US-Anwält:innen leisten jährlich 133 Pro-bono-Stunden!

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An den juristischen Fakultäten in den USA bereiten sich auch diesen Sommer wieder viele Absolvent:innen auf die Interview-Week und damit auf den Start ihrer Karriere vor. Einer der Faktoren, die in den USA viel Beachtung findet – in Deutschland jedoch kaum – ist die Frage, wie viel Pro-bono-Arbeit die Top-Kanzleien übernehmen. Passend dazu erschien dazu die Statistik für das Jahr 2022.

Im Laufe des letzten Jahres leisteten Anwält:innen in den USA viele Stunden ehrenamtliche Arbeit. Sei es im Kampf gegen rassistische Diskriminierungen, Engagement für sichere Abtreibungen oder Rechtsbeistand für Ukraineflüchtlinge. Doch welche Anwaltskanzleien konnten den größten Beitrag für die Gesellschaft leisten?

Top 10 bei der Pro-bono-Arbeit

The American Lawyer hat eine Rangliste der Top-200-Kanzleien auf der Grundlage ihrer Pro-bono-Tätigkeit im Jahr 2022 erstellt. Die Hälfte der Punktzahl ergibt sich dabei aus der durchschnittlichen Anzahl der Pro-bono-Stunden pro Anwältin oder Anwalt, während die andere Hälfte den Prozentsatz der Anwält:innen darstellt, die mehr als 20 Stunden Pro-bono-Arbeit geleistet haben. In den Top 10 landeten folgende Kanzleien:

Covington & Burling
Munger Tolles & Olson
Jenner & Block
Orrick
Arnold & Porter
WilmerHale
Patterson Belknap
Hughes Hubbard
Dechert
Hogan Lovells

Doch von wie vielen Stunden gemeinnütziger Arbeit reden wir hier überhaupt? Insgesamt wurden im Jahr 2022 von den 200 größten Anwaltskanzleien der USA phänomenale fünf Millionen Stunden Pro-bono-Arbeit geleistet. Durchschnittlich leistete jede Anwältin und jeder Anwalt 133,7 unbezahlte Arbeitsstunden – in einem Jahr. Das sind 11 Stunden im Monat. Diese Zahlen sind im Vergleich zu 2021 gestiegen, bleiben aber immer noch hinter dem Hoch von 5,5 Millionen Stunden im Jahr 2020 zurück.

Entstanden ist die Pro-bono-Idee in Amerika in den 70ern im Zusammenhang mit dem Civil-rights-movement. Heute nehmen 150 Großkanzleien an einer vom ABA-Pro-bono-Institut in Washington initiierten Selbstverpflichtung teil. Diese sieht vor, dass die Kanzleien je Anwalt mindestens drei Prozent ihrer „billable hours“ oder insgesamt 60 Stunden im Jahr kostenlosen Rechtsrat erteilen.

Pro bono in Deutschland

Eine ähnliche Bewegung sucht man in Deutschland vergeblich. Ein Grund dafür ist das anwaltliche Berufsrecht, das bezüglich der kostenlosen anwaltlichen Tätigkeit sehr streng ausgestaltet ist.

So ist in § 49b BRAO das Gebührenunterschreitungsverbot geregelt. Dieses besagt, dass es unzulässig ist, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Im Hinblick auf außergerichtliche Tätigkeiten bestimmt § 4 RVG, dass Anwält:innen eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbaren können, die aber noch in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung steht. Damit folgt aus den berufsrechtlichen Regelungen aber kein generelles Verbot unentgeltlicher anwaltlicher Tätigkeit. Es soll lediglich der Gefahr eines „Dumping-Wettbewerbs“ bei den Gebühren entgegengetreten werden.

Ein weiterer Grund ist, dass Menschen in Deutschland – im Gegensatz zu den USA – die Möglichkeit haben, in Zivilprozessen Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) zu erhalten. Im Strafrecht ist dieses Institut allerdings nicht vorgesehen.

Trotzdem entstanden in den letzten Jahren auch in Deutschland vereinzelt Pro-bono-Angebote. 2011 gründete sich dafür beispielsweise der Verein Bro Bono Deutschland e.V. Mitglieder sind 44 in Deutschland tätige Anwaltskanzleien und Rechtsanwält:innen, die Rechtsberatung für gemeinnützige Zwecke übernehmen.

Einzelne Beispiele – noch Luft nach oben

Einzelne Großkanzleien geben auf ihren Websites explizit an, welche ehrenamtlichen Projekte sie unterstützen – beispielsweise Hengele Müller. So unterstützt die Kanzlei beispielsweise die Online-Beratung „JugendNotmail der KJSH – Stiftung für Kinder-, Jugend- und Soziale Hilfe“ seit 2020 unentgeltlich zu vertrags-, vergabe- und zuwendungsrechtlichen Themen bei der Neugestaltung der Beratungsplattform und der Entwicklung einer zugehörigen App.

Auch GvW Graf von Westphalen gibt ab, dass ihre Anwält:innen in verschiedenen Projekten unentgeltlich für den guten Zweck beraten. Welche das sind und in welchem Umfang die Pro-bono-Tätigkeit erfolgt, kann man der Website allerdings nicht entnehmen.

Die internationale Kanzlei Meyer Brown nimmt in den USA an der „Law Firm Pro Bono Challenge“ teil und will Pro-bono-Tätigkeiten auch in ihren Deutschen Büros etablieren. Laut Website engagieren sich die Anwält:innen unter anderem in den Bereichen „bezahlbarer Wohnraum“, „Flüchtlingsrecht“, „Rechte von Häftlingen“ und „karikative Organisationen“.

Hogan Lovells, die in den USA in den Top 10 gelandet sind, engagiert sich auch in Deutschland ehrenamtlich. Dr. Matthias Koch nennt den Schwerpunkt der Arbeit in einem Interview: „In Deutschland beraten wir förderungswürdige und soziale Einrichtungen, denen qualifizierter Rechtsrat normalerweise nicht zugänglich ist. Der Schwerpunkt liegt dabei derzeit auf der Beratung von “Social Entrepreneurs” und Projekten zur Förderung von Jugendlichen. Unsere Pro Bono-Beratung unterliegt den gleichen Qualitätsansprüchen wie unsere entgeltliche Beratung.“

Der genaue Umfang der Pro-bono-Tätigkeit in Deutschland steht damit in den Sternen. Eine inzwischen veraltete Umfrage des Soldan Institut für Anwaltmanagement aus dem Jahr 2011 kam zu dem Ergebnis, dass zwar fast zwei Drittel der Advokat:innen regelmäßig auf ihr Honorar verzichten – im Schnitt aber nur etwa neunmal pro Jahr. Beim ehrenamtlichen Engagement deutscher Anwält:innen ist also noch Luft nach oben.

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