Sie sind klein, gelb-schwarz gestreift und flauschig. Eigentlich lassen sie sich am liebsten von den Sonnenstrahlen zwischen Wiesen und wohlduftenden Blumenfeldern an ihren Flügeln kitzeln. Gelegentlich verirren sie sich jedoch auch in die deutschen Hörsäle und wohnen erschöpften Studierenden bei ihren Vorlesungen im deutschen Recht bei. Ob beim gelangweilten Durchblättern des Gesetzestextes oder beim Lesen eines Buches über Rechtskuriositäten – früher oder später stoßen alle angehende Jurist:innen auf sie. Die Rede ist selbstverständlich von den berühmtberüchtigten “Bienenparagraphen“, welche in §§ 961 ff. BGB festgehalten sind.
Was im ersten Moment für einen herzhaften Lacher sorgt, hat jedoch einen spannenden Hintergrund. Wie konnte es dazu kommen, dass es die kleinen Helferchen der Natur von den bunten Blumenwiesen in unser Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geschafft haben? Diese Frage gilt es im Folgenden näher zu erörtern.
Die historische Entwicklung des Bienenrechts
Wer glaubt, dass das Bienenrecht eine besondere Ausprägung des deutschen Regelungswahns sei, der irrt. Tatsächlich kannte bereits das Corpus Iuris Civilis rechtliche Bestimmungen über die Begründung und den Verlust des Eigentums am Bienenschwarm, welche an die heutigen Normen im BGB erinnern.
Examen, quod ex alveo nostro evolaverit, eo usque nostrum esse intellegitur, donec in conspectu nostro est nec difficilis eius persecutio est: alioquin occupantis fit (Dig. 41.1.5.4).
Der Bienenschwarm, der aus deinem Stock auszieht, wird solange als dein Eigentum angesehen, wie er in deinem Blickfeld bleibt und nicht schwer zu verfolgen ist. Andernfalls wird er Eigentum dessen, der ihn sich als nächster aneignet.
Die ältesten überlieferten Bienengesetze sind jedoch auf die Lex Salica zurückzuführen. Sie ist ein spätantikes Gesetz der Völkerwanderungszeit, das auf Anordnung des Merowingerkönigs Chlodwig I. in den Jahren 507-511 erlassen wurde. Das heutige Bienenrecht regelt die Rechtsverhältnisse der Bienenhaltung und unterteilt sich dabei in privates und öffentliches Bienenrecht.
Die Bedeutung von Bienen im Wandel der Zeit
Die Bienenhaltung hatte Ende des 19. Jahrhunderts einen gänzlich anderen Stellwert als heute. So war die Imkerei als Teil der häuslichen Selbstversorgung selbstverständlicher Bestandteil der Tierhaltung in den Städten und auf dem Land. Bienen sind dabei weder Haustiere noch wilde Tiere nach § 960 BGB. Grundsätzlich sind sie nicht herrenlos, können dies allerdings werden. Auch haben sie einen Eigentümer, der das Eigentum am Schwarm jedoch auch gegen seinen Willen verlieren kann. Unter diesen Rahmenbedingungen lässt sich dabei eine Vielzahl komplexer Fallkonstellationen subsumieren, welche die Notwendigkeit für unsere heutigen Bienenparagraphen begründen.
In der Praxis bedeutet das, dass Imker:innen, die erbost dem eigenen entflohenen Bienenschwarm hinterherrennen, kraft Gesetzes so lange Eigentümer:innen bleiben, wie sie diesen verfolgen. Entschließt sich der Schwarm dann in eine fremde Bienenwohnung zu ziehen, geht das Eigentum an den Bienen auf den Eigentümer der Wohnung über. Dem Alteigentümer bleibt dann nur noch der Honig seines entflohenen Schwarms als süßes Relikt seiner Zeit, denn Kondiktionsansprüche sind von Gesetzeswegen ausgeschlossen. Diese Regelung soll dabei einen Ausgleich für den Schaden darstellen, welcher durch den Einfall eines fremden Bienenschwarms regelmäßig entsteht. Für Imker:innen mag dies eine belastende Regelung sein; unsere flauschigen Helfer sind jedoch bestimmt nicht ohne Grund von zuhause ausgezogen.
