Tätowieren Eltern ihr minderjähriges Kind, können sie sich unter Umständen wegen Körperverletzung strafbar machen. Eine gefährliche Körperverletzung lehnte das Oberlandesgericht Hamm im vorliegenden Fall aber ab.
Nach den Feststellungen des Landgerichts Detmold stach eine Mutter ihrer damals 14-jährigen Tochter im Jahr 2019 eine Tätowierung am rechten Unterarm. Die Frau hatte das gemeinsame Sorgerecht für ihre Tochter zusammen mit dem Kindesvater. Jedoch war das Jugendamt für die Bereiche Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht als Ergänzungspfleger bestellt. Weder der Vater noch das Jugendamt hatten der Tätowierung zugestimmt.
Das LG Detmold verurteile die Kindesmutter aufgrund dessen wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 StGB zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten. Es sah in dem Tätowiergerät ein gefährliches Werkzeug. Insgesamt läge aber nur ein minder schwer Fall vor. Gegen dieses Urteil legte die Mutter Revision zum OLG Hamm ein.
Es kommt auf konkrete Verwendung im Einzelfall an
Das OLG Hamm bestätigte die Verurteilung wegen einer einfachen Körperverletzung, lehnte das Vorliegen eines gefährliches Werkzeuges aber ab. Und an dieser Stelle wird die Entscheidung höchst examensrelevant. Ein gefährliches Werkzeug ist ein solches, das “nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen”. Ein Tätowiergerät könne laut OLG Hamm zwar ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 I Nr. 2 StGB sein. Es komme dabei aber auf die “konkrete Verwendung” an. Es müsse nach der konkreten Art der Verwendung die Eignung bestehen, die Funktionen oder das Erscheinungsbild des Körpers so einschneidend zu beeinträchtigen, dass der oder die Verletzte schwer getroffen ist und beträchtlich darunter zu leiden hat.
Dazu führt das Gericht aus: “Eine Tätowierung kann nach den heute gesellschaftlich allgemein vorherrschenden Vorstellungen nicht an sich schon als erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes in dem o.g. Sinne angesehen werden. Auch der Vorgang des Tätowierens begründet nicht an sich schon ein erhebliches Leiden. Allerdings erscheint eine Eignung zum Hervorrufen erheblicher Verletzungen denkbar, etwa wenn das Tätowiergerät nicht hinreichend desinfiziert wurde und es deswegen zu schwerwiegenden Entzündungen kommt oder wenn sie in der Hand eines Ungeübten falsch verwendet wird […]”
Vorliegend sei die Mutter zwar keine gelernte Tätowiererin, hatte aber bei sich selbst bereits mehrere Tätowierungen angebracht. Außerdem sei ihr die Infektionsgefahr bei mangelnder Hygiene bewusst. Dies sei gerade der Grund, warum sie selbst die Tätowierung bei ihrer Tochter vornehmen wollte. Für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung hätte das Gericht hier deswegen noch weitere Feststellungen treffen müssen.
Fundstelle: OLG Hamm, Beschl. v. 02.09.2021, Az. 4 RVs 84/21