Warum wir alle am 10. November vor der JuMiKo demonstrieren sollten

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“Anlässlich der Herbstkonferenz findet am 10. November 2023 die zweite Demonstration für eine bessere juristische Ausbildung vor dem Silent Green Kulturquartier in Berlin Mitte von 11 bis 15 Uhr statt.”

Die im Mai diesen Jahres veröffentlichten Ergebnisse der iur.reform-Studie zeigen, dass breite Einigkeit über den dringenden Reformbedarf der juristischen Ausbildung besteht. Sie zeigen auch auf, dass sich die verschiedenen Gruppen der juristischen Gemeinschaft (Personen in Ausbildung, Ausbildende sowie Praktiker:innen) hierüber einiger sind, als zunächst vermutet.

Bemerkbar wurde das vor allem bei der Demonstration vor der Frühjahrskonferenz der Justizminister:innen (JuMiKo) im Mai diesen Jahres, bei der das Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung e. V. gemeinsam mit dem Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF) e.V. und vielen weiteren Mitstreiter:innen seine Vorbehalte bezüglich der derzeitigen Ausbildungspraxis an die Verantwortlichen der Justizpolitik herangetragen hat.

Auch, wenn deutlich sichtbar wird, dass in Hochschulen, Parteien und den Justizministerien  mit Ernsthaftigkeit an diese Fragen gearbeitet wird, wird auf der anstehenden 94. Konferenz nunmehr ein deutlicher Fortschritt von den Justizminister:innen der Länder gefordert. Anlässlich der Herbstkonferenz findet daher am 10. November 2023 die zweite Demonstration für eine bessere juristische Ausbildung vor dem Silent Green Kulturquartier in Berlin Mitte von 11 bis 15 Uhr statt. Im Vordergrund steht auch dieses Mal die Verbesserung der Bedingungen der juristischen Ausbildung durch schnell umsetzbare Maßnahmen sowie die grundlegende Reform der juristischen Ausbildung unter Beteiligung verschiedener Stimmen. Nur so können wir wegkommen von der kritischen Stressbelastung derjenigen in der juristischen Ausbildung. Unterstützt wird die Demonstration durch wertvolle Beiträge von Rednerinnen und Rednern aus der juristischen Welt.

Erfolge der vergangenen Monate

Allein an den Bewegungen der letzten Monate kann man sehen, dass die Bereitschaft zur Reform und Veränderung lange nicht mehr so stark war wie jetzt gerade. Rheinland-Pfalz führt mit der Reform der Ausbildungsgesetze gerade den integrierten Bachelor und die blinde Zweitkorrektur ein. Der alte und nach aller Wahrscheinlichkeit neue hessische Justizminister Roman Poseck forderte zuletzt lautstark die Einführung des integrierten Bachelors an allen hessischen Fakultäten. In Sachsen arbeitet man an der Einführung. An der Universität des Saarlandes kann man seit diesem Semester bereits ECTS-Punkte für den Bachelor-Abschluss sammeln und im nordrhein-westfälischen Landtag versprach die Landesregierung einen Gesetzesentwurf bis Ende des Jahres vorzulegen. In Niedersachsen haben alle drei juristischen Fakultäten das Justizministerium aufgefordert, die notwendigen Gesetze mit dem Wissenschaftsministerium abzustimmen und vorzuschlagen.

Gerade in Bezug auf die Arbeit an der Einführung des integrierten Bachelors kann man eines gut ablesen: Für eine umfassende Reform des Studiums (der LL.B. ist hier Teil des Studiums und nicht Teil des Examens) müssen die Justizministerien und Justizprüfungsämter verstärkt mit den Wissenschaftsministerien zusammenarbeiten. Denn für die Vorgaben für das Studium – wie z.B. unter welchen Voraussetzungen ein Bachelor verliehen werden kann – sind die Wissenschaftsministerien und nicht die Justizministerien zuständig. Diese doppelte Zuständigkeit ist eine weitere Besonderheit der juristischen Ausbildung, die die Zahl der zu überzeugenden Akteur:innen summiert. Zugleich haben die Justizministerien und Justizprüfungsämter viel zu tun: Fast alle haben öffentlich versprochen, dass bis 2026 das E-Examen im zweiten Staatsexamen eingeführt wird und die zeitnahe Einführung im ersten Examen angekündigt.

Dass hier mehr Energie da ist, als je zuvor, merken wir auch an den Gesprächen, die wir führen, und den Einladungen, die wir erhalten. Wir wurden gemeinsam mit dem BRF zur Sitzung des Koordinierungsausschusses der JuMiKo, dem höchsten Arbeitsgremium zur juristischen Ausbildung, eingeladen. Wir werden zu Anhörungen in Landtagen eingeladen, führen positive und nach vorne, auf eine bessere Ausbildung, gerichtete Gespräche mit allen demokratischen Parteien und merken, dass der Veränderungswunsch oft größer ist, als die langsamen Reformen der letzten Jahre zeigen. Und die Fragen nach einer besseren juristischen Ausbildung sind nicht leicht zu beantworten. Doch wir machen uns gemeinsam mit so vielen verschiedenen interessierten Juristinnen und Juristen in jeder neuen Podiumsdiskussion, jeder neuen Podcastaufnahme und jeder (kritischen) Erwähnung in wissenschaftlichen Beiträgen auf den Weg den nötigen Antworten für eine bessere juristische Ausbildung in der Zukunft näher zu kommen.

