Rezension: „Das Legal Design Buch“

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„Legal Design kann definiert werden als Design, das im Bereich des Rechts eingesetzt wird, um juristische Produkte, Dienstleistungen, Arbeit, Systeme, Geschäftsstrategien, Ökosysteme und Benutzererfahrungen zu transformieren.“ So heißt es in „Das Legal Design Buch“. Trotz der großen Relevanz für die Rechtsbranche beschäftigen sich Jurist:innen in Deutschland bisher nur am Rande mit dieser eher neueren Disziplin. Das Werk von Astrid Kohlmeier und Meera Klemola, das 2021 bei Wolters Kluwer erschien, will das ändern und liefert erste Erkenntnisse für Jurist:innen, die in das Thema Legal Design einsteigen möchten.

Denn wir bewegen uns längt in einer zunehmend digitalen Welt, in der auch Jurist:innen in ihrer Arbeitsweise schnell und dynamisch reagieren müssen. Dabei hinken Anwaltskanzleien, Behörden und Unternehmen in Deutschland bei der Digitalisierung noch deutlich hinterher. Viele Anwält:innen und Behördenleiter:innen weigern sich noch immer, mit den technologischen Errungenschaften unserer Zeit umzugehen. So gehören Jurist:innen zu den wenigen Berufszweigen, die noch immer mit einem Fax arbeiten. Die e-Akte bzw. das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) hat sich in den letzten Jahren eher zögerlich durchgesetzt und befindet sich technologisch noch in den Kinderschuhen.

Rezensionen

Anfängerfreundliche Darstellung in acht Kapiteln

Dabei sind Jurist:innen – egal in welcher Branche – vor allem eins: Dienstleister:innen. Und diese Dienstleistung muss verkauft werden. In Anwaltskanzleien äußert sich das durch das Erfordernis der Mandatenakquise, die von vielen Anwält:innen als lästiges Übel wahrgenommen wird. Dabei bieten Internet und neue Technologien heute so viele Möglichkeiten, mit potentieller Mandantschaft in Kontakt zu treten und deren Probleme schnell und unkompliziert elektronisch abzuwickeln.

Wie Legal Design uns hierbei helfen kann, das erklären die Autorinnen von „Das Legal Design Buch“ auf rund 350 Seiten. Dabei ist das Buch übersichtlich gestaltet, einfach verständlich und auch für Anfänger:innen, denen „Legal Design“ bisher ein Fremdwort ist, bestens geeignet.

Das Buch gliedert sich in acht übersichtliche Kapitel:

  1. Die zehn Legal Design-Prinzipien
  2. Was ist Legal design
  3. Warum brauchen wir Legal Design
  4. Legal Design – Schritt für Schritt
  5. Beispiele aus der Praxis
  6. Die Rolle der Legal Designerin
  7. Kundenerlebnisse oder Legal Experience
  8. Den Wert von Legal Design messen

Die zehn Legal Design Prinzipien

Im ersten Kapitel stellen die Autorinnen zehn Prinzipien vor, die es bedarf, um sich vollumfänglich auf das Thema Legal Design einzulassen. Das ist notwendig, denn Jurist:innen wird bereits im Studium ein bestimmtes Mindset antrainiert, das für Kreativität, Experimentierfreude und Forscherdrang eher hinderlich ist. So sind Jurist:innen darauf fixiert, Probleme aufzuspüren und zu hinterfragen, wieso etwas nicht funktioniert. Diese Probleme gilt es sodann aus der Welt zu schaffen. Es geht darum, möglichst keine Fehler zu machen und das Risiko so gering wie möglich zu halten. Traditionelles juristisches Denken ist also rein reaktiv. Das Problem: Dieses Mindset ist innovationsfeindlich. Neue, kreative, visionäre Ideen werden so im Keim erstickt.

Als weiteres Problem arbeiten die Autorinnen die Tatsache heraus, dass Jurist:innen an den Universitäten zu hochgebildeten Einzelkämpfer:innen getrimmt werden. Jurist:innen lernen weder, mit Kolleg:innen im Team zu arbeiten, noch wird ihnen bewusst, wie wertvoll die Zusammenarbeit mit Fachleuten aus anderen Disziplinen ist. Das führt dazu, dass Jurist:inenn im Beruf andere Expert:innen oft abwertend als „Nicht-Jurist:innen“ bezeichnen. Statt das Fachwissen und die Kompetenz anderer Disziplinen dankbar anzunehmen, verbauen sich Jurist:innen so selbst den Zugang zu innovativen Lösungen. Die Autor:innen plädieren deswegen dafür, interdisziplinäre, diverse Teams zu bilden und allen Meinungen in einer offenen, sicheren Arbeitsatmosphäre das gleiche Gewicht zukommen zu lassen. Ideen dürfen nicht alleine deswegen verworfen werden, weil sie von Nicht-Jurist:innen geäußert werden. Der Austausch muss in einer Arbeitsumgebung auf Augenhöhe erfolgen, in der sich alle Teammitglieder ermutigt fühlen, ihre Gedanken mitzuteilen.

