Interview: Frag den… Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer!

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Juristische Berufserfahrung aus erster Hand: Im Interview mit Dr. Ulrich Wessels

Dr. Ulrich Wessels studierte Jura in Freiburg und Münster und promovierte zum Thema “Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil”. Er ist Sozius der Kanzlei Dr. Koenig & Partner GbR. Seit 1994 gehört er dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm an. 2015 wurde er als 2. Vizepräsident in das Präsidium der Bundesrechtsanwaltskammer gewählt. Seit 2018 ist er Präsident der BRAK.

Berufsspecial

Sehr geehrter Herr Dr. Wessels, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, Wissenswertes über Sie und Ihre Tätigkeit als Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer mit unseren JURios-Leser:innen zu teilen! Wie kam es zu Ihrem Engagement für die Rechtsanwaltskammer Hamm und die BRAK?

Dr. Wessels: Aber sehr gerne! Ich habe mich wirklich über Eure Anfrage gefreut.
Mein Engagement in der Selbstverwaltung folgte initial eigentlich einer Art Befehl. Mein Altsozius war Vorsitzender des örtlichen Anwaltsvereins. Als für die Vorstandswahlen der Kammer Hamm Kandidaten gesucht wurden, erteilte er mir sozusagen den Auftrag, mich zur Verfügung zu stellen. Das habe ich damals getan und seither nicht bereut. Erst durch mein Engagement in der örtlichen Kammer wurde mir klar, welche Bedeutung die Selbstverwaltung für unseren Beruf hat. Sich dann auch bei der BRAK zu engagieren, war die logische Konsequenz aus dieser Erkenntnis. Ich kann jede Kollegin und jeden Kollegen nur ermuntern, nicht nur die örtlichen Kammerversammlungen zu besuchen, sondern sich auch in den Vorständen zu beteiligen und einzubringen. Jeder hat so die Möglichkeit, selbst aktiv an den Weichenstellungen für unseren großartigen Beruf mitzuwirken.

Sie spielen eine Runde Tabu und müssen als Erklärer Ihren Mitspieler:innen den Begriff „Bundesrechtsanwaltskammer“ umschreiben. Welche fünf Tabu-Begriffe, die dabei nicht genannt werden dürfen, stehen auf Ihrer Karte, um Ihren Suchbegriff nicht direkt zu entlarven?

Dr. Wessels: Anwaltschaft, Selbstverwaltung, Dachorganisation, Interessenvertretung, und last but not least: (R)ECHT INTERESSANT! 😊

Nehmen Sie uns an die Hand und führen Sie uns durch einen typischen Arbeitstag als Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer. Inwiefern ist die Tätigkeit mit ihrem Beruf als Rechtsanwalt zu vereinbaren?

Dr. Wessels: Mein Ehrenamt für die BRAK kostet natürlich Zeit, das ist klar. Ich würde sagen, ich verteile meine Zeit etwa 50:50 auf das Präsidentenamt und meine anwaltliche und notarielle Tätigkeit.

Einen typischen Tag als Präsident kenne ich eigentlich fast nicht. Die Herausforderungen sind vielfältig, die Themen ebenso. Jeder Tag bringt etwas Neues. Was immer gleich abläuft: Früh am Morgen als erstes Mails und WhatsApp checken. Wenn keine WhatsApp- Nachricht eingegangen ist, ist das schon mal ein gutes Zeichen dafür, dass nichts brennt. Und das darf man glauben: Meine Geschäftsführung kennt keine Uhrzeiten und keine Gnade, wenn etwas brennt. Also widme ich mich dann den meist unzähligen Mails, um auf dem aktuellen Stand zu sein und durchforste natürlich auch die News aus der Rechtspolitik, die für uns von Relevanz sind. Meist habe ich per Mail schon Schreiben, Stellungnahmen oder Statements zur Freigabe erhalten, die ich dann Stück für Stück abarbeite. An manchen Tagen war es das, an manchen wurden für mich so viele Gesprächstermine und Konferenzen vereinbart – und ja: da verfügt man einfach mal so über den Präsidenten 😉 – dass ich abends nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Kein Tag ist wie der andere.

