Gibt es irgendjemanden, der den diesjährigen Skandal zu den Oscars nicht mitbekommen hat? Will Smith (Willard Carrol „Will“ Smith Jr.) ohrfeigte Chris Rock (Christopher „Chris“ Julius Rock III) auf offener Bühne als Reaktion auf dessen geschmacklosen Witz auf Kosten von Jada Koren Pinkett Smith. Dazu muss man wissen: Pinkett Smith leidet unter Alopecia totalis, also krankhaftem Haarausfall und hat deswegen eine Glatze.
Man mag zur Handlung von Will Smith unterschiedlich stehen. Von der rein rechtlichen Sicht, was die Ohrfeige an sich einschließt, könnten wir uns in Deutschland wie auch in den USA im Bereich der Körperverletzung gem. § 223 I StGB, (oder bodily harm) wiederfinden. Im deutschen Recht ist in manchen Fällen auch die Beleidigung nach § 185 StGB ein möglicher Anlaufpunkt, da es sich bei einer Ohrfeige um eine missachtende, tätliche Beleidigung handeln kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich natürlich auch bei der Ehre um ein geschütztes Rechtsgut handelt. Ebenso kommen in Deutschland zivilrechtliche Maßnahmen in Betracht. Zuvorderst wäre hier §§ 823, 253 II BGB zu nennen, da auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht abwegig ist. Doch abseits der reinen, rechtlichen Bewertung der einen Seite, wollen wir hier in diesem Artikel einen anderen Weg einschlagen und die Perspektive von Chris Rock als ausschlaggebenden Punkt einnehmen. Es stellt sich nämlich die altbekannte Frage, was das Ziel des Spottes sein darf bzw. was bei Satire alles erlaubt ist?
Für alle, die doch verpasst haben, was Sache ist. Die komplette Szene inklusive einer detaillierteren Beschreibung zum Vorfall findet Ihr hier:
Satire ist Satire / Beleidigung ist Beleidigung
So klar die Unterscheidung auch scheint, so schwer ist sie zu handhaben. Das umstrittene Gedicht (“Ziegenficker”) von Jan Böhmermann an Erdogan, den Präsidenten der Türkei, aus dem Jahr 2016 reichte der Staatsanwaltschaft beispielsweise nicht, um eine Anklage zu erheben. Wie sieht es aber aus mit der Bezeichnung „wunderbarer Neger“ gegen einen Musiker? Ist das eine Herabwürdigung bzw. Beleidigung oder ist das für Außenstehende derart überspitzt formuliert, dass eine negative Konnotation nicht ersichtlich ist? Auf diese unschöne Äußerung vom damaligen bayerischen Innenminister Joachim Herrmann gegen Roberto Zerquera Blanco schwieg dieser zunächst. Tage später ließ er Herrn Herrmann über seinen Anwalt das Kompliment „wunderbares Inzuchtsprodukt“ zukommen. Dieses Kompliment zog insoweit keine Konsequenzen nach sich, da in öffentlichen Konfrontationen über gesellschaftliche Fragen grundsätzlich schärfere Reaktionen von der „angegriffenen Seite“ hinzunehmen sind.
Wie sieht es jedoch aus, wenn eine Einzeläußerung nicht das Einzige ist, das eine Herabwürdigung beinhaltet, sondern sich die gesamte Arbeit um diese aufbaut? Gemeint ist selbstverständlich das Musikgenre des „Gangsterraps“. In diesem Genre wird z.B. das Ableben unliebsamer Personen, eine Vergewaltigung oder das Auflauern angekündigt. Darf man das? Allein der Umstand, dass nicht jedes Musikstück, das solche Texte zum Gegenstand hat, auf dem Index landet, signalisiert bereits, dass es möglich sein muss. Andererseits sind die Rechte der Betroffenen entsprechend abzuwägen. Fühlt sich beispielsweise eine Person von einem Musikstück angegriffen, besteht ein Potpourri aus möglichen Rechtsfolgen.
Es kann:
- …Strafantrag gegen die Künstler:innen gestellt werden
- …ein Antrag auf Verbreitungsstopp des Musikstücks kann erwirkt werden (was monetär den/die Künstler:in am deutlichsten trifft)
- …eine Gegendarstellung kann erwirkt werden.
