Wahrheitserforschung um jeden Preis? Der Einsatz von Veritaserum, Legilimentik und Priori incantatem in magischen Strafprozessen

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In den Harry Potter Büchern gibt es drei starke, magische Möglichkeiten, um in Ermittlungs- und Strafverfahren die Wahrheit aus Beschuldigten und Angeklagten herauszupressen. Wieso dies rechtsstaatlich höchst problematisch ist und was Veritaserum, Legilimentik und Priori incantatem mit den Lügendetektor-Tests der Muggel-Welt zu tun habe, darum geht es hier.

Bei Veritaserum handelt es sich um einen mächtigen Wahrheitstrank, dessen Gebrauch vom Zaubereiministerium streng kontrolliert wird. Auch wenn Umbridge und Snape ihren Schüler:innen die Verabreichung des Wahrheitstrankes androhen, ist seine Verwendung durch Privatpersonen grundsätzlich untersagt. Vom Zaubereiministerium kann Veritaserum in Ermittlungs- und Strafverfahren eingesetzt werden.

Das Problem mit Veritaserum

Als Jurist:in denkt man dabei zunächst an den rechtsstaatlich problematischen Einsatz des Wahrheitstrankes gegen den Willen des Betroffenen, um die Wahrheit/ein Geständnis aus ihm herauszupressen. Umgekehrt wird unter Fans der Serie aber auch die Tatsache, dass Veritaserum im Fall von Sirius Black gerade nicht zu seiner Entlastung eingesetzt wird, kontrovers diskutiert. Sirius Black wird vorgeworfen, bei einem Anschlag mehrere Muggel und einen Zauberer getötet zu haben – eine Tat, die nicht er, sondern Peter Pettigrew beging und für die Sirius Black zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe im Zauberergefängnis Askaban verurteilt wurde.

Rowling selbst beantwortet diese Fanfrage mit der Unzuverlässigkeit des Wahrheitstrankes. Geübte Zauberer und Hexen könnten sich gegen seinen Effekt wappnen oder ein Antidot einnehmen.

„Veritaserum works best upon the unsuspecting, the vulnerable and those insufficiently skilled (in one way or another) to protect themselves against it […] In other words, just like every other kind of magic within the books, Veritaserum is not infallible. As some wizards can prevent themselves being affected, and others cannot, it is an unfair and unreliable tool to use at a trial. Sirius might have volunteered to take the potion had he been given the chance, but he was never offered it. Mr Crouch senior, power mad and increasingly unjust in the way he was treating suspects, threw him into Azkaban on the (admittedly rather convincing) testimony of many eyewitnesses. The sad fact is that even if Sirius had told the truth under the influence of the Potion, Mr Crouch could still have insisted that he was using trickery to render himself immune to it.“[1]

Verstoß gegen Selbstbelastungsfreiheit

Ebenfalls problematisch ist der Einsatz des Zauberspruchs Priori incantatem sowie der Zauberkunst des Gedankenlesens (Legilimentik).

Unter Legilimentik versteht man die Fähigkeit, die Gedanken einer anderen Person zu lesen. Problematisch ist dies, weil mit Hilfe der sog. Okklumentik erfahrene Zauberer ihre Gedanken vor anderen verbergen können. Rechtsstaatlich ist der Einsatz von Legilimentik ebenfalls bedenklich. Denn im Lesen der Gedanken des Verdächtigen/Angeklagten liegt ein Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit. Niemand darf gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Außerdem wäre darin ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu sehen, der den Kernbereich privater Lebensgestaltung absolut vor staatlichen Eingriffen schützt. Und was gibt es Persönlicheres als die eigenen Gedanken?