Apropos „typischer Tag“: Was sind typische Aufgaben und Probleme, die Ihnen tagtäglich begegnen – was war im Gegenteil dazu das Kurioseste, was Ihnen bei der BRAK widerfahren ist?

Dr. Wessels: Meine Hauptaufgaben sind recht leicht erklärt: Der Präsident vertritt die BRAK gerichtlich und außergerichtlich, führt in den Sitzungen des Präsidiums und der Hauptversammlung den Vorsitz und setzt die getroffenen Beschlüsse um. Will heißen, ich setze um, was Präsidium und Hauptversammlung beschließen. Ich habe also im Wesentlichen die Aufgabe, zu vertreten, zu lenken und zu leiten.

Oder etwas juristischer ausgedrückt: Ich kann für die BRAK rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben oder auch im Namen der BRAK klagen – was glücklicherweise selten der Fall ist. Ich leite quasi das operative Geschäft der BRAK, bin dabei aber eher ausführendes Organ und natürlich an Weisungen bzw. Beschlüsse des Präsidiums und der Hauptversammlung gebunden. Außerdem erstatte ich einmal jährlich dem BMJ, also unserer Rechtsaufsicht, Bericht über die Tätigkeit des Präsidiums und der BRAK an sich.

Das klingt jetzt vielleicht recht organisatorisch und unspannend. Ist es aber nicht. Ich werde von der Geschäftsführung der BRAK natürlich in alle wichtigen Probleme und Themen des Tagesgeschäfts eingebunden. Welche rechtspolitischen Entwicklungen gilt es zu beobachten, welche Reformvorhaben des Gesetzgebers wirken sich möglicherweise positiv oder negativ auf die Anwaltschaft aus? Welche internationalen Entwicklungen und Konflikte betreffen uns hier vor Ort und wie positionieren wir uns dazu?

Kleines Beispiel aus meinem Alltag in Sachen Rechtspolitik: Im Bereich Geldwäscheprävention und Steuerrecht waren in Regierungsentwürfen zu geplanten Gesetzen Meldepflichten für Anwältinnen und Anwälte vorgesehen, die einen Angriff auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht – und damit einen unserer Kernwerte – darstellen. Da klingelt dann schon mal sehr früh am Morgen oder spät am Abend mein Telefon und ich stimme Strategien mit der Geschäftsführung ab. Es ist ja eine unserer Aufgaben, die Interessen der Anwaltschaft eben auch im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren zu vertreten, zu schützen und zu wahren. Und das tun wir dann auch lautstark. Die Themen, die mich derzeit besonders beschäftigen, sind beispielsweise auch die Juristenausbildung und der Fachkräftemangel. Da lassen wir – gemeinsam mit den Rechtsanwaltskammern – gewaltig die Köpfe rauchen, führen Gespräche mit Politik, gehen an Schulen oder nehmen auch mal an einer Demo teil, Stichwort iur.reform und Bundesfachschaft. Das kann ich natürlich nicht immer alles selbst tun. Muss ich auch gar nicht, denn dafür haben wir unsere hauptamtlichen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer. Aber ich bin in all diese Themen – und sei es nur zu Abstimmung – eingebunden. Das ist das Schöne an diesem Ehrenamt: Die Themenvielfalt ist kaum zu toppen.

Das Kurioseste Erlebnis bei der BRAK? Ich habe mal in einer Besprechung einen – allerdings sehr freundlichen – Rüffel aus der Geschäftsführung dafür bekommen, dass ich – statt meine Gesprächspartner aus der BRAK am runden Tisch visuell zu fokussieren – in meinem Stuhl immer tiefer gerutscht bin, um den zu meinen Füßen liegenden BRAKel Franz, unseren Büro-Rauhhaardackel, zu kraulen, der sich eben wie kein Zweiter darauf versteht, Aufmerksamkeit einzufordern. Da muss man dann schon mal Prioritäten setzen. Und zugehört habe ich ja trotzdem. Das möchte ich nochmal betonen! Und zu meiner Verteidigung: Dackel! Wer kann diesem Blick widerstehen?