Viel Einigkeit, viel zu tun

Die iur.reform-Studie soll als Anstoß dienen für einen umfassenden Beteiligungspro­zess all jener, die an einer Reform der juristischen Ausbildung interessiert sind. Einen solchen Prozess gab es schon einmal: die Akademie Loc­cum. Reforminteressierte kamen nach den 68er-Protesten zusammen, um über die Veränderung und Weiterentwicklung der juristischen Ausbildung zu diskutieren. Dies kann als Vorbild dienen für die heutige Diskussion, wie unsere Vision für eine für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnete juristische Ausbildung aussehen sollte. Das Ergebnis der Akademie Loccum war die Einführung der einstufigen Juristenausbildung (sic!) für 15 Jahre auf Grundlage der für diesen Zweck eingeführten Experimentierklausel des § 5 b DRiG. Was das Ergebnis einer neuen Konferenz Loccum 2.0. wäre, ist noch offen. Denn die Vision einer neuen juristischen Ausbildung lässt sich nur gemeinsam, unter Einbeziehung aller betroffenen Gruppen, entwickeln.

Das Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung hat zwei Umsetzungsstrategien, nämlich „groß“ und „klein“, entwickelt. In der kleinen Lösung werden Expert:innengruppen einberufen, die unter paritätischer Vertretung von Personen aus allen Akteursgruppen, die von der juristischen Ausbildung betroffen sind, Maßnahmen zur grundlegenden Reform der juristischen Ausbildung er­arbeiten. Die große Lösung strebt einen Stakeholder-Prozess unter Einbindung einer Vielzahl verschiedenster Akteurinnen und Akteure an. Dies beinhaltet u.a. die Koordination der Stakeholder durch eine Gruppe von Staatssekretär:innen, öffentliche Ausschreibungen für eine geordnete Prozessorganisation und -evaluation sowie die Auswahl von Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen Kreisen, einschließlich Studierenden, Praktikerinnen und Praktikern, juristischen Vereinigungen und Personen, die die juristische Ausbildung endgültig nicht abgeschlossen haben. Das ultimative Ziel besteht darin, über einen längeren Zeitraum hinweg eine gemeinsame Vision für ein neues juristisches Aus­bildungssystem in Deutschland zu entwickeln. (Weitere Informationen zu den Umsetzungsstrategien „klein“ und „groß“ sind in der iur.reform-Studie S. 749ff. zu finden oder auf www.iurreform.de)

Veränderungsbereitschaft gegeben

Eine Veränderungsbereitschaft ist längst nicht mehr Herzensangelegenheit einer kleinen Minderheit. Denn bei 10 der 43 abgefragten Thesen spricht sich eine absolute Mehrheit aus allen Gruppen für eine Veränderung aus. Bei 25 von 43 Thesen sind es zwei von drei Gruppen, die mit absoluter Mehrheit für eine Veränderung plädieren. Es wäre verfehlt anzunehmen, dass es Anhängerinnen und Anhängern von iur.reform darum ginge, die juristische Ausbildung “leichter” zu machen. Es geht darum, die juristische Ausbildung besser darin zu machen, ihr Ziel zu erreichen: gute Juristinnen und Juristen für eine bessere Zukunft auszubilden. Für einen starken Rechtsstaat und für eine starke Demokratie.

Die mit absoluter Mehrheit befürworteten sechs Thesen, die zusätzlich noch innerhalb weniger Monate umsetzbar wären, sind folgende:
(in Ausbildung/ Praktiker:innen/ Ausbildende)

  1. Unabhängige Zweitkorrektur der schriftlichen Examensprüfungen (90%/86%/52%)
  2. Neuer Lerninhalte nur bei Streichung von Bestehenden (78%/58%/55%)
  3. Einführung des E-Examens (76%/68%/59%)
  4. Zulassung anderer Prüfungs- und Unterrichtsformen neben Klausur und Vorlesung (68%/68%/61%)
  5. Verbesserung des Betreuungsschlüssels an den Hochschulen (69%/63%/68%)
  6. Regelmäßiges Monitoring des Jurastudiums im Hinblick auf etwaigen Reformbedarf (82%/50%/70%)

Hohe Zustimmung erhielten:

  1. Integrierter Bachelor (80,6%/ 52,4%/ 43%)
  2. Bundesweites Abschichten (75%/57,5%/40%)
  3. Argumentieren abseits der Lösungsskizze (82,8%/72,4%/59,8%)
  4. Ausbildung emotional entlasten (84,4%/63,6%/48,9%)
  5. Verwendung von Handkommentaren im ersten Examen (62,2%/53,9%/37,3%)
  6. Einbeziehung der Studienleistung in die Examensnote (65,3%/56,7%/35,9%)
  7. Weniger umfangreiche Klausuren (69,6%/50,5%/34,3%)
  8. Kongruenz zwischen Inhalten im Studium und dem ersten Examen (70,5%/65,8%/47,9%)
  9. Diversere Besetzung der Prüfungskommission (65,6%/55,3%/45,9%)
  10. Regelstudienzeit gleichsetzen mit der Durchschnittsstudienzeit (76,5%/59,3%/39,8%)
  11. Digitalisierung von Vorlesungen und Seminaren (66,1%/57,9%/26,1%)
  12. Softskills stärken (73,6%/66,2%/48,4%)
  13. Wissenschaftliche Ausrichtung des Studiums (56,4%/40,8%/52,6%)
  14. Unirepetitorium stärken (87,3%/85,7%/78,5%)
  15. Rechtsdidaktik stärken (75,6%/70,5%/53,4%)
  16. Reduzierung des Prüfungsstoffs (76,6%/50,7%/37,4%)
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