AGG-Hopping: angehender Wirtschaftsjurist will Sekretärin werden

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Ein Wirtschaftsjurist im siebten Semester hielt sich wohl für besonders gewieft, als er meinte eine zuverlässige Einnahmequelle für sich entdeckt zu haben. Er betrieb das sogenannte AGG-Hopping. AGG steht hier für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Der Begriff beschreibt grob zusammengefasst Personen, die davon leben, diskriminiert zu werden. Sie bewerben sich auf Stellenanzeigen, um den Job nicht zu bekommen. Die Bewerber:innen zielen darauf ab unter diskriminierenden Umständen abgelehnt zu werden und anschließend gegen den potenziellen Arbeitgebenden auf Entschädigung zu klagen.

Sekretärin gesucht

Die von dem jungen Herrn ins Auge gefassten Unternehmen suchten in ihren Stellenausschreibungen stets explizit eine „Sekretärin“. Weil die Jobs somit nur für das weibliche Geschlecht ausgeschrieben waren, stellt dies nach § 1 AGG eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Und Stellenausschreibungen müssen diskriminierungsfrei gestaltet sein, § 11 AGG. Deshalb sehen die Gesuche meistens bspw. so „Sekretär:in (all genders)“ oder so „Sekräterin (w/m/d)“ aus.

Klagender Student beschäftigt Arbeitsgerichte

Auch im vorliegenden Fall trudelten mehrere Absagen ein, die regelmäßig darauf hinwiesen, dass ausschließlich eine „Sekretärin“ gesucht werde. Dies zum Anlass genommen, klagte der Student Entschädigungen vor den zuständigen Arbeitsgerichten ein, § 15 AGG. Immerhin können so bis zu drei Monatsgehältern zugesprochen werden. Zu Beginn seiner Bewerbungs- bzw. Klagephase konnte er jedenfalls einen Erfolg verzeichnen. Das LAG Schleswig-Holstein änderte das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn (ArbG Elmshorn,16.12.2021 – 4 Ca 592 a/21) ab und sprach dem Kläger doch eine Entschädigung in Höhe von 7.800 Euro zu (Urt. v. 21.06.2022 – 2 Sa 21/22).

Es folgten weitere Klagen. Meistens bewarb sich der Kläger auf Annoncen bei ebay Kleinanzeigen, die eine „Sekretärin“, „Pfiffige Büromanagerin/Sekretärin“ oder „Bürokauffrau“ suchten. Seinen Anschreibe lagen keine weiteren Dokumente bei, wie beispielsweise ein Lebenslauf. Die Bewerbungen erfolgten grundsätzlich über die Chatfunktion bei – nunmehr – Kleinanzeigen. Versehen waren die knappen Texte zu Beginn seines Treibens oftmals mit einer herausstechenden Frage:

„Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau?“

In einer Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin wertete dieses die Frage als provozierendes Verhalten, welche der Kläger in späteren Bewerbungen (deshalb) nicht mehr stellte. Er habe sein Verhalten angepasst, um den Verdacht des Rechtsmissbrauchs zu vermeiden.

Rechtsmissbräuchliches Vorgehen

Auf seine Bewerbung bei einem Unternehmen, das eine „Bürokauffrau/Sekretärin“ suchte, bekam er keine Rückmeldung. Die Stelle wurde mit einer Frau besetzt. Dies veranlasste ihn vor dem ArbG Dortmund auf Entschädigung zu klagen, wegen der Diskriminierung als Mann. Das Arbeitsgericht wies seine Klage als unbegründet zurück. Dem Entschädigungsverlangen stünde der Einwand des Rechtsmissbrauchs, § 242 BGB, entgegen. Seitens des Klägers läge ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen vor, dass ausschließlich zur Erlangung eines Entschädigungsanspruchs verfolgt werde. Dass der Kläger eine Art Geschäftsmodell aus seinen Anti-Diskriminierungsklagen gemacht hat, kam während des Prozesses an’s Licht. Allein vor dem ArbG Berlin reichte er innerhalb von 15 Monaten elf Klagen ein.

Das LAG Hamm (Urt. v. 05.12.2023 – 6 Sa 896/23) setzte dem Treiben des AGG-Hoppers auch hier ein Ende und bestätigte das Urteil des ArbG Dortmund (Urt. v. 07.07.2023 – 10 Ca 640/23). Ihm stehe kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Das Gericht untermauerte die Begründung des ArbG Dortmund.

„Auf Basis des gesamten Akteninhalts ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger systematisch und zielgerichtet vorgeht, um sich einen auskömmlichen Gewinn durch Entschädigungsansprüche “zu erarbeiten”, ohne dass er ein Interesse an der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle gehabt hätte.“

Schaut Euch thematisch passend auch nochmal den Jurios-Artikel aus dem Jahr 2022 an.


Entscheidung: LAG Hamm, Urt. v. 05.12.2023 – 6 Sa 896/23

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