Frauen zwischen Recht, Geschichte und Aberglaube: Die Hexenprozesse

-Werbung-spot_imgspot_img

Die Zeit der Hexenverfolgungen bildet eines der dunkelsten Kapitel der strafrechtlichen Geschichte. Doch wie kam es zu den Hexenverfolgungen und welche Lehren lassen sich aus diesem düsteren Abschnitt der Geschichte für die Gegenwart ableiten?

Vom Ende des Spätmittelalters an, bis hin zur frühen Neuzeit beschreibt der Begriff eine Episode der tausendfachen Bezichtigung und grausamen Verfolgung von überwiegend Frauen, aufgrund des Vorwurfs, Hexerei zu praktizieren. Ihren Höhepunkt erreichten sie in Gestalt massenhafter Verfolgungen zwischen 1580 und 1650. Die strafrechtliche Behandlung der Beschuldigten entspringt dabei einem engmaschigen Geflecht von religiösen, gesellschaftlichen sowie rechtlichen Überzeugungen.


Dieser Beitrag entstand im Rahmen des 5. juriosen Essay-Wettbewerbs “Frau im Recht” zum Internationalen Frauentag 2024. Es handelt sich um den fünften Platz in der Kategorie “Freitexte”. Weitere Informationen zum Essay-Wettbewerb und alle anderen Gewinner-Texte finden Sie hier: https://jurios.de/essay-wettbewerb/


Sanktionierung von schwarzer Magie

Geschichtlich lässt sich eine Sanktionierung der Praktizierung „schwarzer Magie“ bis in die Zeit alter Hochkulturen zurückverfolgen. Auch die Römer bestraften bereits nach dem Zwölftafelgesetz (lex duodecim tabularum) die Verübung negativer Zauber mit dem Tod. Selbst in den alten Schriften des Christentums findet sich eine vergleichbare Regelung. So fordert etwa das alte Testament in Exodus, Kapitel 22, Vers 17 auf „eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen“.

Die Verbreitung der Überzeugung von der Existenz der Hexerei kann nicht isoliert von der zunehmenden Christianisierung Europas betrachtet werden. Damit einher ging eine zunehmende Stigmatisierung der verschiedenen heidnischen Prägungen als Aberglauben, den es zu unterdrücken galt, wie auch eine Dämonisierung der heidnischen Gottheiten. Indes galt bis ins 13. Jahrhundert die Auffassung als herrschend, der Glaube an Zauberei sei als heidnische Irrlehre zu qualifizieren und damit bedürfte er keiner strafrechtlichen Sanktionierung.

Dieser Zeitgeist wandelte sich sukzessive ab dem Aufkommen der Inquisition im Laufe des 13. Jahrhunderts. Schwerpunktmäßig fanden die Hexenverfolgungen von 1450 bis 1750, d.h. der Frühen Neuzeit, in Europa statt. Örtlich konzentrierten sich diese auf das Gebiet des Heiligen Römischen Reiches, d.h. Mitteleuropa.

Die Realität des Irrealen und die Frau als Sündenbock

Aber worin wurzelte überhaupt die Überzeugung vieler Menschen, insbesondere Frauen seien anfällig für Hexerei oder auch den „Pakt mit dem Teufel“?

Eine Vielzahl an Krisen, wie etwa die „kleine Eiszeit“ Europas ab dem 15. Jahrhundert sowie Hungersnöte, Kriege, Extremwetterlagen und Inflationen führten viele Menschen an den Rand ihrer existentiellen Belastbarkeit. Seuchen, wie der berüchtigte schwarze Tod (d.h. die Pest), taten ihr Übriges dabei, die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen.

Hierdurch kam es wiederum zu einer allgemeinen Unzufriedenheit mit der Kirche und deren Institutionen, welche es nicht vermochten, befriedigende Antworten auf die Nöte der Menschen zu liefern. Auch dadurch kam es schließlich 1517 zur Reformation. Die Konzentration der Krisen führte schließlich zu tiefgreifenden Erschütterungen der Gesellschaft. Zwischen Leid, Elend und Massenhysterie stellte sich dann die Frage nach einem Sündenbock.