“Bienenkot ist zumutbar”: Die tatsächliche Relevanz des Bienenrechts
Es kommt nicht selten vor, dass die Bienenparagraphen spöttisch als die irrelevantesten Normen des BGB betitelt werden. Allerdings mussten sich die Gerichte in der Vergangenheit immer wieder mit Fragen des Bienenrechts auseinandersetzen. So entschied beispielsweise das Landgericht Dessau-Roßlau in seinem Urteil vom 10. Mai 2012 (Az. 1 S 22/12), weshalb ein Grundstückseigentümer keinen Schadensersatz vom benachbarten Imker verlangen kann, obwohl seine Bienen Teile des Grundstücks mit Bienenkot verschmutzten.
Das Gericht betonte dabei in seiner Urteilsbegründung im Besonderen die Bedeutung des Reinigungsfluges der Bienen und wies den Kläger ferner darauf hin, dass er sich im Vorfeld durch die Nutzung von allgemeinzugänglichen Quellen über Bienen und ihr Verhalten hätte informieren- und sich so gegebenenfalls den Rechtsstreit hätte sparen können. Im Übrigen seien die Verunreinigungen durch Bienenkot nur unwesentlich und daher ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden. Sie können allenfalls als eine Unannehmlichkeit angesehen werden, welche jedoch für sich allein nicht den Grad einer qualifizierten Störung der Grundstücksnutzung erreicht.
Die Bienen waren zuerst da
Ähnlich verhielt es sich in einem anderen Fall. Im Jahr 2003 setzte sich das Landgericht Oldenburg mit der Frage auseinander, ob ein Imker unter Umständen zur Entfernung seiner Bienenvölker verpflichtet werden kann, sofern diese seine Nachbarin in der Nutzung ihres Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Die Klägerin gab vor Gericht an, dass sie aufgrund des aggressiven Verhaltens der Bienen des Beklagten aus ihrem Haus fliehen musste. Zudem erlitten sie, ihr Gärtner und sein Gehilfe sowie ihr zweijähriger Sohn Bienenstiche durch einzelne Tiere, welche ins Haus gelangen. Auch machte die Klägerin geltend, dass ihr Sohn an einer lebensgefährlichen Bienengiftallergie leide und daher eine besonders hohe Gefahr von den Bienenvölkern des Imkers ausgehe.
Das Gericht wies die Klage ab. Nach Auffassung der Richter stellen selbst mehrere Bienenstiche noch keine wesentliche Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung dar. Zudem kam ein hinzugezogener Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass die Stiche eher Wespen oder Wildbienen zuzuordnen seien – nicht jedoch den Honigbienen des Imkers, für die ein solches Verhalten ohnehin untypisch wäre. Das Gericht bewertete in der Konsequenz nur den “normalen” Bienenflug und sah in diesem keine Beeinträchtigung.
Auch hinsichtlich der Frage, ob für den Beklagten ausnahmsweise eine Pflicht zur gesteigerten Rücksichtnahme aufgrund der Allergie des Sohnes der Klägerin anzunehmen sei, entschied das Gericht negativ. Ein allergologisches Gutachten zeigte, dass eine lebensgefährliche Allergie gegen Bienengift nicht vorlag. Im Übrigen stünde einer gesteigerten Rücksichtnahmepflicht entgegen, dass der Imker zum Zeitpunkt des Zuzugs der Nachbarin bereits Bienen auf dem Grundstück hielt. (vgl. Landgericht Oldenburg, 16. Januar 2003, AZ. 1 O 1939/00).
Der Bienenflug in die Zukunft
Unsere Bienchen haben sich ihre explizite Erwähnung im Gesetz durch ihre Relevanz für Mensch und Natur hart erarbeitet. Das Bienenrecht ist daher nicht als irrelevanter Ausdruck des deutschen Regelungswahns, sondern vielmehr als rechtliche Würdigung der besonderen Bedeutung der kleinen flauschigen Helfer in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu betrachten. So verlieh Costa Rica seinen Bienen beispielsweise im Jahr 2021 den Bürgerstatus.
Sollten die Bienen sich auf ihrem nächsten Bienenflug also erneut in die deutschen Hörsäle verirren, lässt sich nun eher verstehen, weshalb ihr Einzug in das BGB in jeder Hinsicht gerechtfertigt war. Und wer weiß, vielleicht schaffen sie es bald über dessen Grenzen in andere Gesetzesbücher hinaus. Dann könnten sie den Studierenden ein wenig öfter ein Lächeln ins Gesicht zaubern, was sicherlich alle beteiligten Parteien freuen würde.
Dieser Artikel entstand im Rahmen unseres Essay-Wettbewerbs “Rechtsgeschichten”, der im Juni 2023 hier auf JURios veranstaltet wurde. Vielen Dank an den Verlag C.H. Beck für das Sponsoring der Preise.