Bereits im Jahr 2015 musste sich das Oberlandesgericht Naumburg mit der kuriosen Frage beschäftigen, wie viele herübergeflogene Bälle Nachbar:innen auf dem Grundstück dulden muss.
Ein Sportverein betrieb auf einem städtischen Gelände einen Bolzplatz. Dieser befand sich direkt neben einem Privatgrundstück. Und so kam es, dass die Grundstückseigentümer:innen in einem Jahr sage und schreibe 135 Bälle aus dem eigenen Garten fischten und dem Verein zurückgaben. Doch danach wurde es den Eigentümer:innen zu bunt: Sie verklagten den Sportverein vor dem Landgerichts Dessau-Roßlau. Die Eigentümer:innen verlangten, es zu unterlassen und zu unterbinden, dass Bälle von Nutzern des Sportpatzgeländes auf ihr Privatgrundstück gelangen. Im Rahmen der Berufung landete das Verfahren schließlich vor dem Oberlandesgericht Naumburg. Und dieses gab den Kläger:innen recht.
Maximal ein Ball pro Woche!
Die Kläger:innen haben gegen den beklagten Verein nach § 1004 BGB einen Anspruch auf Unterlassung. Nutzungen des Sportplatzes seien insoweit zu unterbinden, als dadurch jahresdurchschnittlich mehr als ein Ball pro Woche auf das Grundstück der Kläger:innen fliegen würde. Nachdem dies in der Vergangenheit der Fall gewesen sei, bestünde laut den Richter:innen die Gefahr einer erneuten Beeinträchtigung. Die Anzahl an herübergeflogenen Bällen sei aufgrund der Trainingsdichte auf dem Fußballplatz wahrscheinlich. Auf dem Sportplatz trainierten regelmäßig 120 Kinder und Jugendliche in acht Nachwuchsmannschaften. Die Angaben der Kläge:innen zur Anzahl der Bälle sei deswegen glaubhaft.
Das Gericht stellte außerdem fest, dass der Zustand des beeinträchtigten Grundstücks irrelevant sei. “Ein jahresdurchschnittlicher Ballüberflug von mehr als einem Ball pro Woche führt zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Eigentumsrechts der Kläger an ihrem Grundstück, zu deren Duldung sie nicht verpflichtet sind. Dabei ist auch unerheblich, ob das Grundstück der Kläger gärtnerisch genutzt wird oder eher verwildert ist.”
Eine Duldungspflicht ergebe sich außerdem weder unmittelbar aus § 906 BGB noch aus einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift oder aus anderen Vorschriften oder aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
Zaun muss mindestens 6m hoch sein!
Der Anspruch sei auch nicht gemäß § 1004 II BGB analog ausgeschlossen. Die Beklagten hätten noch nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um dies zu verhindern. Die Richter:innen urteilten, dass der Ballfangzaun um den Fußballplatz mit vier Metern zu niedrig sei. Erst ein sechs Meter hoher Ballfangzaun ist nach Auffassung des Senats in dem hier vorliegenden Fall geeignet, den Ballüberflug in erheblichem Umfang zu vermindern.
Unerheblich sei ferner, seit wann der Sportplatz bestünde. Die Kläger:innen hätten auf ihre Abwehrrechte auch nicht konkludent durch den späteren Erwerb des Grundstücks verzichtet. Denn, wer ein Grundstück erwerbe, bei dem künftige Störungen absehbar seien, gebe mit dem Erwerb allein noch nicht zu erkennen, dass man von der Rechtsordnung nicht gedeckte Störungen in Zukunft hinnehmen wolle. Für die Rechtswidrigkeit der auf dem Grundstück der Kläger:innen verursachten Eigentumsstörung sei es ferner unerheblich, dass der Sportplatz baurechtlich genehmigt worden sei.
Entscheidung: OLG Naumburg, Urt. v. 23.11.2015, Az. 12 U 184/14