Hausdurchsuchung wegen der Aussage “Du bist so 1 Pimmel”

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Pimmel, Penis, Phallus, Schwanz, Glied, Lümmel. Es gibt so viele schöne Worte für das beste Stück des Mannes. Sein drittes Bein. Sie alle haben jedoch eines gemeinsam: Wird man als “Pimmel”, “Penis” oder “Phallus” tituliert, fühlt man sich grundsätzlich erst einmal beleidigt. Auch der SPD-Politiker Andy Grote will deswegen – verständlicherweise – kein “Pimmel” sein. Dass es in diesem kuriosen Phallus-Fall jetzt aber sogar zu einer Hausdurchsuchung kam, ist eher ungewöhnlich.

Aber wovon reden wir hier überhaupt in höchst unsittlicher Manier? Von Vorne: Am 30. Mai hatte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) auf Twitter feiernde Menschen im Hamburger Schanzenviertel kritisiert. Er twitterte: “In der #Schanze feiert die Ignoranz! Manch einer kann es wohl nicht abwarten, dass wir alle wieder in den Lockdown müssen… Was für eine dämliche Aktion!” Unter dem Tweet hagelte es – erwartungsgemäß – viele Kommentare. Viele davon auch negativ. Ein Nutzer mit dem Nickname “ZooStPauli” kommentierte: “Du bist so 1 Pimmel.” Und da haben wir ihn: den Anlass für unsere Penis-Extase. Doch wer denkt, die Geschichte wäre damit vorbei, kennt das Internet nicht. Selbstverständlich wurde auf Grund des Pimmel-Kommentars Strafanzeige gestellt. Allerdings nicht von Andy Grote selbst, sondern von einem Polizisten.

Strafanzeige und Strafantrag gestellt

Daraufhin meldete sich die Polizei bei dem Politiker, der dann auch selbst Strafantrag stellte. Als fixe Jurist:innen wissen wir: Während man bei der Strafanzeige dem Strafverfolgungsorgan nur mitteilt, dass man Kenntnis von einem Sachverhalt hat, der strafrechtlich relevant sein könnte, verlangt man mit dem Strafantrag die strafrechtliche Verfolgung einer Tat. Beim Straftatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB handelt es sich um ein Antragsdelikt. Das heißt, dass die Tat gem. § 194 I StGB nur auf Antrag (§ 77 ff. StGB) verfolgt wird.

Aber weiter in unserer Geschichte: Der Twitter-Nutzer “ZooStPauli” teilte im September 2021 – ebenfalls auf Twitter – mit, dass es bei ihm auf Grund seines Pimmel-Kommentars zu einer Hausdurchsuchung gekommen wäre.

Hausdurchsuchung unverhältnismäßig?

Das ist höchst ungewöhnlich. Denn an eine Hausdurchsuchung (§ 102 StPO) stellt das Gesetz grundsätzlich hohe Anforderungen. Gem. Art. 13 I GG ist die Wohnung “unverletzlich”. Für eine Hausdurchsuchung bedarf es deswegen unter anderem eines richterlichen Beschlusses. Sie darf außerdem nicht “unverhältnismäßig” sein. Und genau darüber streiten sich im vorliegenden Fall die Geister. Unter dem Posting tummeln sich schon jetzt über eintausend Kommentare.

Der User “Mausraster” schreibt beispielsweise: “Zweiklassensystem, immer wieder Senatorenprivilegien. Viele einfache Behördenmitarbeiter*innen werden jeden Tag härter beleidigt als das und auch tatsächlich bedroht und angegriffen, dafür tritt niemand zur Beweissicherung Türen ein.”

Das Kuriose: Bei der Stürmung der Wohnung hatten die Polizist:innen auch noch die falsche Person erwischt. Der Twitter-Kommentator war bereits vor einiger Zeit umgezogen. Die Polizei traf nur noch seine Exfreundin Mara K. an. ZooStPauli, der sich als Marlon P. geoutet hat, meint außerdem, die Hausdurchsuchung sei überhaupt nicht notwendig gewesen. Er habe vor einigen Wochen eine Vorladung der Polizei erhalten, der er auch gefolgt sei. Die Urheberschaft des Tweets sei der Polizei ab diesem Zeitpunkt bekannt gewesen.

Und der eigentliche Skandal? Wie verschiedene deutsche Medien berichten, war Andy Grote im vergangenen Jahr selbst in die Kritik geraten, weil er trotz Coronapandemie eine Party mit 30 Personen veranstaltete und damit gegen die geltenden Auflagen verstoßen hatte. Die zuständige Buß­geld­stelle verhängte gegen den 53-Jährigen ein Bußgeld von 1.000 €. Und wir alle wissen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

Update: Pimmelgate reloaded!

Zur Ruhe kommt der Fall auch mehrere Wochen nach Bekannt­werden nicht. #Pimmelgate trendet auch weiterhin bei Twitter. Auch auf den Hamburger Straßen wird man an jeder Ecke an den Fall erinnert. Inzwischen leitete der Staatsschutz bereits Ermittlungen ein, weil immer wieder Aufkleber mit der Aufschrift „Andy, du bist so 1 Pimmel“ in der Nähe von Grotes Wohnung im Stadtteil St. Pauli entdeckt wurden. Im Internet ernten die Polizeibeamt:innen, die diese Aufkleber mühsam abkratzen müssen, nur Hohn und Spott. Auch auf der Wand des links­autonomen Zentrums Rote Flora steht inzwischen ein riesiges Plakat mit dem Spruch: „Andy, du bist so 1 Pimmel.“ Die Polizei kam sofort und übermalte das Plakat. Doch Aktivist:innen erneuern den Schriftzug immer wieder. Irgendwann gab die Polizei auf. Das Satiremagazin „Extra 3“ erklärte die Hansestadt daraufhin kurzerhand zur „Freien und Pimmelstadt Hamburg“.

Und was macht Andy Grote? Der Hamburger Innensenator ist trotz der überwältigenden Kritik im Internet noch nicht zurückgetreten. Er erklärte aber, dass er juristisch nicht mehr gegen weitere Beleidigungen – ob als Aufkleber oder Graffiti – vorgehen werde. Wir sind gespannt, ob #Pimmelgate noch Kreise ziehen wird. Insbesondere würde uns sehr interessieren, was die Gerichte dazu zu sagen haben.

Update: eingestellt und rechtswidrig!

Ende Juli 2022 hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg bekanntgegeben, dass das Verfahren gegen den Twitter-User bereits im März 2022 eingestellt wurde. Wegen fehlenden öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung.

Die Durchsuchung der Wohnung der Ex-Freundin des Twitter-Users war außerdem rechtswidrig. Das entschied das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 26. Juli 2022 (631 Qs 17/22). Auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen einer Wohnungsdurchsuchung an sich vorlagen, fehle es nach Auffassung der Kammer an der stets zu beachtenden Verhältnismäßigkeit zwischen dem mit der Durchsuchung verbundenen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und der Schwere der Straftat und dem daraus folgenden Strafverfolgungsinteresse des Staates. “Bereits im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung sei im konkreten Fall nur die Verhängung einer geringen Sanktion gegen den (vormals) Beschuldigten in Betracht gekommen, was der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im konkreten Fall entgegen gestanden habe”, bestätigte der Pressesprecher des LG Hamburg gegenüber JURios.


Fundstelle: https://taz.de/

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