Das umfangreiche Bedrohungsszenario wurde sodann auf ein Feindbild in Gestalt einer sogenannten “Hexensekte” zurückgeführt. Diese solle, so die damalige Vorstellung, im Geheimen agieren und dabei durch verschiedene Handlungsformen wie Teufelsanbetungen, Dämonenbeschwörungen oder Ritualmorde als Ausdruck der Negation Gottes das Stiften von Schäden verursachen. Ausgehend von der Prämisse der Realität des Irrealen (so Schlosser in Europäische Rechtsgeschichte, 5. Kap., Rn. 78) richteten sich die Verfolgungshysterien und der sich daran anschließende Vernichtungswahn insbesondere gegen die Frau.

Diese wurde infolge misogyner Propagandierungen als wechselhaftes Wesen bezeichnet, welches sich Dämonen gemeinhin willfährig als Werkzeug anbietet. Durch Teufelspakte und Satanskulte sollte es zu der öffentlichen Demonstration des Glaubensabfalls kommen. Diese antifeministische Dämonenlehre war in Europa die Grundlage populärer Hexenpogrome sowie der exzessiven strafrechtlichen Verfolgungen derselbigen.

Als Ausgangspunkt für die Legitimierung dieser Ansichten fungierten auch die Lehren Thomas von Aquins, der sich aus einem philosophisch-theologischen Blickwinkel mit den Teufelspakten befasste. Aber auch Heinrich Kramer stellte in seinem Hexenhammer (s.u.) die Anfälligkeit des weiblichen Geschlechts (sog. „maleficae“) für die Gebaren des Teufels in das Zentrum seiner Betrachtungen und fasste bis dato existierende frauenfeindliche literarische Ansichten zusammen, vgl. Behringer in Heinrich Kramers „Hexenhammer“: Text und Kontext, S. 88.

In dubio pro reo actorem und ungewöhnliche Delikte

Auch der rechtliche Kontext der Hexenverfolgungen stellt sich als komplexes Geflecht religiöser und weltlicher Elemente dar. Teilweise führten religiöse Gerichte inquisitorische Hexenprozesse durch, die kaum Raum für eine Verteidigung der Beschuldigten boten oder gar als faires Verfahren zu qualifizieren waren. Es galt der Grundsatz: in dubio pro actorem (im Zweifel für den Kläger). Der Tatvorwurf, das Hexereidelikt, sog. crimen occultum, atrocissimum, exceptum, qualifizierte sich dabei als schwerstes Ausnahmeverbrechen oder auch „Verbrechen schrecklichster Art“ und zeichnete sich durch vier obligatorische und ein fakultatives Tatbestandsmerkmal aus:

  1. Den Pakt mit einem Dämon oder dem Teufel
  2. Kontakte sexueller Art zwischen der Beschuldigten und dem Dämon als Ausdruck einer „Vertragsbestätigung“
  3. dämonischer Nachtflug
  4. „Hexensabbat“, d.h. der Abfall vom orthodoxen Glauben in einer rituellen, magischen Messe mit dem Teufel
  5. sowie fakultativ eine Schadenszufügung durch magische Handlungen (Schadenszauber)

Mit dem Tatvorwurf einher ging eine beinahe konsequente Missachtung sämtlicher prozessualer Förmlichkeiten sowie eine umfangreiche Entrechtung der Beschuldigten. So zeichneten sich die Prozesse insbesondere dadurch aus, dass ob der vermeintlichen Schwere des Delikts, eine Überschreitung sämtlicher geltender rechtlicher Grenzen als angezeigt empfunden wurde.

Aber auch eine Verfolgung nach weltlichen Gesetzen war möglich. Hierbei kam es oft zur Anwendung von Folter, um so Geständnisse der Beschuldigten zu erzwingen. Dogmatischer Angelpunkt und Kampfinstrument der Verfolgung durch die weltlichen Gerichte war auch der sogenannte Hexenhammer, ein Handbuch betreffend die Verfolgung von Zauberei praktizierenden Personen des Theologen Heinrich Kramers. Dieser wurde von Kramer gegen Ende des 15. Jahrhunderts erstmals publiziert und basierte auf der sogenannten Hexenbulle des Papstes Innozenz VIII. Als Regelstrafe sah Kramer, der später oberster Ketzerrichter wurde, in seinem Hexenhammer die physische Vernichtung des Glaubensfeindes durch den Feuertod vor.

