Interview: Frag die …. Fachanwältin für Familienrecht und Mediation

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Juristische Berufserfahrung aus erster Hand: Im Interview mit der Fachanwältin für Familienrecht und Mediation RAin Anna Maria Göbel

RAin Anna Maria Göbel studierte Jura an der Wilhelms-Universität Münster und legte ihr Rechtsreferendariat in Nordrhein-Westfalen ab. Seit 1998 ist sie für die Kanzlei WOLFF GÖBEL WAGNER als Rechtsanwältin tätig. RAin Anna Maria Göbel ist Fachanwältin für Familienrecht und Mediatorin. Neben der Durchführung von Scheidungs- und Kindschaftssachen, sowie der Gestaltung und Verhandlung von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarung ist sie spezialisiert auf gesellschaftsrechtliche Fragestellungen, die sich im Familienrecht ergeben.

Berufsspecial

Sehr geehrte Frau RAin Göbel, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, Wissenswertes über sich und Ihren Beruf als Familienrechtlerin mit unseren JURios-Leser:innen zu teilen! Wie kam es dazu, dass Sie sich gerade auf dieses Rechtsgebiet spezialisiert haben?

Ich fand Menschen und ihre Interaktionen, die nicht immer ganz konfliktlos sind, schon als Kind faszinierend und habe mich oft gefragt, warum es im erweiterten familiären Umfeld diese filmreifen Traum-Paare gab, die auch nach 30 Jahren noch miteinander turteln und daneben diese anderen, die am liebsten nur alleine auf Familienfeste gegangen sind und  um die es diese Geheimnisse gab und wo der Ehepartner heimlich als „Aufgabe“ oder „Schicksal“ bezeichnet worden ist. Das war alles ein ganz großes Mysterium um das Lebensthema „Ehe“, was ich unbedingt erkunden wollte, wenngleich auch nicht von Anfang an in juristischer Hinsicht.

Außerdem habe ich gemerkt, dass es unheimlich facettenreich ist und die Phantasie von Menschen in ihren Beziehungen und Lebensmodellen, nicht nur in der Trennung unbegrenzt ist, was nicht in jeder Hinsicht gut ist; aber interessant ist es allemal. Und manchmal auch bereichernd und unterhaltsam. Der Verlauf in einer Akte ist ein bisschen wie eine Serie im Fernsehen zu gucken: wer macht was als nächstes, was passiert dann, wer liebt wen, was tut der Verlassene… und man bekommt auch noch Geld dafür.

Ferner ist es auch ein gutes Rechtsgebiet, um täglich die eigenen Werte zu überprüfen und bei fast jedem Mandat frage ich mich, wie ich mich in einer solchen Situation verhalten würde, was meistens in großer Sympathie für meine Mandanten endet.

Sie spielen eine Runde Tabu und müssen als Erklärerin Ihren Mitspieler:innen den Begriff „Familienrecht“ umschreiben. Welche fünf Tabu-Begriffe, die dabei nicht genannt werden dürfen, stehen auf Ihrer Karte, um Ihren Suchbegriff nicht direkt zu entlarven?

Göbel: Hochzeit, Liebe, Streit, Kinder, Leben

Nehmen Sie uns an die Hand und führen Sie uns durch einen typischen Arbeitstag als Fachanwältin für Familienrecht und Mediation. Was unterscheidet Ihre Tätigkeit von anderen Rechtsgebieten? Stimmt es, dass es im Familienrecht besonders emotional zugeht?

Göbel: Liebe und Ehe bzw. eine Beziehung sind Lebensthemen für alle Menschen. Da geht natürlich um ganz viel Gefühl, vor allem, wenn es Kinder gibt. Das sind dann schon die ganz existenziellen Themen, weil in diesen bunten Strauß der Gefühle auch die eigenen Erwartungen und Phantasien der Menschen mit hineinspielen, die Erwartungshaltung der eigenen Eltern und Familien, Angst vor sozialer Ächtung von Freunden und im Tennisclub, man möchte nicht alleine sein oder „der/die Getrennte oder Verlassene“.

