Bisher werden die schriftlichen Klausuren im ersten Staatsexamen über mehrere Wochen verteilt geschrieben. Dazwischen gibt es – je nach Bundesland – zusätzlich zu den Wochenenden zwei bis drei Ruhetage zur Erholung. Diese sollen nach Angabe der baden-württembergischen Justizministerin Marion Gentges (CDU) zukünftig bundesweit entfallen.
Bereits im Januar hatte JURios darüber berichtet, dass die bisher zehntägige Examenskampagne der ersten juristischen Staatsprüfung in Baden-Württemberg verkürzt werden soll. Dazu soll in der Kampagne im Herbst 2023 zunächst ein Ruhetag entfallen, in allen darauffolgenden Kampagne sollen dann beide Ruhetage gestrichen werden.
Gegen diese Entscheidung des Justizprüfungsamtes regte sich lauter Widerstand. Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Freiburg und die Kritischen Jurist*innen Heidelberg sprachen sich in einer gemeinsamen Pressemitteilung gegen die Kürzung der Examenskampagne aus. Dem schloss sich auch der Bundesvorstand sowie der Landesverband Baden-Württemberg der Neuen Richtervereinigung e.V. an. Eine entsprechende Petition erzielte innerhalb kürzester Zeit über 4.000 Unterschriften.
Auf eine Anfrage von JURios teilte das Justizministerium Baden-Württemberg lediglich mit, die Verkürzung der Prüfungskampagne sei notwendig, um leichter Räumlichkeiten für die Prüfung zu finden.
RCDS sucht Gespräch mit Justizministerin Gentges
Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten Heidelberg (RCDS) und der RCDS Baden-
Württemberg suchten daraufhin das Gespräch mit der Ministerin für Justiz und Migration Marion Gentges. Anders als erwartet betrifft die Streichung der Ruhetage nach Information der Ministerin nun aber nicht nur Baden-Württemberg, sondern insgesamt 15 Bundesländer, die im Rahmen des sog. „Ringtauschs“ der Examensklausuren zusammenarbeiten. Also alle Bundesländer, außer Bayern, wo es schon nach jetziger Regelung keinen einzigen Ruhetag mehr gibt.
Und entgegen der früheren Behauptung der Pressestelle des baden-württembergischen Justizministeriums geht es auch gar nicht um die Räumlichkeiten in the LÄND. Vielmehr hätten sich die Prüfungsämter aller Bundesländer dazu entschlossen, die Examenstermine durch Streichung von Ruhetagen anzugleichen.
Baden-Württemberg kündigt Sonderweg an
Laut Pressemitteilung des RCDS Baden-Württemberg, zeigte sich die Ministerin jedoch im Gespräch bereit, von diesem einheitlichen Vorgehen abzuweichen und einen baden-württembergischen Sonderweg zu gehen. Nach Angaben des Ministeriums werden die Prüfungen im ersten Staatsexamen in Baden-Württemberg ab 2024 nun mit nur einem Ruhetag, also ohne Unterbrechung von Mittwoch bis Freitag geschrieben. In der folgenden Woche ist nur noch ein klausurfreier Tag vorgesehen.
„Die Verkürzung der Examenskampagne verschärft die Bedingungen der Examenskandidaten körperlich und mental. Wir begrüßen es daher, dass Justizministerin Gentges MdL aus Rücksicht auf die Jurastudenten in Baden-Württemberg einen Sonderweg gehen und – anders als künftig in anderen Bundesländern – drei Ruhetage gewähren möchte.“, so Noëlle Drtil, die Landesvorsitzende des RCDS Baden-Württemberg. In Folge des Gesprächs konnte der RCDS also erreichen, dass nur einer, statt zwei Ruhetage gestrichen werden.
Frühestens ab 2026 soll dann auch in Baden-Württemberg das e-Examen eingeführt werden. Die Prüfungsformalia hierfür sind noch nicht bekannt.
Vorgehen ad absurdum!
Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, wieso man sich zunächst auf ein einheitliches Vorgehen in allen 15 Bundesländern einigt, dann jedoch einen Rückzieher macht und einen baden-württembergischen Sonderweg verspricht. Sollte dieser Sonderweg so kommen, führt dies das Argument der angeblichen Vergleichbarkeit von Prüfungssituationen wiederum ad absurdum. Denn so brüht dann doch wieder jedes Bundesland sein eigenes Süppchen. Wie es Bayern schon jetzt tut. Und auch die vorherige Begründung, dass der Entfall beider Ruhetage notwendig sei, um geeignete Räumlichkeiten für die Klausuren zu finden, scheint in der Rückschau eher ein vorgeschobenes Argument gewesen zu sein.
Das Argument der Anpassung der Prüfungsbedingungen fruchtet ebenfalls nicht. Hierzu gäbe es viel dringenderen Handlungsbedarf. Beispielsweise bei der Möglichkeit zum Abschichten oder beim integrierten Bachelor. Beides sind Erleichterungen, die die meisten Jurastudierenden sowie Interessenvertretungen begrüßen. So setzt sich beispielsweise die Initiative iur.reform für eine umfassende Reform des Jurastudiums ein. Bisher profitieren jedoch nur vereinzelt Studierende an einigen wenigen Fakultäten davon.
Wieso bei der Vergleichbarkeit von Prüfungsleistungen nicht der umgekehrte Weg gegangen wird, steht zudem in den Sternen. Man könnte stattdessen die Prüfungsbedingungen in allen Bundesländern humaner machen? Statt die Ruhetage in 15 Bundesländern (genauso wie in Bayern bereits jetzt) zu streichen, könnte man diese einfach in allen 16 Bundesländern im gleichen Umfang einführen. Stattdessen hat man sich (mal wieder) für einen Weg zu Lasten der (sowieso schon geplagten) Jurastudierenden entschieden. Schade.