Taylor Swift: Was wir von „No Body, No Crime” über das Strafrecht lernen können

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Auf ihrem neunten Studioalbum „Evermore“ (2020) veröffentlichte die US-Sängerin Taylor Swift auch einen Song, bei dem Jurist:innen sofort an das Strafrecht denken müssen. „No Body, No Crime“.

Bei dem Song handelt es sich um eine „murder ballad“ (deutsch: Moritat), also eine schaurige Ballade, in der es um Mord oder andere Verbrechen geht. Im Mittelalter und der Neuzeit hatte der Bänkelsang die Funktion, Nachrichten zu übermitteln – das konnten gruselige Geschichten über Morde und Tragödien, aber auch spannende politische Ereignisse sein.

Swifts Song ist eine moderne murder ballad und erzählt von der fiktiven Frau Este, die von ihrem Ehemann getötet wird, nachdem sie seine Untreue entdeckt hat. Weil sie nicht in der Lage ist, die Schuld des Ehemanns zu beweisen, rächt eine gute Freundin der Ermordeten ihren Tod, indem sie den Ehemann ihrer Freundin tötet. Dabei werden unter anderem Beweise vernichtet und falsche Spuren gelegt.

Mörderische Ballade

In der ersten Strophe erzählt Este ihrer Freundin, der Erzählerin, dass sie ihren Ehemann verdächtigt, untreu zu sein. Die Indizien: Er verhält sich anders und riecht nach Wein. Allerdings weiß die Freundin auch, dass sie ihrem Ehemann die Untreue nicht beweisen kann.

Este’s a friend of mine
We meet up every Tuesday night for dinner and a glass of wine
Este’s been losing sleep
Her husband’s acting different and it smells like infidelity
She says, “That ain’t my merlot on his mouth”
“That ain’t my jewelry on our joint account”
No, there ain’t no doubt
I think I’m gonna call him out
She says

“I think he did it but I just can’t prove it”
I think he did it but I just can’t prove it
I think he did it but I just can’t prove it
No, no body, no crime
But I ain’t letting up until the day I die
No, no
I think he did it

Hier weist der Jura-Comedy-Account „The Secret Barrister“ auf Twitter zu Recht darauf hin, dass die Untreue des Ehemannes zwar unschön sei, es sich dabei aber um keine Straftat handele, die man verfolgen könne. Der Ehebruch sei bereits seit 1857 kein Vergehen mehr. In Deutschland war bis 1969 der aus dem Reichsstrafgesetzbuch übernommene § 172 StGB in Kraft. Im Zuge der Großen Strafrechtsreform wurde der Paragraph ersatzlos gestrichen. Ehebruch ist seitdem auch in Deutschland nicht mehr strafbar.

Ehemann tötet Ehefrau, Freundin rächt sich

In der zweiten Strophe vermisst die Freundin Este. Denn sie erscheint zu keinen Treffen und auch nicht auf der Arbeit. Daraufhin meldet der Ehemann von Este sie als vermisst. Wenig später fällt der Erzählerin auf, dass bereits die Geliebte in das Haus ihrer Freundin eingezogen ist. Sie geht deswegen davon aus, dass ihre Freundin von ihrem Ehemann ermordet wurde. Ihr einziges Indiz: Die Reifen an seinem Truck wurden gewechselt.

Este wasn’t there
Tuesday night at Olive Garden, at her job, or anywhere
He reports his missing wife
And I noticed when I passed his house his truck has got some brand new tires
And his mistress moved in
Sleeps in Este’s bed and everything
No, there ain’t no doubt
Somebody’s gotta catch him out

Der perfekte Mord?

In der letzten Strophe deutet die Erzählerin an, dass sie den Ehemann iher Freundin getötet hat. Dass er tatsächlich tot ist, geht aus der aller letzten Zeile des Songs (“he died”) hervor. Die Erzählerin hat die Leiche vermutlich in einem See entsorgt (hierfür benötigt sie ihren Bootsführerschein). Getötet wurde der Ehemann entweder in ihrem oder in seinem Haus. Danach hat die Erzählerin den Tatort gereinigt und alle Spuren beseitigt. Um auf Nummer sicher zu gehen, gibt ihr die Schwester von Este ein Alibi für den Tatzeitpunkt. Gleichzeitig soll der Verdacht auf die Geliebte fallen, die eine Lebensversicherung für den Getöteten abgeschlossen und damit ein Mordmotiv hat.

