Sinne, viel Spaß in der Zivilstation!

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Florentine Scheffel
Florentine Scheffel
Rechtsreferendarin in Thüringen.

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