Interview: Wieso die FDP Münster eine Reform des Jurastudiums fordert

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Letzte Woche haben wir darüber berichtet, dass der Kreishauptausschuss der FDP Münster bereits Anfang Juni eine Reform des Jurastudiums gefordert und einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Im Interview erklären Paavo Czwikla, Vorsitzender des FDP Kreisverbandes Münster und Tilmann Karreh, studentische Hilfskraft an der juristischen Fakultät der WWU Münster, was sie zu diesem Antrag beworgen hat und wie es damit jetzt weitergeht.

Warum hat sich der Kreishauptausschuss der FDP Münster für diesen Antrag entschieden? Was sind die Hauptbeweggründe?

Czwikla: Die FDP legt als Rechtsstaatspartei Wert auf eine moderne und funktionsfähige Judikative. Dabei sehen wir aber, wie beschwerlich und teilweise überkommen die juristische Ausbildung ist. Wenn diese bei einem „Weiter so“ verharrt, sehen wir die Qualität unseres Rechtsstaats in Gefahr. Erste Symptome hiervon sehen wir bereits, wie etwa jüngst in Hamburg. Diese Probleme kann man nur nachhaltig beheben, wenn man bereits bei dem Jurastudium als Grundstein ansetzt.

Karreh: Fakt ist, dass die Rechtswissenschaftliche Fakultät eine der größten der Universität Münster ist und viele unserer Mitglieder – so wie ich auch – Jura studieren bzw. studiert haben. Ich persönlich glaube, dass der Antrag auch den Unmut über die jüngste Reform des JAG-NRW ausdrückt. Diese wurde auch bei liberalen Jurastudierenden negativ aufgenommen. Diese Unzufriedenheit wollten wir als FDP Münster konstruktiv nutzen.

Geht es den Antragstellern primär darum, den juristischen Nachwuchs für den Rechtsstaat sicherzustellen oder war auch der zunehmende Examensdruck der angehenden Jurist:innen ausschlaggebend?

Czwikla: Unseres Erachtens kann man die beiden Aspekte nicht vernünftig voneinander isoliert betrachten. Der bereits immense und stetig zunehmende Examensdruck führt – neben anderen Gründen – auch zu einer Schwächung des juristischen Nachwuchses und hierdurch auf Sicht des Rechtsstaats. Einerseits durch den Abschreckungsfaktor, welcher viele junge Menschen von der Entscheidung für ein rechtswissenschaftliches Studium abbringt. Andererseits aber auch durch die gesundheitliche Belastung derjenigen, die sich für diesen Weg entschieden haben. Wenn der (potenzielle) juristische Nachwuchs irgendwo zwischen Abitur und zweitem Staatsexamen einen anderen Weg einschlägt oder aber beispielsweise mit psychischen Problemen in das juristische Erwerbsleben startet, dann muss das die Politik hellhörig machen – sowohl aus Fürsorge für die Studierenden als auch aus Gründen der Rechtsstaatspflege. Das Jurastudium ist das Fundament des deutschen Rechtsstaats – und wird in seiner aktuellen Ausgestaltung dieser Rolle nicht gerecht. Wer daran etwas ändern möchte, darf seine Ohren nicht gegenüber der berechtigten Kritik aus der Studierendenschaft verschließen.

Wie haben Sie von der Problematik erfahren? War eventuell die Demo der Jurastudierenden vor der Justizministerkonferenz in Berlin ausschlaggebend?

Czwikla: Wie bereits erwähnt, haben wir in Münster viele liberal engagierte Jurastudierende. Denen haben wir einfach mal zugehört. Die Probleme und Hindernisse des Studiums der Rechtswissenschaften sind ja allgegenwärtig und prägen beispielsweise auch die Gespräche untereinander.

Karreh: Als einer der Betroffenen konnte ich mich den Problemen leider kaum entziehen. Sowohl durch die Arbeit für das hiesige unirep als auch durch meine eigene Examensvorbereitung waren die allermeisten Probleme leider sehr präsent. Die Demonstration in Berlin war – da die Antragsidee bereits etwas länger existiert – nicht ausschlaggebend. Sie verkörpert jedoch die gleiche Unzufriedenheit, die uns zu der Erstellung des Antrags bewogen hat.

Kennen Sie die iur.reform-Studie, die im Juni vorgestellt wurde. Inwiefern orientieren sich Ihre Reformvorschläge an den dort vorgestellten Ideen?

Karreh: Wir kennen die Studie, der Antrag als solcher wurde bereits vor der Veröffentlichung der Studie fertiggestellt. Dennoch freut es uns natürlich, dass auch außerhalb der Parteipolitik viele auch von uns geäußerte Vorschläge Zustimmung erfahren.

Gefordert wird in Ihrem Antrag die Einführung eines integrierten Bachelors, die Vernetzung und der Ausbau der universitären Repetitorien, eine zentrale Organisation und Evaluation von Studium, Prüfungen und Inhalten, die stärkere Verknüpfung von Studium und Staatsexamen und die Evaluation und Überarbeitung des Korrekturprozesses: Welche der Forderungen ist Ihnen am wichtigsten und wieso?