Good thing my daddy made me get a boating license when I was fifteen
And I’ve cleaned enough houses to know how to cover up a scene
Good thing Este’s sister’s gonna swear she was with me (“She was with me dude”)
Good thing his mistress took out a big life insurance policy

They think she did it but they just can’t prove it
They think she did it but they just can’t prove it
She thinks I did it but she just can’t prove it
No, no body, no crime
I wasn’t letting up until the day he
No, no body, no crime
I wasn’t letting up until the day he
No, no body, no crime
I wasn’t letting up until the day he died

Und was sagt das Strafrecht dazu?

Zunächst stellt sich ermittlungstechnisch die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass der Ehemann mit der Tötung seiner Frau tatsächlich davonkommt. In Deutschland liegt die Aufklärungsrate bei Tötungsdelikten bei über 90 Prozent. Es gibt also nur sehr wenige ungeklärte Mordfälle. In den USA fallen die Zahlen hingegen deutlich niedriger aus. Die Aufklärungsquote liegt lediglich zwischen 50 und 80 Prozent. 2021 wurden in San Francisco beispielsweise 75 Prozent aller Tötungsdelikte aufgeklärt. Deutlich bessere Chancen also für den untreuen Ehemann!

Gleichzeitig würde er in beiden Ländern aber als Verdächtiger Nummer eins geführt und dementsprechend genau unter die Lupe genommen werden. Denn Tötungsdelikte werden in den meisten Fällen im engen Familienkreis begangen. Ist das Opfer eine verheiratete Frau trifft der Verdacht also zunächst immer den Ehemann. In Deutschland versucht durchschnittlich jeden Tag ein Mann seine Frau zu töten. Jeden dritten Tag gelingt ihm dies. Ähnlich erschreckend sind auch die Zahlen aus den USA. In rund der Hälfte aller Fälle werden Frauen von ihrem Intimpartner getötet.

Unser Saubermann im Song müsste sich also auch deswegen darauf einstellen, als Verdächtiger Nummer eins geführt zu werden. Und was kann die Polizei in diesem Fall tun? Sie kann:

  • Den Ehemann als Verdächtigen vernehmen (§ 136 StPO)
  • Einen Durchsuchungsbeschluss für das Haus erwirken (§ 102 StPO)
  • Spuren im und um das Haus sichern, z.B. auch Blutspuren am Auto und Reifenabdrücke
  • Die Geliebte als Zeugin vernehmen (§ 163 III StPO)
  • Den Verdächtigen in Untersuchungshaft nehmen (§ 112 ff. StPO)

Ermittlungsmaßnahmen gegen den Ehemann

Für diese Maßnahmen muss meistens ein bestimmter Verdachtsgrad gegen den Verdächtigen bestehen. Beispielsweise ein “dringender Tatverdacht” bei der Untersuchungshaft. Für eine Durchsuchung beim Beschuldigten reicht hingegen ein einfacher Tatverdacht. Für manche Ermittlungshandlungen ist eine richterliche Anordnung erforderlich. So bedarf es für die Untersuchungshaft z.B. eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO).

Dass Ehemänner statistisch gesehen dazu neigen, ihre Ehefrauen zu töten, reicht für einen solchen Tatverdacht natürlich noch nicht aus. Im Song müssten also noch weitere Verdachtsmomente gegen den Ehemann ans Licht treten. Realistisch wäre hier beispielsweise die Aussage der Erzählerin, dass ihre Freundin den Ehemann mit dessen Untreue konfrontieren wollte. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Geliebte des Ehemannes direkt nach dem Tod von Este in das gemeinsame Haus zog. Die eigene Frau zu töten, statt eine langwierige Scheidung mit den entsprechenden finanziellen Konsequenzen zu durchlaufen, ist ein starkes Motiv. Hinzu kommt, dass Este vermutlich in ihrem eigenen Heim getötet wurde. Es könnte also Blutspuren oder Ähnliches geben, die auf ein Gewaltverbrechen hinweisen. Dass die Leiche dann im Auto transportiert und entsorgt wurde, ließe sich auf Grund der neuen Reifen vermuten. Auch könnte die Geliebte als Zeugin vernommen werden.

