Alle kennen das typische Bild eines Jurastudenten, das sich in die Köpfe der Menschen eingebrannt hat. Akademikereltern, wohlhabend, das Aussehen von Draco Malfoy und dabei noch ähnlich sympathisch. Zum Glück wird dieses Klischee nicht gänzlich erfüllt und es gibt sogar einige Studierende, die das völlige Gegenteil darstellen. Die Rede ist von Arbeiterkindern, Müttern und Vätern, welche sich ebenfalls dazu entschlossen haben, Jura zu studieren. Egal ob direkt nach dem Abitur oder als zweiter Bildungsweg. Zurecht kommt da die Frage auf, ob dieses Studium unter solch „besonderen“ Voraussetzungen überhaupt zu meistern ist. Jura ist anspruchsvoll und zeitintensiv. Das ist vielen bereits von Anfang an bewusst. Doch auch mit anderen Startvoraussetzungen ist es möglich dies zu meistern.
„Jura als Arbeiterkind? Träum weiter!“
Mit solchen oder solch ähnlichen Vorurteilen werden auch heute noch Menschen konfrontiert, deren Eltern keinen akademischen Lebensweg bestritten haben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von möglicherweise fehlender finanzieller Unterstützung der Eltern, bis zu einem Mehraufwand im Studium, weil ein Nebenjob unabdingbar ist (JURios berichtete). Solche Stigmatisierungen können das sowieso schon anspruchsvolle Studium natürlich zusätzlich immens erschweren. Allerdings sollte jede Person von solchen Vorurteilen unberührt bleiben.
Vielleicht wurde einem der Weg zum Studium nicht in die Wiege gelegt, doch das ist auch überhaupt nicht notwendig. Denn was man in erster Linie für ein erfolgreiches Jurastudium benötigt, ist ein klares Ziel vor Augen, Selbstmotivation und vor allem Durchhaltevermögen. Auch einem Akademikerkind wird es ohne diese essentiellen Eigenschaften nicht gelingen, den harten Weg des Jurastudiums zu bestreiten.
Das Gleiche gilt übrigens auch für Jurastudierende mit Migrationshintergrund. Sie kommen einerseits nicht selten selbst aus der Arbeiterschicht. Andererseits kommen bei ihnen noch die Sprachbarrieren hinzu. Denn Jura ist in erster Hinsicht ein Studium der Sprache, das mit unglaublich viel Lesen, Schreiben und Diskutieren verbunden ist. Leider begegnen Jurastudierende mit Migrationshintergrund außerdem oft noch den Vorurteilen ihrer Professor:innen und ihrer Kommiliton:innen. So kann es im ersten Semester schwieriger sein, Anschluss zu finden. Und man muss sich darauf einstellen, sich grundsätzlich öfter „beweisen” zu müssen als andere Studierende. Beispielsweise bei der mündlichen Prüfung oder bei der Bewerbung für einen Nebenjob oder eine Promotionsstelle.
Ist mit Kind überhaupt an ein Studium zu denken?
Das Jurastudium stellt schon an sich eine große Herausforderung für alle dar. Ist noch ein Kind mit im Spiel, macht es diese ganze Situation natürlich nicht gerade einfacher. Dabei kommt zurecht bei einigen die Frage auf, ob unter diesen Voraussetzungen ein Studium überhaupt machbar ist. Doch auch hier lässt sich ganz klar sagen: Und ob!
Um sich erfolgreich durch das Jurastudium zu kämpfen ist eine gute Organisation essentiell. Diese nimmt mit Kind natürlich nochmal einen ganz besonderen Stellenwert ein. Wie diese Organisation am besten umsetzbar ist, zeigt Neda Who in ihrem JURios-Artikel „Jurastudium: So kannst du deine Studienorganisation und deinen Familienalltag erfolgreich vereinbaren“ (27.01.2023).
Einen wichtigen positiven Effekt, von dem vor allem Mütter und Väter im Studium profitieren, ist, dass diese praktisch dazu gezwungen werden, sich auch mal eine Auszeit von Jura zu nehmen. Sich bewusst zu distanzieren. Denn auch wenn man immer am Ball bleiben sollte, ist es genau so wichtig auch mal der “Jura Bubble” zu entfliehen. Der Kopf brauch eine Auszeit von Paragraphen, Gerichtsurteilen und Meinungsstreits.
Vor ähnlichen Problemen stehen Menschen, die entweder selbst chronisch krank sind oder aber Familienangehörige pflegen müssen. Das können die eigenen Großeltern, Eltern oder bspw. auch behinderte Geschwister sein. Ist man selbst erkrankt, ergeben sich daraus viele Nachteile. Je nach Krankheit hat man beispielsweise weniger Energie als durchschnittliche Studierende und ist so auf häufigere Pausen angewiesen. Oder aber die vielen Arzttermine rauben einem Zeit, die man eigentlich zum Lernen bräuchte. Pflegt man Familienangehörige, muss man sich die Vereinbarkeit von Familie und Jurastudium ebenso erkämpfen wie die Eltern kleiner Kinder. So erfordert dies einen großen Organisationsaufwand und ist oft kräftezehrend.
Jura als zweiter Bildungsweg
Zu Beginn des Studiums trifft man auf viele Erstis, die gerade frisch das Abitur in der Tasche haben. Auch wenn das Jurastudium nicht mal ansatzweise mit dem Schulalltag vergleichbar ist, haben Frischabiturient:innen vielleicht einen kleinen Vorteil gegenüber den anderen. Denn es kann durchaus von Vorteil sein, wenn man beispielsweise weiß: Welcher Lerntyp bin ich? Lerne ich besser abends oder zu einer anderen Tageszeit? Entscheidet man sich erst später für ein Studium, muss man sich in dieser Hinsicht möglicherweise erst neu entdecken. Und das kann bei manch einem etwas Zeit kosten. Dennoch sollte man nicht direkt den Kopf in den Sand stecken, wenn man nicht von Anfang an die richtige Lernmethode für sich gefunden hat. Die Möglichkeiten sind vielfältig und es ist keine Schande, sich da erst einmal etwas auszuprobieren.
Auch von teilweise großen Altersunterschieden sollte man sich nicht in die Irre führen lassen. Bildungswege können durch die heutigen Möglichkeiten sehr unterschiedlich ausfallen. Auch hat jeder ein anderes Tempo, um bestimmte Ziele zu erreichen. Man hat also nichts verpasst, wenn man erst mit Anfang 30 oder später bereit für den neuen Berufseinstieg ist. Die Zeit sollte nicht als Gegner, sondern als Chance für Neues angesehen werden.
Wenn sich also Arbeiterkinder, Mütter, Väter fragen, ob Jura das richtige Studium ist, steht dem nichts entgegen. Versucht euch und entdeckt euch neu. Denn nur so können alte Vorurteile vielleicht irgendwann einmal der Vergangenheit angehören.
Viel Erfolg und Du schaffst das!