Die Corona-Pandemie ist eher selten ein Grund zum Lachen. Den Gerichten beschert das Virus und unser Umgang mit den Corona-Maßnahmen aber immer wieder herrlich kuriose Entscheidungen. So auch dem Arbeitsgericht Köln. Die Richter:innen mussten sich mit der Kündigung einer Justiziarin beschäftigen, die ihren Schreibtischstuhl ungefragt mit ins Homeoffice genommen hatte….
Und es war nicht irgendeine Juristin. Sondern die Justiziarin des Erzbistums Köln. Und das machte den Fall noch interessanter. Rainer Maria Woelki ist Kirchenexpert:innen ein Begriff. Der 1956 geborene Geistliche ist seit 2014 Erzbischof von Köln. Aufsehen erregte Woelki als er 2018 ein Rechtsgutachten zu sexualisierter Gewalt in seinem Bistum in Auftrag gab. Im Oktober 2020 weigerte sich der Geistliche jedoch das Gutachten zu veröffentlichen. Angeblich weise es Mängel auf. Seitdem fordern viele Kirchenvertreter:innen seinen Rücktritt. Papst Franziskus entschied 2021 schließlich, dass Woelki sein Amt behalten dürfe. Er muss sich allerdings eine “geistliche Auszeit” nehmen.
Juristin klagt gegen Kündigung
Aber zurück zu unserem Fall. In diesem geht es nicht um Woelki, sondern um dessen Justiziarin, die seit 2008 beim Erzbistum Köln beschäftigt war. Die Juristin hatte im Juli 2021 eine außerordentliche Kündigung erhalten, weil sie zu Beginn der Corona-Pandemie ihren rückenschonenden Bürostuhl mit nach Hause genommen hatte. Gegen diese Kündigung klagte die Justiziarin vor dem Arbeitsgericht Köln. Zudem verlangte sie ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000€. Und hier wird das Oben gesagte relevant. Die Justiziarin gab in ihrer Klage an, sie habe jahrelang Akten über Fälle des sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester durcharbeiten müssen.
Und was sagt das Erzbistum dazu? Dessen Anwalt argumentierte vor Gericht, dass die Mitnahme des Schreibtischstuhls illegal gewesen sei. Keiner der Angestellten habe die Erlaubnis erhalten, seinen Bürostuhl mit nach Hause zu nehmen. Außerdem habe es sich bei dem Stuhl der Justiziarin um einen “Gegenstand von durchaus erheblichem Wert” gehandelt. Die Richter:innen ließen sich von dieser Argumentation jedoch nicht überzeugen. Sie gaben der Kündigungsschutzklage statt.
Bistum stellte keine Homeoffice-Ausstattung zur Verfügung
Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung sei ein “wichtiger Grund” iSd. § 626 I BGB. Dieser könne grundsätzlich in einer erheblichen Pflichtverletzung der Arbeitnehmer:innen gesehen werden. Das ungefragte Mitnehmen des Bürostuhls begründe auch eine derartige Pflichtverletzung. Im konkreten Fall reiche das Verhalten der Justiziarin aber nicht aus, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Denn diese Stelle immer das “ultima ratio” dar. Das Erzbistum habe die Arbeit im Homeoffice selbst angeordnet. Die dafür notwendige Ausstattung sei allerdings nicht zur Verfügung gestellt worden. Eine Abwägung im Einzelfall spreche hier deswegen gegen eine außerordentliche Kündigung.
Und was wurde aus der Schmerzensgeldforderung? Als Anspruchsgrundlage machte die Justiziarin §§ 280 I, 611a II, 241 II BGB geltend. Ihr Anwalt argumentierte, dass das Bistum seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei. Man hätte der Justiziarin Schulungen im Umgang mit Missbrauchsfällen anbieten müssen. Das sah das Gericht jedoch anders. Die Justiziarin habe nie um eine Schulung gebeten. Sie sei die Leiterin der Stabsabteilung Recht und “je höher eine Position angesiedelt ist, desto mehr Eigeninitiative, Selbstverantwortung erwartet man.” Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle sei notwendig gewesen und die damit verbundenen Belastungen für die Justiziarin unvermeidbar, so die Richter:innen.
Entscheidung: ArbG Köln, Urt. v. 18.01.2022, Az. 16 Ca 4198/21
Pressemitteilung: https://www.justiz.nrw/