The right not to be fun at work – Arbeitsrecht und Alkohol

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Dass Alkohol am Arbeitsplatz ein No-Go ist, und einen Kündigungsgrund darstellen kann, ist wohl den meisten Menschen klar. Dass zu wenig Alkohol am Arbeitsplatz ebenfalls zu einer Kündigung führen kann, glauben wohl die Wenigsten. Ein Arbeitnehmer in Frankreich staunte nicht schlecht, als ihm eine Kündigung vorgelegt wurde, nachdem er zu wenig Alkohol auf diversen Firmenevents konsumierte. Ob das so rechtens war und wie es in Deutschland mit Alkoholkonsum und arbeitsrechtlichen Vorschriften aussieht, erfahrt ihr hier.

Gehört in Frankreich Alkohol zum Arbeitsalltag?

Cubik Partners – eine Beratungsfirma in Paris – hatte im Februar 2011 Monsieur T. als leitenden Berater eingestellt. Im Februar 2014 wurde der Mitarbeiter sogar noch befördert, bevor er im März 2015 aufgrund von Inkompetenz und mangelnden „Fun&Pro“-Werten, die das Unternehmen angeblich ausmachen, gekündigt wurde.

Der „Fun&Pro“-Wert des Unternehmens äußerte sich dabei in der notwendigen Teilnahme an Seminaren und Wochenendveranstaltungen, die häufig zu übermäßigen Alkoholexzessen, Promiskuität und Mobbing führten. Die Weigerung des Mitarbeiters, nicht an solchen Events teilzunehmen, rechtfertigte aus Sicht des Unternehmens eine Kündigung.

Der Franzose wehrte sich gegen diese Kündigung und gewann im November 2022 vor dem Kassationshof – dem höchsten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Frankreich. Das Gericht sieht in der Weigerung des Mannes die Ausübung seiner Freiheitsrechte aus der Grundrechtecharta (Art. 11) – freie Meinungsäußerung. Eine Kündigung, die auf der Ausübung der Grundfreiheiten basiert, ist nichtig, da sie gerade diese Grundfreiheiten verletzt. Dass der Mitarbeiter mit der Weigerung seine Meinung kundtat und dabei das Verhalten und den Führungsstil der Geschäftsführer kritisierte, ist sein gutes Recht.

Zudem verletzte es auch das Rechte zur Achtung der Würde und Privatsphäre des Mitarbeiters, so das Gericht. Unter anderem gehörten die Verpflichtung, auf Seminaren ein Bett mit den Arbeitskollegen zu teilen, vorgetäuschte sexuelle Handlungen und die Verwendung von ungewollten Spitznamen dazu.

Zu guter Letzt lieferte Cubik Partners auch keine guten Beweise zur Unfähigkeit des Mitarbeiters. Aus einem „Feedback 360“-Dokument aus dem Juni 2014 geht hervor, dass der Mitarbeiter zahlreiche positiven Bewertungen erhalten hat. Eine Mitarbeiterin bezeugte zwar die Unfähigkeit des Mitarbeiters im Prozess, gab ihm jedoch aufgrund seiner ausgezeichneten Ausbilderfähigkeit eine hervorragende LinkedIn Bewertung.

Kann das auch bei uns passieren?

Allerdings ist dieser Fall ist ziemlich einzigartig und eine Kündigung aufgrund von zu wenig Alkoholkonsum stellt wohl kein häufiges Problem dar. Mir Konsequenzen muss ein Arbeitnehmer jedoch rechnen, wenn er zu viel Alkohol konsumiert und der Konsum seine ordnungsgemäße Arbeitsleistung beeinflusst. Zwar gibt es keine Promille-Grenzen am Arbeitsplatz, jedoch können bei bestimmten Tätigkeiten bereits geringen Mengen ausreichend sein, um andere Menschen in Gefahr zu bringen oder anderweitige Schäden zu verursachen. Dabei ist es irrelevant, ob man am Arbeitsplatz selbst Alkohol konsumiert oder mit Rest-Alkohol zur Arbeit erscheint. Vermutet der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Intoxikation nicht mehr seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag nachkommen kann und möchte im Zuge dessen eine Kündigung aussprechen, muss er den Beweis für den Alkoholkonsum führen. Zur Entlastung kann der Arbeitnehmer einen Alkoholtest durchführen, umgekehrt darf der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer jedoch nicht dazu verpflichten.

Bei einer Kündigung ist es von Relevanz, ob es sich bei dem Verhalten um Alkoholmissbrauch oder um eine Alkoholsucht handelt. Bei ersterem handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung, bei letzterem sind die Grundsätze der personenbedingten Kündigung wegen Krankheit zugrunde zu legen.

Alkoholmissbrauch – verhaltensbedingte Kündigungen

Alkoholmissbrauch bezeichnet einen von der Norm abweichenden Konsum, der einmalig oder wiederholt in übermäßiger Dosierung erfolgt. Darüber hinaus wird ein Missbrauch dann angenommen, wenn der Konsum zu körperlichen, seelischen und/oder sozialen Schäden führt.