Wo keine Leiche da kein Mord?

Wie sieht es aber mit der Tötung des Ehemannes durch die Freundin von Este aus? Grundsätzlich ist Selbstjustiz kein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund. Indem sie den Ehemann tötete, könnte sie sich wegen Mordes gem. § 211 StGB (je nach Tatumständen) oder zumindest Totschlags gem. § 212 StGB strafbar gemacht haben. Die Erzählerin geht hier ganz offensichtlich davon aus, dass sie sich strafrechtlich nicht verantworten muss, weil ihr das Verbrechen nicht nachgewiesen werden kann. Ohne Leiche, kein Mord („No Body, No Crime). Doch kann sie sich wirklich auf der sicheren Seite wiegen?

Der „Mord ohne Leiche“ ist eine eigene Kategorie von Strafprozess, der auch sehr gerne in der Kriminalliteratur verarbeitet wird. Er bezeichnet einen Indizienprozess, der zur Verurteilung der Täterin oder des Täters führt, obwohl das Tatopfer als Beweismittel nie gefunden wurde. In Deutschland gibt es hierfür gleich mehrere bekannte Beispiele, in denen interessanterweise jeweils der (Ex-)Partner des weiblichen Opfers verurteilt wurde:

  • Im Sommer 1997 verschwand die hochschwangere 17-Jähige Maike Tiehl nach einem Krankenhaustermin. Sie blieb verschwunden. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Trotzdem wurde 2014 ihr Ex-Freund und mutmaßlicher Vater des Babys (sowie seine Mutter) vom Landgericht Neuruppin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes verurteilt. Das Gericht sah ihre Täterschaft auf Grund von Indizien als bewiesen an. Das Motiv: Maike Thiel wollte keine Abtreibung, ihr Ex-Freund wollte weder ein Kind noch Unterhalt zahlen müssen. Die Indizien: Kurz nach dem Verschwinden hob der Ex-Freund eine größere Summe Geld von seinem Konto ab. Damit soll er einen Bekannten als Auftragskiller angeheuert haben.
  • Ein ähnliches Schicksal ereilte 2006 die 37 Jahre alte Karen Gaucke und ihre sieben Monate alte Tochter Clara. Der Vater des Kindes schwängerte kurz nach der Geburt eine weitere Frau und verließ Karen Gaucke. Am vermeintlichen Tattag besuchte er sie in ihrer Wohnung, um Unterhaltsfragen mit ihr zu klären. Dort soll er Mutter und Tochter auch getötet haben. Doch die Leichen wurden nie gefunden. Die Indizien: Blutspuren in der Wohnung sowie in einem von ihm angemieteten Kombi. Das Landgericht Hannover verurteilte ihn 2007 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes.
  • 2015 verschwand die in Karlsruhe lebende Vietnamesin und zweifache Mutter Thi Thanh Thoa Le. Sie soll mehrere Affären gehabt haben, weswegen der Hausfrieden schiefhing. Ihr Ehemann wird vom Landgericht Karlsruhe nach einem aufwändigen Indizienprozess wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Von der Leiche fehlt bis heute jede Spur. Die Hypothese: Er soll die Leiche in einem See versenkt haben. Die Indizien: Nachbarn gaben an, einen Streit in der Wohnung der Familie gehört zu haben. Danach soll der Ehemann mit einem Koffer das Haus verlassen haben. Bei seiner Vernehmung verstrickte sich der Mann in Widersprüche.

Unsere Erzählerin kann sich im vorliegenden Fall also nicht darauf verlassen, dass sie nicht wegen Mordes angeklagt und/oder verurteilt wird, nur weil die Leiche des Ehemannes nicht wieder auftaucht. “The Secret Barrister” kommt deswegen zu dem Ergebnis “Public legal education matters”. Das sehen wir genauso.

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