Die zehn Legal Design Prinzipien lauten:

  1. Urteile Sie nicht sofort
  2. Scheitern Sie früh
  3. Seien Sie neugierig und kreativ
  4. Ändern Sie die Richtung rechtzeitig
  5. Behalten Sie gesteckte Ziele im Blick
  6. Arbeiten Sie mit fächerübergreifenden Teams
  7. Jede Meinung hat dasselbe Gewicht
  8. Holen Sie Kunden und Stakeholder ins Boot
  9. Machen Sie Ideen konkret und anfassbar
  10. Ermöglichen Sie ein offenes Umfeld und Miteinander

Im zweiten Kapitel erläutern die Autorinnen theoretisch, was man unter Legal Design versteht. Sie führen kurz in die Geschichte der Disziplin ein und stellen „Design“ als „Funktion und Theorie der Form“ dar. Bekannte Designer:innen sowie Prinzipien wie „form follows function“ werden kurz dargestellt. Außerdem werden die gängigsten Design-Begriffe vorgestellt und ihre Verbindung zum Legal Design erläutert. Beispielsweise Experience Design, Kommunikations-Design, Produkt-Design, User Interface Design und ähnliches. Hier hätten die Autor:innen gerne noch etwas in die Tiefe gehen dürfen.

An das Kapitel schließt sich die Frage an, wieso wir Legal Design überhaupt brauchen. Die Autor:innen argumentieren unter anderem mit einem der stärksten Argumente für freie Berufe: Kostendruck. Aber auch die immer komplexer werdenden Regelungen stellen einen Anwendungsbereich für Legal Design dar. So geht es beispielsweise auch darum, Vorschriften oder Verträge nutzerfreundlich und verständlich zu gestalten. Denkt man diesen Punkt zu ende, kann Legal Design auch dabei helfen, den Zugang zum Recht für alle Menschen zu erleichtern.

Legal Design Schritt für Schritt

Der wertvollste Teil des Buches folgt sicherlich in Kapitel vier. Hier erläutern die Autorinnen Schritt für Schritt, wie sich Legal Design konkret im Arbeitsalltag umsetzen lässt. Dabei ist die Überschrift „Schritt für Schritt“ durchaus wörtlich gemeint. Denn auf den folgenden Seiten wird tatsächlich kleinteilig und einfach verständlich erläutert, wie man Legal Design in der Kanzlei, im Unternehmen oder in der Behörde ganz konkret umsetzt. Die einzelnen Schritte von der Teambildung über die Entwicklung von Konzepten bis hin zur Umsetzung des Ergebnisses werden detailliert und mit vielen Beispielen erklärt. Das Buch macht an dieser Stelle richtig Lust, die einzelnen Punkte sofort in der Praxis zu testen.

Zu den sechs, von den Autorinnen vorgeschlagenen Schritten gehören:

  1. Team- und Kulturbildung
  2. Recherchieren und Verstehen
  3. Auswerten und Definieren
  4. Ideenentwicklung und Konzeption
  5. Prototyping und Testen
  6. Implementierung

Dabei stellen die Autorinnen die verschiedenen Legal Design Methoden einzeln im Detail vor. Beispielsweise das Stakeholder Mapping, Cultural Probes, Personas, Interviews, Self Immersion, Journey Mapping und ähnliches.

Im fünften Kapitel werden spanende Beispiele aus der Praxis erläutert. Anwender:innen stellen ihre Projekte und Ergebnisse vor und erzählen, auf welche Herausforderungen sie dabei gestoßen sind und was sie aus dem Prozess gelernt haben. Astrid Kohlmeier berichtet beispielsweise darüber, wie man eine nutzerfreundliche Geheimhaltungsvereinbarung (NDA) für ein Start-up-Unternehmen erstellt. Am Ende des Berichts sind die Dokumente vor- und nach der Überarbeitung dargestellt. Der Lesbarkeitsindex „Flesch Grad“ verbesserte sich von 22 auf 51 Punkte. Das Dokument ist jetzt also übersichtlicher, einfacher zu lesen und besser und schneller zu verstehen.

Grüner eye-catcher

Auch haptisch ist „Das Legal Design Buch“ ansprechend und modern gestaltet. Das grüne Cover ist ein echter eye-catcher und schreit geradezu danach, gelesen zu werden. Sprachlich ist das Werk im Gegensatz zu vielen anderen Jurabüchern angenehm zu lesen und leicht zu verstehen. Dazu trägt auch die übersichtliche Formatierung bei. So sind die Seiten nicht mit reinen Textblöcken überlastet, sondern werden immer wieder mit Design-Elemente, Grafiken und bunten Überschriften aufgelockert. Einziger Kritikpunkt: Zwar haben die Texte viele Absätze, die Ränder des Buches fallen jedoch sehr schmal aus. Das führt dazu, dass der Text an den Seiten und am unteren Rand beim Lesen von den Fingern verdeckt wird. Außerdem hat sich zwischen Seite 70 und 80 ein Bindungsfehler eingeschlichen. Hier werden die Seiten 50, 51 nochmals abgedruckt. Außerdem stellt sich natürlich die Frage, wieso ein Buch, in dem es um Innovation geht, klassisch als teures Hardcover-Produkt erscheint und nicht in einer moderneren Publikationsform.

Die theoretischen Erklärungen im Buch sind angenehm kurz gehalten und bieten informatives Hintergrundwissen. Hier hätte ich mir persönlich noch vertiefende Informationen gewünscht. Doch das ist Geschmackssache. Viel wichtiger ist, dass der praktische Teil extrem gut gelungen ist. Die vielen anschaulichen Beispiele und konkreten Umsetzungsvorschläge für den Arbeitsalltag machen das Werk zu einem unverzichtbaren Handbuch für alle, die Legal Design in ihren Beruf integrieren möchten.

Das Werk ist auf dem deutschsprachigen Markt ein Unikat und wird in den nächsten Jahren mit Sicherheit zum Standardwerk und Klassiker im Bereich Legal Design aufsteigen. Wer sich ausführlich und praktisch orientiert über die Materie Legal Design informieren will, wird in Deutschland nicht um dieses Buch herumkommen.


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