Czwikla: Ich glaube man kann die Forderungen nicht einzeln gewichten. Die bisherigen Ansätze aus der Politik kratzen regelmäßig nur an der Oberfläche des Problems „Jurastudium”, ohne dies ernsthaft anzugehen. Der Antrag sollte vor allem auch gegenüber unserer Partei den Handlungsbedarf aufzeigen – die konkreten Maßnahmen sind also nur unsere Vorschläge für eine echte Reform des Jurastudiums. Unser Ziel ist es nicht zwangsläufig, jede einzelne Maßnahme umzusetzen, sondern vielmehr einen Diskurs anzustoßen, an dessen Ende eine tiefergehende strukturelle Lösung für die bekannten Probleme steht.

Karreh: Ich teile den Ansatz. Als langjährige studentische Hilfskraft des Münsteraner unireps würde ich ganz persönlich die Weiterentwicklung der universitären Repetitoren nennen. Diese können einen enormen Beitrag zur Verbesserung der Chancengleichheit leisten. Leider bleibt jedoch abhängig vom Standort mehr oder weniger Potenzial auf der Strecke. Die Berufschancen von Juristinnen und Juristen werden maßgeblich von den Noten der Staatsexamina geprägt – und diese sind immer noch zu abhängig von der finanziellen Lage der Studierenden. Gerade hier können verbesserte unireps ansetzen.

Wurden auch andere Aspekte diskutiert (z.B. eine diverse Besetzung der Prüfungskommissionen usw.) und wenn ja, welche?

Czwikla: Das Ziel des Antrags war es, die Tür in der Partei für dieses Thema aufzustoßen und unsere Parteifreundinnen und -freunde für die bestehende Problematik zu sensibilisieren. Wir haben daher Wert daraufgelegt, eine ausgewählte und begrenzte Anzahl an Beispielen für Reformvorhaben vorzustellen. Natürlich bestehen aber neben den erwähnten Punkten auch viele weitere Baustellen in der juristischen Ausbildung. Wir können uns durchaus auch vorstellen, im weiteren Fortgang des Projekts beispielsweise die erwähnten Gleichstellungsaspekte oder aber auch ganz akute Themen wie „ChatGPT in der juristischen Ausbildung“ ebenfalls zu behandeln.

Im Hinblick auf die Chancengleichheit: Sollten die Juristischen Staatsexamina nicht komplett bundeseinheitlich geregelt und der Regelungskompetenz der einzelnen Bundesländer entzogen werden?

Czwikla: Aktuell liegen einige für die Ausbildung wesentliche Kompetenzen der politischen Ausgestaltung, insbesondere im Verwaltungsrecht, bei den Ländern. Gleichzeitig lässt sich das Argument der Chancengleichheit nicht von der Hand weisen. Als „goldene Mitte“ schlagen wir daher vor, die legislative Grundlage der juristischen Ausbildung perspektivisch verstärkt in die Kompetenz des Bundes zu verlagern. Dabei sollen individuelle Entfaltungsräume der Länder und Fakultäten bestehen bleiben, gerade die Abschlussprüfungen jedoch zumindest möglichst vereinheitlicht und hierdurch vergleichbarer werden.

Karreh: Dabei darf sich jedoch der bisherige Trend nicht fortsetzen, wonach „Vereinheitlichung“ regelmäßig “bundesweite Übernahme der studierendenfeindlichsten Regelung“ bedeutet – siehe beispielsweise bezüglich des „Abschichtens“. Solange aber auch landesrechtliche Vorschriften für den Kern des Staatsexamens unverzichtbar sind, dürften bundesweit vollständig einheitliche Staatsexamina nicht umsetzbar sein.

Viele Jurastudierende waren vom Kommentar des Bundesjustizministers vor der Justizministerkonferenz („Bitte nicht festkleben“) entsetzt und fühlen sich missverstanden. Gibt es trotzdem auch von der Bundes-FDP Bestrebungen, die juristische Ausbildung zu reformieren?

Czwikla: Der Justizminister ist ein sehr reformorientierter Minister, das zeigt seine bisherige Arbeit. Ich glaube, die Jurastudierenden hatten lange keinen so vielversprechenden Verbündeten in diesem Amt. Unser klares Ziel ist, diese Lage und die Rolle der FDP in der Bundesregierung auch zu nutzen. Dafür braucht es auch weiterhin die starke Unterstützung der Interessensverbände oder etwa diesem Magazin.

Wie geht es mit dem Antrag jetzt weiter? Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen und welche Auswirkungen hat (dieser zunächst rein „lokale“) Antrag auf die bundesweite Politik?

Czwikla: Der Antrag wandert jetzt in die nächsthöheren Partiegremien. Unser Ziel ist, ihn möglichst bald zur Beschlusslage des Landesverbands der FDP NRW zu machen. Das wäre schon ein Pfund für die Reform des Jurastudiums. Wir bleiben dran!

Vielen Dank für das Gespräch!

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Redaktion
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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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