Reiserecht: Karibik-Kreuzfahrt mit Blasmusik?

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Der Traum vieler Urlauber:innen: eine Karibik-Kreuzfahrt. Sonne, Meer und Cocktails. So zumindest die Vorstellung. Was man auf einem Schiff in der Karibik eher nicht erwartet: Blasmusik!

Die Kläger buchten bei einem Reisebüro eine 16-tägige Karibik-Kreuzfahrt auf der „schwimmende[n] Lady aus Griechenland“ inklusive dreitägigem Aufenthalt in New York. Das Reisebüro versprach „alle Annehmlichkeiten, die ein komfortables Kreuzfahrtschiff auszeichnen“ mit verschiedenen Bars, Clubraum, Bibliothek, Kartenspielzimmer, Salon, Casino, mehreren Pools und vielem mehr. Im Werbeprospekt hieß es unter anderem: „Auf der anderen Seite des Athens-Decks liegt der Mayfair-Salon: Hier finden die Abendprogramme statt. Folklore, Tanz, Mi[ss]wahl und Kostümfest – jeden Tag was anderes.“ Gelesen, gebucht!

Doch vor Ort der Schock: Bei Ankunft an Bord stellte sich heraus, dass von den rund 560 Passagieren des Schiffes 500 auf eine schweizer Reisegruppe entfielen, deren Reise von einem schweizerischen Folkloreverein veranstaltet wurde. Entsprechend einer Anweisung der Reederei übernahm der Folkloreverein die Gestaltung des Unterhaltungsprogrammes auf dem Schiff. Dazu gehörte auch eine Schrammelgruppen und eine Blaskapelle. Die Urlauber:innen schipperten also durch die Karibik und hörten dabei zwangsläufig Blasmusik.

Bordprogramm des Schreckens!

Doch es kam noch schlimmer: Die Folkloreeinsätze fanden nicht nur in den Sälen und Bars, sondern auch im Freien statt, z. B. an Deck und am Schwimmbad. Und auch die Borddurchsagen über Lautsprecher in den einzelnen Kabinen erfolgten zumindest teilweise in “Schwyzer Dütsch”. Im Urteil findet sich dieses beispielhafte Tagesprogramm des Schreckens:

9.30 Uhr Trachtentanz in der Galaxi Disco auf dem Sun Deck
10.00 Uhr Kapelle E beim Schwimmbad
10.30 Uhr Folklorechoerli in der Galaxi Disco auf dem Sun-Deck vorne
20.15 Uhr Rassige Unterhaltung mit Dorfspatzen Oberaegeri beim Schwimmbad auf dem Jerusalem Deck, hinten
20.15 Uhr Tanz mit der Kapelle E im Mayfair Ballsaal auf dem Athens Deck, hinten
22.00 Uhr Kapelle H M in der Rendez Vous Bar
22.00 Uhr Gemütlicher Folkloreabend im Mayfair Ballsaal auf dem Athens Deck

Die deutsche Reisegruppe von ca. 60 Personen fühlte sich dementsprechend durch das Überangebot der Schweizer Folklore „beeinträchtigt“. Doch trotz Beschwerde wurde vor Ort keine Abhilfe geschafft. Die Kläger:innen verlangten deswegen Minderung des Reisepreises in Höhe von 50 Prozent. Das Amtsgericht Frankfurt a.M. sprach ihnen jeweils rund 1.400 Euro zu, was 35 Prozent des Reisepreises entsprach. Dem schloss sich die Berufungsinstanz größtenteils an, erhöhte die Minderung jedoch auf 40 Prozent.

Karibik-Motto Teil der Reise

In der weit überwiegenden Blasmusik auf einer Karibik-Kreuzfahrt sei ein Reisemangel zu sehen. Denn: „Bei einer Kreuzfahrt kann der Reisende nach der Verkehrssitte erwarten, da[ss] ein umfangreiches Unterhaltungsprogramm in Form von Tanzveranstaltungen, Shows, Unterhaltungsabenden und sonstigen Darbietungen angeboten wird.“

Und: „Bei einer Kreuzfahrt in die Karibik kann davon ausgegangen werden, da[ss] dieses Programm der Reiseroute angepa[ss]t ist, d.h. Palmen … und südamerikanische Rhythmen berücksichtigt. Nur so sind die Prospektangaben, die von Palmen, weißen Strand und südlicher Sonne sprechen, von den Reisenden zu verstehen.“

Damit seien die durchgeführten Folkloreveranstaltungen der Schweizer Gruppen nicht zu vereinbaren.


Entscheidung: LG Frankfurt a.M., Urt. v. 19.04.1993, Az. 2/24 S 341/92

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