Von Hexenproben, Daumenschrauben und Streckbänken – der Prozess

Im Anschluss an die Anklage sowie die Inhaftierung fand das Verhör der Beschuldigten statt. Dieses untergliederte sich wiederum in drei Phasen: Die gütliche Befragung durch den Richter (1), die Territion (2) sowie die peinliche Befragung (3), d.h. das Verhör unter der Folter. Die Territion (2) erfolgte nur, wenn im Rahmen der gütlichen Befragung kein Geständnis erfolgte und meint das Vorzeigen der Folterinstrumente sowie deren Erklärung. Aufgrund der bereits dargestellten Qualifizierung der Hexerei als Ausnahmeverbrechen kam es währenddessen zum Wegfall sämtlicher Schutzvorschriften, wie etwa Pausen während der Folter.

Im Rahmen der Beweisfindung fand häufig auch ein Rückgriff auf sogenannte Hexenproben statt. Hierzu zählten etwa die Wasserprobe, auch Hexenbad genannt, sowie die Feuer- oder die Nadelprobe.

Zwar durfte grundsätzlich keine Verurteilung ohne ein Geständnis erfolgen, auch von dieser Regelung wurde indes im Rahmen der Hexenprozesse abgewichen. Einen tatsächlichen Anspruch auf rechtliches Gehör, unabhängige Gerichte, effektive Verteidigung oder die Unschuldsvermutung gab es dabei nicht. In der Folge fand eine Degradierung der Angeklagten als Objekt des Verfahrens statt, denen eine faktische Einflussnahme auf das Ergebnis desselbigen kaum möglich war. Zumeist führte der Prozess zum Feuertod der Angeklagten, d.h. deren Verbrennung.

Lehren für die Zukunft?

Doch welche Lehren lassen sich aus diesem düsteren Kapitel der Geschichte für die Gegenwart ziehen? Denn auch heute sehen wir uns einer Vielzahl von Herausforderungen, wie politischen Unsicherheiten, gesellschaftlichen Umbrüchen sowie der Klimakrise, ausgesetzt.

Nun, zum einen mag die Zeit der Hexenverbrennungen für uns als rechtsgeschichtliches Mahnmal fungieren. Weiterhin lässt sich festhalten, dass rechtliche Errungenschaften, wie etwa die heute bestehenden strafprozessualen Grundsätze, nicht in Stein gemeißelt sind. So fand etwa auch in der NS-Zeit eine umfassende (prozessuale) Entrechtung der Betroffenen statt, womit auch die systematische und massenhafte Vernichtung von Menschenleben in bis dato unbekanntem Umfang einherging.

Wenn wir uns dies bewusst machen, wird deutlich, wie wichtig es ist, das Recht zu schützen. Denn dieses ist nicht statisch, sondern stets auch ein Spiegel des Zeitgeistes und unterliegt damit Schwankungen sowie dynamischen Prozessen. Dies bietet Chancen, aber auch Risiken. Insbesondere in turbulenten und von Krisen geprägten Zeiten darf es nicht als Instrument gegen vermeintliche Sündenböcke missbraucht werden. Vielmehr gilt es, wichtige Grundsätze des Rechts als Anker in turbulenten Zeiten zu begreifen und diese aktiv zu schützen. Damit uns einmal erkämpftes Recht, das auch als Gegenentwurf zu vergangenen Unrecht zu qualifizieren ist, nicht wieder verloren geht und sich Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.


Quellenangaben:

-Werbung-

Ähnliche Artikel

Social Media

6,795FollowerFolgen
2,166FollowerFolgen
Download on the App Store
Jetzt bei Google Play
-Werbung-spot_img
-Werbung-

Letzte Artikel