Treffen diese Eigenschaften auf den Arbeitnehmer zu, so ist eine verhaltensbedingte Kündigung möglich, sofern alle Voraussetzungen dazu erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine examensrelevante Fragestellung. Zunächst ist eine Arbeitspflichtverletzung in Form von Alkoholmissbrauch nötig. Die Pflichtverletzung muss dem Arbeitnehmer vorgeworfen werden können – das wird stets vermutet. Kann der Arbeitnehmer eine Rechtfertigung für das Verhalten beweisen, so muss der Arbeitgeber den Beweis entkräften. Der Arbeitgeber muss zudem seinen Arbeitnehmer abmahnen und ihm die Chance geben, sein Verhalten zu ändern (bei sehr schweren Fällen ist eine Mahnung uU. entbehrlich – dann ist aber meist auch eine außerordentliche Kündigung möglich). Zuletzt erfolgt eine Interessensabwägung, die alle relevanten Aspekte miteinbeziehen muss. Besonders wichtig sind dabei bspw. die Wiederholungsgefahr, die bisherige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, der angerichtete Schaden und auch betrieblich nachteilige Auswirkungen.

Alkoholsucht – personenbedingte Kündigungen

Eine Alkoholsucht liegt dagegen vor, wenn ein starker, bis hin zu übermächtigem Drang zum Alkoholkonsum besteht, eine Toleranzentwicklung erkennen lässt und Entzugssymptome auftauchen. Bei einer Sucht gewinnt der Konsum an immer mehr Bedeutung und Funktionen in verschiedenen Lebenslagen und kann trotz bereits aufgetretener Schäden nicht bzw. nur schwer minimiert werden. Die Sucht ist eine krankhafte Abhängigkeit von einem bestimmten Genussmittel und muss dementsprechend auch als Krankheit behandelt werden.

Bei der personenbedingten Kündigung basiert die Kündigung auf Tatsachen, die außerhalb des Einflussbereichs des Arbeitnehmers liegen. Das BAG hat dafür die sog. „Dreistufenprüfung“ entwickelt: zunächst bedarf es einer negativen Zukunftsprognose, hinzu müssen erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen vorliegen und zuletzt wieder eine Interessenabwägung durchgeführt werden. Eine negative Zukunftsprognose liegt ua. dann vor, wenn sich der Zustand der Sucht stetig verschlechtert, oder eine Therapie zum Entzug nicht versucht wird. Eine erhebliche Beeinträchtigung sind solche, die den Arbeitgeber negativ beeinflussen. Bei der Interessensabwägung sind wie bei der verhaltensbedingten Kündigung alle relevanten Aspekte miteinzubeziehen (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.07.2019, Az. 15 Sa 2498/18).

Alkoholkonsum und Schutzgesetze

Um gar nicht in die Bredouille zu kommen, gekündigt zu werden, sollte man sich unsere Schutzgesetze ansehen und untersuchen, ob evtl. sogar noch Verbesserungsmaßnahmen sinnvoll wären.

Doch welche Schutzgesetze sind hier gemeint? Hier gibt es vor allem das Jugendschutzgesetz, das StGB, das Gaststättengesetz und einige landesspezifische Schulordnungen. Nach kurzer Recherche lässt sich feststellen, dass hauptsächlich zunächst die Jugend geschützt werden soll. Das ist sehr sinnvoll und wichtig, da Alkohol nachweislich unsere Nerven und Gehirnentwicklung beeinflussen kann. Die Abgabe an Kinder/Jugendliche ist grds. verboten. Ab 14 Jahren gibt es bereits Lockerungen, wenn Erziehungsberechtigte dabei sind, und ab 16 dürfen Jugendliche Bier, Wein, Sekt und deren Mischgetränkte konsumieren.

Ein anderes besonders wichtiges Rechtsgut, das geschützt wird, ist der Straßenverkehr. Daher gibt es bestimmte Promillegrenzen, ab wann man ein Fahrzeug/Fahrrad/E-Scooter und co. nicht mehr bedienen darf. Der Gesetzgeber hat eigens dafür den § 316 StGB geschaffen, der ein abstraktes Gefährdungsdelikt darstellt. Auch die Straßenverkehrsdelikte, die nicht nur den Straßenverkehr, sondern auch die Unverletzlichkeit der Person im Blick haben, haben eine besondere Bedeutung. Trotz möglicher Strafandrohung scheint es manchmal nicht genug zu sein, denn es fallen rund 5% der Verkehrsunfälle mit Personenschaden auf Alkohol zurück.

Der Gesetzgeber hat also richtigerweise die Gefahr erkannt, die durch Alkoholkonsum entstehen kann. Doch reicht diese Gesetzgebung aus, um das grundlegende Problem in den Griff zu bekommen?

Die WHO sieht jedenfalls dringenden Handlungsbedarf in der Alkoholprävention. Und auch der Bundestag hat dies verstanden. Zuletzt wurde im Juni 2021 über ein Webeverbot für alkoholische Getränke diskutiert. Dabei kam man zu dem Schluss, dass sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Berufsfreiheit tangiert werden könnten. Im Ergebnis wären weitergehende Werbeverbote nicht verhältnismäßig, da vor allem die erwünschte Verhaltensänderung nicht vorausgesagt werden kann. Etwas anderes gelte allerdings für den Jugendschutz, die bestehenden Regelkataloge könnten noch ausgeweitet werden.

Ob und wie viel Alkohol man konsumiert, ist einem also selbst überlassen. Wer seine Arbeitsstelle (und seine Gesundheit) liebt, sollte sich durchaus Gedanken über seinen Konsum machen. Zwar ist das deutsche Arbeitsrecht sehr arbeitnehmerfreundlich, doch der Schutz ist nicht grenzenlos.


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