Darf ich eine Ampel überqueren, die einfach nicht grün wird?

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Das Oberlandesgericht Hamburg musste sich mit der Frage beschäftigen, ob eine Radfahrerin eine Ampel überqueren durfte, die mehrere Minuten lang nicht grün wurde.

Gegen 20.15 Uhr fuhr eine Radfahrerin im Sommer 2022 durch Hamburg. Dabei musste sie an einer roten Ampel anhalten. Das Problem: die Ampel wurde einfach nicht mehr grün. Die Radfahrerin wartete daraufhin mindestens fünf Minuten ohne dass die Ampel umschaltete. Die Frau ging deswegen davon aus, dass die Ampel defekt sei und überquerte die Kreuzung bei Rotlicht.

Das Amtsgericht Hamburg stellte fest, dass durch das Verhalten der Radfahrerin keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden. Die Frau hätte jedoch die Möglichkeit gehabt, abzusteigen und die Kreuzung an einer Fußgängerampel zu überqueren. Deswegen wertete das Gericht das Tatgeschehen als vorsätzlichen, qualifizierten Rotlichtverstoß gem. §§ 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 6, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO i.V.m. § 24 StVG und verhängte gegen die Betroffene eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro. Dieses Urteil hob das OLG Hamburg jetzt jedoch auf.

Kein vorsätzlicher Rotlichtverstoß

Eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Rotlichtverstoßes sei ausgeschlossen, denn die Betroffene habe sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB befunden. Zwar handele es sich bei der Ampel um einen Verwaltungsakt, wenn die Ampel defekt sei, sei jedoch auch der Verwaltungsakt, der die Betroffene zum Anhalten auffordere, nichtig. Nehme die Betroffene irrig an, die Ampel zeige auf Grund einer Störung „Dauerrot“, irre sie über Tatsachen iSd. § 16 StGB, der den Vorsatz ausschließe.

Die Frau habe außerdem nicht vom Rad absteigen und ihren Weg als Fußgängerin fortsetzen müssen. Dazu schreibt das OLG: „Soweit sich das Amtsgericht [die Möglichkeit der Benutzung der Fußgängerampel als Fußgängerin annahm], verkennt es, dass die Betroffene nicht als Fußgängerin, sondern als Radfahrerin am Verkehr teilgenommen hat. Für Radfahrer gelten gesonderte Bestimmungen; insbesondere gelten für sie die Lichtzeichen für den Fahrverkehr. [… Deswegen] war für die Betroffene allein das – nach ihrer Vorstellung defektbedingt „dauerrote“ – Lichtzeichen der Anlage für den Fahrverkehr maßgeblich. Radfahrende sind auch nicht etwa als „qualifizierte Fußgänger“ anzusehen, denen unabhängig von etwaigen straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen nach Belieben angesonnen werden könnte oder müsste, vom Fahrrad abzusteigen und fortan als Fußgänger am Verkehr teilzunehmen.“

Im Übrigen konnte im vorliegenden Fall nicht zweifellos festgestellt werden, ob Radfahrende die Kontaktschleife (der funktionstüchtigen Ampel) überhaupt auslösen können. Sei die Ampel so konzipiert, dass sie nur durch Autos ausgelöst werden kann, so sei der Verwaltungsakt jedenfalls für Radfahrende – und damit auch für die Betroffene – zumindest teilnichtig.


Enstcheidung: OLG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2023, Az. 5 ORbs 25/23

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