BRAKel Franz, Bild: BRAK/jm_lensman

Was reizt Sie daran, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer zu sein? Wie wichtig ist die BRAK für die Anwaltschaft?

Dr. Wessels: Unser Beruf ist ein freier Beruf, frei von staatlicher Kontrolle und Einflussnahme. Die Selbstverwaltung halte ich für ein Privileg von unschätzbarem Wert. Die Alternative zur Selbstverwaltung wäre eine staatliche Aufsicht, die mit unserem Beruf einfach unvereinbar ist. Wie könnte ich mich also nicht für eben diese Staatsferne engagieren wollen? Eben.


Ich schätze es sehr, mich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Präsidium und gemeinsam mit den 27 regionalen Kammern und der Kammer beim BGH für die Interessen der Anwaltschaft einzusetzen. Von welch großer Bedeutung das ist, sieht man umso deutlicher, wenn man einen Blick nach Israel, in die Türkei oder auch nach Polen wirft. Mich reizt es, mich auf Bundesebene unmittelbar für unsere Sache einsetzen zu dürfen. Und wie gesagt: Derartige Themenvielfalt im Alltag hat man als Anwalt sonst kaum.

Jetzt haben Sie uns schon sehr von Ihrer Tätigkeit überzeugen können. Was muss man tun, um Präsident der BRAK zu werden und welche Voraussetzungen sollte man dabei mitbringen?

Dr. Wessels: Die Mitglieder des Präsidiums werden von den Präsidentinnen und Präsidenten der 28 Rechtsanwaltskammern, die in der sogenannten Hauptversammlung zusammengefasst sind, gewählt. Das heißt, ich muss zunächst mal Präsidentin oder Präsident einer der 28 Rechtsanwaltskammern sein. In den jeweiligen Kammervorstand kann ich mich wählen lassen, wenn ich dort Mitglied und seit mindestens 5 Jahren zugelassen bin.

Im Übrigen sollte man natürlich Begeisterung für den Anwaltsberuf mitbringen, ein ausgeprägtes Interesse an rechtspolitischen Themen, daneben unbedingt die Bereitschaft, viel Zeit zu investieren. Man sollte gewillt sein, Positionen der Anwaltschaft mit Nachdruck – und ggfs. gebetsmühlenartig wiederholend – gegenüber der Politik zu vertreten. Und ganz offen gesagt: Ein dickes Fell schadet ebenfalls nicht. Man ist nicht immer jedermanns bester Freund und muss auch in der Lage sein, Kritik einzustecken oder mal einen unfreundlichen Presseartikel verdauen können. Das gehört dazu.

Zu guter Letzt: Versetzen Sie sich in Ihr Erstsemester-Ich zurück. Was würde es heute von Ihrem Werdegang halten und umgekehrt: was würden Sie Ihrem Erstsemester-Ich raten?

Dr. Wessels: Mein Erstsemester-Ich würde sagen: „Aber Du wolltest doch Richter werden!“ Ich würde meinem Ersti-Ich antworten: „Trust me! Ich weiß es besser. Der Anwaltsberuf ist unschlagbar. Und wir werden es nie bereuen, den angebotenen Richterposten abgelehnt zu haben. Und wenn wir gerade schon sprechen: 1. Schreib mehr Übungsklausuren, dann hast Du im Examen weniger Stress. Und 2.: Ja, das Studium ist nervenaufreibend. Aber Du schaffst es und es lohnt sich. Wirst schon sehen.“

Herr Dr. Wessels, vielen Dank für Ihre spannenden Einblicke!

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Redaktion
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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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