Viel zu viel Arbeit! Kann eine Behörde wegen Arbeitsüberlastung einen Antrag ablehnen?

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Im Jahr 2021 hatte das Verwaltungsgericht Berlin die Frage zu klären, ob die beklagte Behörde gegenüber dem Kläger zur Erteilung von Informationen über durchgeführte lebensmittelrechtliche Betriebsprüfungen verpflichtet ist. Zu klären war dabei, ob eine Behörde wegen einer Vielzahl gestellter Anträge und den damit verbundenen erheblichen Bearbeitungsaufwand, Anträge ablehnen kann. Kann eine Behörde also aufgrund von Arbeitsüberlastung einfach die Ablehnung eines Antrags bescheiden?

Informationen über lebensmittelrechtliche Betriebsprüfungen

Hintergrund der Klage war, dass die Behörde den Antrag des Klägers auf Herausgabe von Informationen über die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen und die dabei festgestellten Beanstandungen im Betrieb mit der Begründung ablehnte, die initiierte Kampagne diene allein dem Zweck, die Politik zu animieren, das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) zu überarbeiten. Die Behörde berief sich dabei auf § 4 III Nr. 4 VIG. Danach soll der Antrag abgelehnt werden, soweit durch die Bearbeitung des Antrags die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgabe der Behörde beeinträchtigt würde.

Das Verwaltungsgericht sah die Ablehnung des klägerischen Antrags auf Informationszugang als rechtswidrig an und bejahte eine Verletzung der Rechte des Klägers, denn die Voraussetzungen des Informationsanspruchs aus § 2 I 1 Nr. 1 und 7 VIG lägen vor, nicht hingegen der von der beklagten Behörde geltend gemachte Ausschlussgrund gem. § 4 III Nr. 4 VIG.

Das Gericht zog für die Begründung seiner Entscheidung insbesondere die allgemeinen Auslegungsregeln heran: die grammatikalische Auslegung, die historische Auslegung, die systematische Auslegung und die teleologische Auslegung.

Anwendung der allgemeinen Auslegungsmethoden

§ 4 III Nr. 4 VIG lautet: “Der Antrag soll abgelehnt werden, soweit durch die Bearbeitung des Antrags die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde.”

Das Gericht stellte zunächst auf den Wortlaut („durch die Bearbeitung des Antrags“) und die Gesetzesbegründung („Bearbeitung einzelner äußerst umfangreicher so genannter Globalanträge“, vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 17) ab. Danach seien „Anträge auf Zugang zu Information gemeint, deren Bearbeitung im Einzelfall außergewöhnlichen Aufwand und hohe Bearbeitungskosten verursachen“. Der Antrag des Klägers erfülle diese Voraussetzung offenkundig nicht, denn den Antrag des Klägers für sich allein betrachtet, würde nach den von der Behörde selbst gemachten Angaben lediglich wenige Stunden beanspruchen.

Die von der Behörde vorgenommene teleologische Auslegung, wonach dem Kläger nach Sinn und Zweck des in § 4 III Nr. 4 VIG statuierten Ablehnungsgrundes auch die „mehrere hundert Anträge anderer Personen, die ebenfalls über die Internetplattform Topf Secret und damit als Teil einer ‚politischen Kampagne’ gestellt worden seien“ zuzurechnen seien „und der dadurch insgesamt entstehende Bearbeitungsaufwand führe zu einer Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Behörde, die die Behörde berechtigte, die Anträge insgesamt abzulehnen“, konnte das Verwaltungsgericht nicht überzeugen.

Nur ein missbräuchlicher Antrag ist abzulehnen

Diese Auslegung nach Sinn und Zweck sei nicht mit der Systematik des § 4 IV 1 VIG zu vereinbaren. Dort heißt es: “Ein missbräuchlich gestellter Antrag ist abzulehnen.”

Das Gericht begründete dies damit, dass die Behörde irrigerweise davon ausginge, „dass Personen, die ihren Antrag über das genannte Internetportal stellen, in Wirklichkeit nicht an dem Informationszugang selbst interessiert seien, sondern das Ziel verfolgten, die Behörde ‚lahmzulegen’“. Das Gericht konnte der Erklärung des Betreibers der Internetplattform eine solche mit der Kampagne bezweckte Zielsetzung jedoch nicht entnehmen. „Vielmehr sollen die begehrten Kontrollberichte im Rahmen der Kampagne weiterverwendet, insbesondere im Internet veröffentlicht werden, um ‚solange für Transparenz [zu] sorgen, bis die Behörden es von sich aus tun.’ Eine derartige kampagnenartige Weiterverwendung der Information entspricht nach ständiger Rechtsprechung der Zielsetzung des Verbraucherinformationsgesetzes und erfüllt nicht den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs“.

Das Verwaltungsgericht betonte, dass die Behörde den Antrag des Klägers auch nicht deshalb ablehnen durfte, „weil der arbeitszeitmäßige Aufwand auch in diesem Fall genauso hoch sei und ‚originäre’ Aufgaben der Behörde in dieser Zeit nicht erfüllt werden könnten“. Vielmehr müsse die Behörde die zeitlichen Kapazitäten und interne Strukturen schaffen.


Entscheidung: VG Berlin, Urt. v. 17.11.2021, Az.: VG 14 K 153/20

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