Neben dieser eigenen Enttäuschung, dass sich das selbst Gewünschte oder Erträumte fürs Leben nicht dauerhaft verwirklicht hat, kommt auch ganz viel Scham darüber, dass die Umwelt denken könnte, man habe es „nicht geschafft“ ein guter Ehepartner zu sein oder das klassisch Modell der Familie zu leben. Darunter leiden die meisten schon sehr. Und sind daher psychisch eher nicht in der besten Verfassung, wenn sie zu einem kommen. Daher kommt neben dem üblichen rechtsgeschäftlichen „Verarzten“ der Mandanten auch – vor allem am Anfang- die Aufgabe hinzu, sie etwas aufzufangen und zu stabilisieren: Sie können nicht einem Menschen, der unglücklich ist und schlimm weint wirklich eine Entscheidung zu Umgangsfragen oder Unterhaltsberechnungen abverlangen, weil er ganz anderes im Kopf hat und für die technische und rechtliche Abwicklung am Anfang gar nicht offen ist.

Oder aber die Leute sind stark verletzt, aggressiv und/oder enttäuscht und möchten am liebsten dem anderen Ehegatten nur das Schlimmste antun und sich für irgendwas rächen. Da muss man die Mandant:innen schon vor sich selbst schützen, weil Rache-Aktionen einen in der rechtlichen Abwicklung meist nicht weit bringen und nur unnötige Schwierigkeiten und eine schlechte Verhandlungs-Atmosphäre schaffen, was dem Mandanten letztendlich auch schadet, auch wenn eine solche Verhaltensweise ihm zunächst emotionale Erleichterung verschaffen würde und er oder sie sich das wünscht.

RAin Anna Maria Göbe ist als frau-rechtsanwalt bei Instagram

Mein Arbeitstag beginnt in der Regel ziemlich früh mit der Sichtung und Beantwortung von Mails, da Familienrecht gern Nachts und am Wochenende stattfindet, wenn die Leute Zeit und Gelegenheit haben, ungestört ihren Gedanken nachzugehen oder emotional aufgewühlt sind, weil etwas passiert ist, was sie vom Schlafen abhält und was sie unbedingt sofort dem Anwalt mitteilen müssen. Danach bin ich meist schon schlagartig wach und betreibe etwas social media.

Vormittags geht es meist zum Gericht, danach bearbeite ich die Posteingänge; spätestens ab Mittags kommen Mandant:innen oder es finden Online-Beratungen statt. Zum wirklich intensiven und ungestörten arbeiten komme ich meist erst nach 18.00 Uhr oder an den Wochenenden, weil in emotionalen Phasen auch viele Anrufe getätigt werden oder es insbesondere am Anfang des Mandatsverhältnisses auch viele kleine Fragen zu klären gibt.

Dabei sind die Fragen oft auch nicht immer nur rein juristischer Art, sondern zB auch so etwas wie: “Mein Mann verlangt von mir, dass ich trotz Auszug noch jeden 2. Tag zum Haus komme und den Schnee schippe, weil mir das ja auch zur Hälfte gehört. Muss ich das?“ Da ist klar, dass man das als Laie nicht beurteilen kann und das abgeklärt haben möchte, weil man juristische Konsequenzen fürchtet, die man einfach nicht überblicken kann. Aber das ist schon interessant, was da so behauptet und womit gedroht wird.

Da ist hingegen so ein Coaching mit Mandant:innen eine schöne Abwechslung: da sind die Leute schon bereit für persönliche Veränderungen und man kann gut mit ihnen arbeiten und es macht Freude zu sehen, wie sie schnell Fortschritte machen und zur besseren, mutigeren und schöneren Version von sich werden.

Apropos „typischer Tag“: Was sind typische Probleme, die Ihnen tagtäglich bei Ihrer Arbeit begegnen – was war im Gegenteil dazu der kurioseste Fall, der Ihnen im Familienrecht widerfahren ist?

