OVG Münster: Rauswurf von Dozentin Bahar Aslan rechtswidrig

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Der nebenamtlichen Hochschuldozentin Bahar Aslan wurde nach einem kontroversen Post auf der Social Media Plattform X (vormals Twitter) ein bereits erteilter Lehrauftrag widerrufen. Die Beschwerde des Landes Nordrhein-Westfalen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen wurde zurückgewiesen, der Widerruf war unrechtmäßig.

Bahar Aslan ist verbeamtete Lehrerin in Nordrhein-Westfalen, Speakerin, Kaffeeliebhaberin und nebenamtlich Lehrbeauftragte. Als letztere wurde ihr von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW ein Lehrauftrag für das Fach „Interkulturelle Kompetenz“ erteilt.

Post zum #Polizeiproblem auf Twitter

Am 20. Mai 2023 schrieb sie bei dem Kurznachrichtendienst Twitter den weiterhin aufrufbaren, folgenden Post: „Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land. #Polizeiproblem.“

Ihr Tweet ging sofort viral. Innerhalb kürzester Zeit gab es unzählige Reposts, Zitate und Likes. In den folgenden Stunden erntete sie nicht nur Zustimmung und konstruktive Kritik – sondern durch Bescheid vom 23. Mai 2023 auch den Widerruf ihres Lehrauftrages.

In einer vom Präsidium der HSPV NRW am 25. Mai 2023 veröffentlichten Stellungnahme heißt es, man habe sich dazu entschieden, „von einer neuerlichen Beauftragung von Frau Aslan im kommenden Studienjahr Abstand zu nehmen“, und weiter, Frau Aslan sei nicht dafür geeignet, eine „differenzierte, vorurteilsfreie Sichtweise auf Demokratie, Toleranz und Neutralität“ hochschulgerecht zu vermitteln.

Aslan erhob daraufhin Klage und beantragte, den Widerrufsbescheid betreffend die Erteilung eines Lehrauftrages für den Zeitraum vom 8. September 2023 bis zum 20. Mai 2024 aufzuheben. Die HSPV war der Ansicht, dass Aslan gegen das Zurückhaltungsgebot, welches aus der Eignung der Lehrbeauftragten folge, verstoßen habe, indem sie mehrfach pauschalierend und undifferenziert twitterte. Der Begründung ist auch zu entnehmen, dass die HSPV sie nicht mehr für geeignet hielt, ihrem Lehrfach gerecht zu werden. Aslan sei selbst nicht bereit, vorurteilsfrei, differenziert, sensibel und wertschätzend zu interagieren und zu kommunizieren und könne dies daher auch nicht an Studierende vermitteln. Darüber hinaus habe die HSPV bereits unzählige Drohungen als Reaktion auf den viralen Tweet erhalten.

Kein Verstoß gegen Zurückhaltungsgebot

Bahar Aslan stellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und legte in einer umfassenden Begründung dar, dass in ihren Tweets kein Verstoß gegen Zurückhaltungs- oder Mäßigungsgebote zu erkennen sei. Im Gegenteil, sei die von ihr geübte Kritik nicht pauschalierend und nicht amtspflichtswidrig. Die Drohungen müsse sie sich nicht zurechnen lassen.

Die HSPV zog sich in der Folge darauf zurück, dass Aslan keine Nebentätigkeitsgenehmigung vorgelegt habe und der Lehrplan für die folgende Vorlesungszeit bereits abgeschlossen und besetzt sei.

Mit Beschluss vom 05. September 2023 stellte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerrufsbescheid wieder her. Das VG Gelsenkirchen hatte summarisch zu prüfen, ob der Verwaltungsakt in Form des Widerrufsbescheides rechtswidrig war. Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen von § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG NRW, also der Rücknahme eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes, nicht erfüllt waren. Zwar schulde eine Lehrbeauftragte ihrem Arbeitgeber Loyalität und ihre Ausdrucksweise lasse einen sachlichen Diskurs zum Thema rassistische Polizeikontrollen und Polizeigewalt vermissen.

Die Entscheidung der HSPV sei allerdings nicht durch eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung „aller wesentlichen tatsächlichen und persönlichen oder anderer für die Eignung erheblichen Umstände“ ergangen. Die HSPV habe es versäumt, diese Gesamtwürdigung anhand sämtlicher Umstände vorzunehmen, insbesondere auch an Umständen zugunsten von Aslan. Damit war der Widerruf materiell rechtswidrig.

Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde nun vom Oberverwaltungsgericht Münster zurückgewiesen. Der Widerruf des Lehrauftrages ist rechtswidrig. Zur Begründung führte der 6. Senat aus, dass die HSPV ihren Widerruf in fehlerhafter Weise auf sachfremde Umstände gestützt hat. Zwar durfte die HSPV die Eignung von Aslan grundsätzliche in Frage stellen. Die Hochschule durfte ihr aber nicht zur Last legen, dass sie eine – nicht erforderliche – Nebentätigkeitsgenehmigung nicht vorgelegt hätte, und, „Dritte der Hochschule gegenüber infolge des Tweets Drohungen ausgesprochen haben sollen.“ Der Beschluss des OVG Münster ist unanfechtbar.

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Aprilia Grabowski
Aprilia Grabowski
Die Autorin ist derzeit Rechtsreferendarin und interessiert sich für KI, juristische Expertensysteme, Wettbewerbsrecht und den Kampf gegen HateSpeech.

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