Beziehungsstatus bei Facebook ist kein Beweis

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In kaum einem Bereich im allgemeinen Verwaltungsrecht fallen Ausbildung und Praxis so weit auseinander wie beim Verwaltungsakt. Während in der Ausbildung der Schwerpunkt auf der Bewertung der Rechtmäßigkeit liegt, muss in der Praxis zunächst mühsam der Sachverhalt ermittelt werden. Art und Umfang dieser Ermittlungen bestimmt die von Amts wegen dazu angehaltene Behörde unter Einbeziehung der von ihr für erforderlich gehaltenen Beweismittel (§§ 24, 26 VwVfG). Das ist nicht immer ganz einfach, selbst wenn Personen über soziale Netzwerke viel von sich preisgeben.

Selbstdarstellung bei Facebook als taugliches Beweismittel?

Ein Vater hatte Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für seine beiden nur bei ihm lebenden minderjährigen Kinder beantragt. Voraussetzung dafür ist nach § 1 UhVorschG unter anderem, dass er von der Mutter der Kinder „dauernd getrennt lebt“ und diese keinen Unterhalt leistet. Dem Antrag wurde aufgrund seiner Angaben stattgegeben.

Im Facebook-Profil des Vaters war allerdings nach Bewilligung des Antrags zu lesen, dass er sich mit der Kindesmutter „in einer Beziehung“ befinde. Das fiel der Behörde auf und sie bekam Zweifel, ob die Trennung tatsächlich von Dauer sei. Nach ihrem Verständnis ließe sich aus dem Beziehungsstatus nämlich der Wille zur Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ablesen, womit es an einem subjektiven Element eines dauerhaft Getrenntlebens fehlen würde. Eine überzeugende Erklärung für den Beziehungsstatus konnte der Vater auch im Anhörungsverfahren nicht abgeben. Die Bewilligung wurde deshalb nach § 48 VwVfG zurückgenommen. Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Vater dagegen Klage und bekam Recht.

Facebook-Status ohne Erklärungswert

Das Verwaltungsgericht vernahm die Mutter der Kinder als Zeugin, die glaubhaft eine dauerhafte Trennung versichern konnte. Die von der Behörde gezogenen Rückschlüsse aus dem Facebook-Status lehnte das Gericht aber ab. Es sei zwar zulässig, im Zuge der Amtsermittlung auch auf öffentlich zugänglich gemachte Informationen aus sozialen Netzwerken zurückzugreifen. Ein Facebook-Status „in einer Beziehung“ sei jedoch nicht belastbar. Er treffe für sich genommen nicht die Aussage, ob die besagte Beziehung auch im tatsächlichen Leben oder nicht ausschließlich auf Facebook bestehe.

Diesem Realitätssinn ist vorbehaltlos zuzustimmen, zumal die Gründe für eine solche willkürlich und jederzeit abänderbare Angabe vielfältig sein können. Vielleicht möchte sich der Profilnutzer auch nur vor Anfragen anderer Singles schützen? Oder seine Ex-Freundin beeindrucken? Oder bringt er gar seinen Wunsch auf Rückkehr in die Beziehung damit zum Ausdruck?

Beziehung schließt Getrenntleben nicht aus

Das Gericht zeigt sich auch in andere Hinsicht deutlich am Zeitgeist orientiert. Selbst wenn nämlich eine Beziehung bestehe, so könne daraus noch lange nicht die Abkehr vom dauerhaften Getrenntleben abzuleiten sein. Eine solche Auslegung ginge zu Lasten der Kinder, die durch das Unterhaltsvorschussgesetz gerade begünstigt werden sollen. Haben die Eltern Kontakt in einer Weise, die eher der Situation eines alleinstehenden Elternteils entspricht, dann ist unabhängig von der Ausgestaltung der „Beziehung“ allein darauf abzustellen. Mit anderen Worten – für das Unterhaltsvorschussrecht ist es ohne Belang, was die Eltern noch miteinander veranstalten. Maßgeblich ist allein, ob sie dauerhaft getrennt leben oder ob ein familiäres Zusammenleben besteht.


VG Meiningen, Urteil vom 21. März 2023, Az. 8 K 805/21 Me

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Prof. Dr. Sven Müller-Grune
Prof. Dr. Sven Müller-Grunehttps://bit.ly/3Xt2OGv
Prof. Dr. iur. Sven Müller-Grune ist Professor für Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Hochschule Schmalkalden (Thüringen). Website: www.hs-schmalkalden.de/

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