Göbel: Kennen Sie die Phasen einer Krise nach Richard Streich? Da ist am Anfang der Schock über etwas, was passiert ist: Trennung, Fremdgehen, etc. und die Menschen sind im Schock, weil sie nicht wahrhaben können und wollen, was ihnen da passiert ist. In dieser Phase sind die meisten so handlungsunfähig, dass man sie kaum zu einer sinnvollen und gebotenen Handlung motivieren kann. Dann kann ich ihnen rechtlich mögliche Lösungsszenarien anbieten und sagen, was sinnvoll wäre jetzt zu tun: zB. zügig Unterhalt geltend machen oder den Kindesunterhalt titulieren zu lassen.

Phase zwei ist dann die Phase der Ablehnung oder Verneinung. Aus der Erfahrung heraus kann ich oft erahnen, was als nächstes passiert oder passieren kann. Das möchte der Mandant dann oft nicht wahrhaben und hält es zB schlichtweg für unmöglich, dass der Ehepartner keinen Unterhalt zahlen wird und begründet dies mit solchen Argumenten wie „so ist er/sie nicht, ich kenne ihn“ oder „er/sie hat das aber versprochen…“. In diesen Phasen muss man dann einfach abwarten, bis die Einsicht reift und die Mandant:innen einsehen, dass in einer Trennung auch neue Wesenszüge von ehemals geliebten Menschen auftreten können, die man nicht erahnt hat.

Das ist manchmal schwierig auszuhalten und erschwert die effektive Abwicklung. Da muss man die Mandanten erstmal alleine wursteln lassen, bis sie Rat annehmen können und möchten. Oder aber man erkennt schwerwiegende Abhängigkeiten vom getrennten Ehepartner, die ebenfalls den juristischen Lösungsprozess erschweren wie zB „Mein Mann ist zwar 54 Jahre alt, aber ich muss noch den Handyvertag für ihn abschließen, das kann der nicht alleine, das habe ich immer gemacht“. Wenn jemand noch den Gegenpart als „Opfer“ der Umstände ansieht ist er halt auch nicht bereit, seine Rechte durchzusetzen bei diesem, weil der andere ihm irgendwie noch leid tut. Das ist manchmal anstrengend. Ab Phase 3 kommt dann aber die Einsicht beim Mandanten und dann macht es auch Freude.

Beglückend kurios ist die Phantasie von menschlichen Formen des Zusammenlebens. Besonders deutlich wird mir das immer bei polyamourösen Beziehungen: immer gern in Erinnerung habe ich eine großartig nette Familie mit zwei wunderbaren und wunderbar erzogenen Kindern, die alle Feiertage und Geburtstage mit den jeweils 4-5 aktuellen Freundinnen des Ehemannes zusammen gefeiert haben. Also die Eltern, die zwei Kinder und die 4-5 Freundinnen gingen immer gemeinsam ins Restaurant. Als die Frau dann auch ihren Lebensgefährten im gemeinsamen Haus aufgenommen hatte, ging es dann auch noch gut, aber irgendwann war eine von den Freundinnen des Mannes so dominant, dass das Konstrukt nicht weiter gelebt werden konnte. Das war schade, weil es offenbar tragfähig war und die Familie wirklich toll war.

Im Bereich der Gleichberechtigung von Mann und Frau hat sich in den letzten Jahren zum Glück viel Positives getan. Trotzdem müssen Frauen beruflich oft zurückstecken, wenn sie Kinder bekommen. Was können Sie allen Frauen und uns (angehenden) Juristinnen raten, die möglichst unabhängig bleiben und sich für den Fall einer Scheidung absichern wollen?

