Wegen der „reißerischen“ Berichterstattung über eine Razzia im Berliner Bordell „Artemis“ muss das Land Berlin den Bordellbetreibern nun 100.000 Euro zahlen. Das entschied das Kammergericht Berlin.
Das 2005 eröffnete Artemis in Halensee ist eines der größten Bordelle Deutschlands. Auf 3.000 Quadratmetern tummeln sich am Tag rund 250 meist männliche Besucher. Das dreigeschossige Gebäude beherbergt einen Swimmingpool, drei Saunen sowie zwei Kinos.
Im April 2016 rückte die Staatsanwaltschaft mit Polizist:innen und der Zollfahndung im Artemis an. Mehrere Verdächtige wurden festgenommen. Über die Durchsuchung berichtete der damals Leitende Oberstaatsanwalt ausführlich bei einer Pressekonferenz. Die Vorwürfe gegen die Bordellbetreiber stellten sich jedoch später als haltlos heraus. Es kam nicht einmal zur Eröffnung eines Strafverfahrens.
Klage auf Schadensersatz wegen Pressekonferenz
Der Bordellbetreiber klagte deswegen vor dem Landgericht Berlin auf Schadensersatz von mindestens 200.000 Euro, hatte aber zunächst keinen Erfolg. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hatte jetzt vor dem Kammergericht Berlin Erfolg. Das Land Berlin muss den beiden Bordellbetreiber wegen den reißerischen Äußerungen des Oberstaatsanwalts jeweils 50.000 Euro Schadensersatz bezahlen.
Das Gericht bejahte eine Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG. Bei Presseäußerungen müsse die Staatsanwaltschaft stets zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Betroffenen abwägen. Im Ermittlungsverfahren gelte die Unschuldsvermutung – auf die sich natürlich auch die beiden Bordellbetreiber berufen könnten. Auch eine unnötige Bloßstellung der Betroffenen sei zu vermeiden.
Die in der Pressekonferenz geäußerten Aussagen seien vorliegend teilweise „schulhaft amtswidrig“. Die behaupteten “Verbindungen zur organisierten Kriminalität” hätten sich nicht bestätigt. Im Gesamteindruck seien die getätigten Äußerungen vorverurteilend und in unzulässiger Weise reißerisch formuliert. Die Behauptung, dass im Artemis Prostituierte ausgebeutet werden und Gewalt ausgeübt worden sei, sei absolut unzulässig. Gänzlich unzulässig sei außerdem der suggestiv in den Raum gestellte Vergleich mit dem Mafiaboss “Al Capone” als „Aufmacher“ gewesen.
Vergleich an gemeinnützige Organisation war gescheitert
Auf Grund der Schwere der erhobenen Vorwürfe hätte die Staatsanwaltschaft einen besonders hohen Sorgfaltsmaßstab anlegen und den Wahrheitsgehalt überprüfen müssen. Denn die Staatsanwaltschaft wird nicht zum Spaß auch „objektivste Behörde der Welt“ genannt.
Die Ironie: Vergleichsverhandlungen zwischen dem Land Berlin und den Bordellbetreibern waren im Vorfeld gescheitert. Das Gericht hatte dem Land Berlin vorgeschlagen, 25.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen, statt Schadensersatz an die Bordelbetreiber zu leisten. Die Bordellbetreiber waren einverstanden. Die Vertreter:innen des Landes Berlin schlugen jedoch aus. Und müssen deswegen jetzt insgesamt 75.000 Euro mehr zahlen. Und das an die Bordellbetreiber, statt an eine gemeinnützige Organisation. Wie ärgerlich.