Bei Priori incantatem handelt es sich um einen Zauberspruch, mit dessen Hilfe die Zauber aufgerufen werden können, die ein Zauberstab als letztes gezaubert hat. Allerdings kann man damit lediglich eine Verknüpfung zwischen einem Zauberstab und einem Zauberspruch herstellen. Wer den Zauberspruch aufgesagt hat, ist nicht ersichtlich. Es ist also gerade nicht klar, welche Person den Zauberstab gehalten hat, als beispielsweise der verbotene Todesfluch Avada kedavra aufgesagt wurde.

So nutzte Lord Voldemort beispielsweise den Zauberstab seines Onkels Morfin Gaunt, um seine eigenen Vorfahren väterlicherseits (die Riddles) zu töten. Das Zaubereiministerium verurteilte Morfin deswegen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe in Askaban. Auch mit Hilfe von Priori incantatem hätte er seine Unschuld nicht beweisen können.

Lügendetektoren und die Menschenwürde

Diese drei magischen Ermittlungsmethoden haben gewisse Ähnlichkeiten mit dem Einsatz von Lügendetektoren in unserer Welt. Deren Einsatz in Ermittlungs- und Strafverfahren ist in Deutschland höchst umstritten.

Eine Harry-Potter-Fanseite kommt zu dem Ergebnis: „For the same reasons Muggles do not use polygraph tests in court, Veritaserum is no more reliable than its Muggle counterpart. Since some wizards and witches can resist its effects while others cannot, Veritaserum is ‘unfair and unreliable to use at a trial’ and would be difficult to use as definite proof of guilt or innocence.”[2]

Ai generiert

1954 hat der BGH den Einsatz von Lügendetektoren in Strafverfahren verboten.[3]

Polygrafen würden die Menschenwürde des Angeklagten verletzen. Unabhängig davon, ob Lügendetektoren überhaupt “funktionieren”, also verlässliche Ergebnisse lieferten, läge darin ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG und § 136 a StPO.

1998 lehnte der BGH den Polygraphen erneut als Beweismittel ab.[4] Diesmal allerdings, weil die Ergebnisse von Lügendetektoren nicht verlässlich seien. Ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG, § 136a StPO sei gerade nicht gegeben, wenn der Betroffene einwillige. Das Kuriose: 2013 entschied das AG Bautzen, dass das Ergebnis eines Lügendetektor-Tests in einem familienrechtlichen Verfahren auch in Strafverfahren verwertbar sei.[5] Das OLG Dresden urteilte im gleichen Jahr, dass ein Polygraph im Familienrecht geeignet sei, die Unschuld eines Beteiligten zu beweisen.[6] Das BVerwG erklärte 2014 den Lügendetektor-Test im gerichtlichen Disziplinarverfahren für ein ungeeignetes Beweismittel.[7] Wieder mit dem Argument der Unzuverlässigkeit. 2017 sprach das AG Bautzen einen Angeklagten von Missbrauchsvorwürfen frei, weil dieser sich mittels einer polygrafischen Untersuchung entlastet hatte.[8]

Zwischen den genannten magischen Beweismitteln und dem Einsatz von Lügendetektoren lassen sich deswegen spannende Parallelen bei der Frage bilden, ob diese in Ermittlungs- und Strafverfahren eingesetzt werden sollten.


[1] https://therowlinglibrary.com/jkrowling.com/textonly/en/faq_view_id=105.html

[2] https://harrypotter.fandom.com/wiki/Veritaserum

[3] BGH, Urt. v. 16.02.1954, Az. 1 StR 578/53 = BGHSt 5, 332

[4] BGH, Urt. v. 15.06.1998, Az. II ZR 318/96 = BGHZ 139, 89

[5] AG Bautzen, Urt. v. 26.03.2013, Az. 40 Ls 330 Js 6351/12

[6] OLG Dresden, 14.05.2013 – 21 UF 787/12   

[7] BVerwG, Beschl. v. 31.07.2014, Az. 2 B 20.14         

[8] AG Bautzen, Urt. v. 26.10.2017, Az. 42 Ds 610 Js 411/15 jug

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