Göbel: Die Gleichberechtigung sehe ich primär nur auf dem Papier. Sobald Kinder kommen sind es auch weiterhin gerade die Juristinnen, Ärztinnen, Architektinnen etc., also auch die studierten Berufe, die natürlich zu Hause bleiben und/oder diskussionslos auch den Großteil der Hausarbeit übernehmen und später im Falle einer Trennung deutliche finanzielle Nachteile haben. Die Pro-Tips sind ganz klar:

  1. Sich auch für Care-Arbeit bezahlen lassen, um auch in dieser Phase eigenes Geld zu haben und ggf. eigene Altersvorsorge betreiben zu können. Und das Geld dann gerade nicht für Lebensmittel für die Familie auszugeben!
  2. Sich möglichst ehevertraglich nicht benachteiligen lassen, noch besser: sich abzusichern.
  3. Sich nicht langfristig aus dem Beruf zurückziehen, auch wenn es noch so verführerisch schön mit kleinen Kindern zu Hause ist.

Man ist zwar die ersten Jahre etwas gestresst, aber stets unabhängig mit einem guten Gefühl für den eigenen Wert, da man ja im Job auch andere Erfolgserlebnisse und Ansprachen hat als nur „Mama“ .

Im Beziehungskontext ist es ebenfalls sinnvoll: die eigene Attraktivität als erwachsener Gesprächspartner sinkt einfach extrem schnell, wenn man jahrelang nur noch über die Zubereitung von Möhrchenbrei, Töpfchen-Erfolgen und Pekip-Konzepten erzählen kann, wenn der Ehegatte aus der Zeit davor noch etwas anderes gewohnt ist. Da ich auch viele Männer vertrete und auch ihren Standpunkt höre: Ich halte das wirklich für eine Maßnahme der Scheidungs-Prävention.

Jetzt haben Sie uns schon sehr von Ihrem Beruf überzeugen können. Was muss man tun, um eine gute Familienrechtlerin zu werden und welche Voraussetzungen sollte man dabei unbedingt mitbringen?

Die kurze Zusammenfassung lautet: man brauch ein großes Herz, aber auch eine starke Hand.

Man muss  schon die Leute und ihre Probleme mögen, aber genauso wichtig ist es auch, die Leute mit aller Macht vor sich selber zu schützen, damit sie sich nicht völlig entrechten oder vom Ehegatten ausnehmen lassen.

Ansonsten kommt man mit generellen juristischen Fähigkeiten, also Denken gepaart mit etwas Grundrechenarten im Familienrecht gut zurecht. Der große Vorteil ist, dass man persönlich relativ frei ist. Ich glaube, freier in der persönlichen Entfaltung als zB im Bankrecht oder den anderen klassischen Rechtsgebieten. Familienrechtler werden ja böse als „Grundschullehrer des Rechts“ betitelt, aber diese Freiheit ist auch etwas Positives, da hat man persönlich einfach mehr Möglichkeiten es so zu machen, wie man selbst es möchte und es ist definitiv genug Arbeit da.

Zu guter Letzt: Versetzen Sie sich in Ihr Erstsemester-Ich zurück. Was würde es heute von Ihrem Werdegang halten und umgekehrt: was würden Sie Ihrem Erstsemester-Ich raten?

Göbel: Das Familienrecht machen zu wollen, war für mich die geistige Möhre auch die unschönen Gebiete des Jurastudiums durchzuhalten, weil ich genau wusste, was ich wollte. Das hat mich auch zum Überleben von Baurecht oder öffentlichem Recht motiviert. Denn ich wusste genau: ohne Baurecht gibt’s kein Familienrecht später.

Generell ist es gut, ein klares Ziel zu haben, daher wäre das auch heute noch mein Rat. Das hilft im Studium wie auch sonst im Leben ungemein.

Ansonsten würde ich jedem Erst-Semester raten mutiger zu sein und rund ums Studium alle Erfahrungen mitzunehmen, die es gibt; man weiß nie, welche neuen (Arbeits-)Welten man für sich entdeckt.

Sehr geehrter Frau RAin Göbel, vielen Dank für Ihre spannenden Einblicke!

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Redaktion
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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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