Dies sind jedoch nur drei mögliche Aspekte.
Examensrelevant, aber auch praxisrelevant!
Was wollen wir Euch damit sagen? Beschäftigt Euch mit der Materie! Gerade Jurastudierenden rufen wir zu, dass sie sich mit dem Bereich Spott/Satire beschäftigen sollten. Zum einen liegt das daran, dass man für das Thema immens sensibilisiert wird. Dies führt dazu, dass man in der Klausur daran denkt, neben den Kunstbegriffen auch die Beleidigung abzugrenzen und dieses gesamte Konstrukt mit Rechten Dritter abwägt.
Zum anderen können sich über die Musik adäquate Merkhilfen für das Lernen ergeben. Ist die Aussage „let’s start a riot“ von Three Days Grace eventuell ein Versammlungsaufruf? Welche Arten der Herrschaft über Dinge gibt es? „Die Straßen sind mein, auch ohne Grundbucheintrag“ von Bushido. Und wann darf man sich eigentlich selbst vor Gericht vertreten? „Wir sehen uns vor Gericht“ von Alligatoah.
Tränenreiche Entschuldigung als Nachtatverhalten
Will Smith hat sich bereits bei der Entgegennahme seines Oscars unter Tränen für sein Benehmen entschuldigt. Auch in den darauffolgenden Tagen kam von ihm eine Stellungnahme in den sozialen Netzwerken. In Deutschland würde man insoweit von Nachtatverhalten sprechen. Warum?
Im ersten Absatz hieß es, dass es sich bei der persönlichen Ehre um ein Rechtsgut handelt. Bedeutet das nicht, dass dieses auch dem Notwehr-/Notstandsrecht grundsätzlich zugänglich ist? Ja, das heißt es. Wie ist aber die konkrete Konstellation? Die Entäußerung als Tathandlung war bereits abgeschlossen. Insoweit kann (nach deutschen Maßstäben) auch nicht gesagt werden, dass die Ohrfeige durch die Äußerung von Chris Rock gerechtfertigt oder entschuldigt werden könnte, weil die in Rede stehende Handlung bereits abgeschlossen war. Es scheitert mithin jedenfalls an dem Prüfungspunkt des „gegenwärtigen“, rechtswidrigen Angriffs. Selbst wenn man insoweit von einem nicht abgeschlossenen Vorgang ausgeht, kommt für einen Bühnenprofi wie Will Smith ein Umstand erschwerend hinzu. Smith hätte wissen müssen, dass er mit einigen derben Witzen sowohl gegen sich als auch nahe Angehörige rechnen musste.
Das „Roasting“ gehört zu solchen amerikanischen Events dazu. Insoweit kann es für ihn als Glück bezeichnet werden, dass Chris Rock bereits signalisiert hat, auf eine Anzeige verzichten zu wollen. Abseits der Rechtslage dürfte Chris Rock selbst klar sein, dass ein Witz auf Kosten einer erkrankten Frau zu einer Reaktion des Ehemannes führen könnte, so dass womöglich sein Moralverständnis gegen einen Strafantrag spricht.
Wie nun die geneigten Leser:innen wohl gemerkt haben, ging es in dem Aufsatz vor allem um die rechtliche Bewertung. Wenn es um die moralische Komponente geht, ist unser Standpunkt klar: Der Einsatz von Gewalt ist in nur ganz bestimmten Fällen adäquat (z.B. im Bereich der Notwehr). Da es sich hier nicht um eine Notwehrsituation handelte, war die Reaktion seitens Smith ein falsches Zeichen für viele seiner Fans, vor allem für das jüngere Publikum. Eine energische, mündliche Reaktion seinerseits hätte eine ebenso gravierende Reaktion darstellen können.
Interesse an weiteren Artikeln über Hollywood und die Reichen und Berühmten? Wie wäre es mit unserem Artikel: “7 Prominente, von denen du nicht gedacht hättest, dass sie Jura studiert haben…” Und wusstest Du schon, dass sich Angelina Jolie in ihrem Scheidungsverfahren von Hollywoods “Pitbull-Anwältin” vertreten lassen hat? Und welchen rechtlichen Beef hatte Johnny Depp nochmal mit der Sun?