“Hamburger Protokoll” – klappt es doch mit einer Reform des Jurastudiums?

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Auf Initiative der Bucerius Law School fand im Dezember letzten Jahres eine Arbeitssitzung mit dem Titel „Reform der ersten Prüfung – was können, sollen, müssen wir tun?” statt. Ausgangspunkt für die Sitzung waren die Thesen der Studie von iur.reform aus dem Jahr 2023. Dabei ging es vor allem um eine Reform des ersten Staatexamens.

Die juristische Ausbildung in Deutschland ist reformbedürftig. Darüber herrscht inzwischen große Einigkeit. Lediglich bei der Frage des „Wann“ und „Wie“ gibt es ganz unterschiedliche Vorschläge. Dabei ist eine attraktive und qualitativ hochwertiges juristische Ausbildung aus zwei Gründen ganz zentral: Einerseits darf Justiz und Anwaltschaft – auch in Zeiten des Fachkräftemangels – der Nachwuchs nicht ausgehen. Das ist unabdingbare Voraussetzung eines funktionierenden, starken Rechtsstaates. Andererseits nehmen Juristinnen und Juristen wichtige Schlüsselfunktionen in der Gesellschaft ein. Ihr psychisches und physisches Wohlbefinden ist neben ihrer fachlichen Kompetenz also ebenfalls enorm wichtig, um den wachsenden Herausforderungen unserer Zeit kraftvoll zu begegnen.

Auf Initiative der Bucerius Law School fand im Dezember 2023 deswegen in Hamburg eine Arbeitssitzung zur „Reform der ersten Prüfung – was können, sollen, müssen wir tun?” statt. Moderiert von Liv-Bjane Heiser und Jonathan Schramm diskutierten Vertreter:innen von insgesamt 15 juristischen Fakultäten in Deutschland, Vertreter:innen des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V., der Initiative iur.reform und weitere Teilnehmende über praktisch umsetzbare Schritte.

Ausgangspunkt dafür war die auf einer umfassenden Umfrage basierende Studie des Bündnisses zur Reform der Juristischen Ausbildung e.V. Verschiedene Verbesserungsvorschläge zum staatlichen Teil der ersten Prüfung wurden auf der Arbeitssitzung am 1. Dezember 2023 in Hamburg in Gruppen diskutiert und anhand von Priorität, Kontroversen und Umsetzbarkeit gewichtet. In der abschließenden Diskussion haben sich vier Kernforderungen und eine Reihe weiterer Punkte mit Änderungsbedarf herauskristallisiert, die eine sinnvolle und nachhaltige Reform der ersten Prüfung berücksichtigen muss.

Jura muss modern sein und darf nicht abschrecken

Das „Hamburger Protokoll“ ist das Ergebnis dieses Diskussionsprozesses. Es enthält vier Kernforderungen für eine sinnvolle und nachhaltige Reform der ersten juristischen Prüfung:

1. die Reduktion des Pflichtfachstoffs durch Verlagerung aus dem Examen in das Studium

Durch die Verlagerung bestimmter Stoffgebiete aus der staatlichen Pflichtfachprüfung in das Studium soll die Belastung der Studierenden verringert und eine praxisnähere Ausbildung ermöglicht werden.

2. die Einführung eines integrierten Bachelor of Laws (LL.B.)

Die Integration eines LL.B. in den Staatsexamensstudiengang bietet eine attraktive Ergänzung und eine flexiblere Ausbildungsmöglichkeit für angehende Jurist:innen.

3. die Einrichtung barrierefreier Ansprechstellen zur Konfliktvermeidung und -prävention in Prüfungssituationen

Niedrigschwellige Ansprechstellen sollen Konflikte in Prüfungssituationen vermeiden und eine Sensibilität für die Belange der Prüflinge entwickeln.

4. Monitoring der mit der ersten Prüfung zu verfolgenden Ziele

Eine langfristige Überprüfung und Evaluation der Ausbildungsziele und -inhalte soll die Qualitätssicherung gewährleisten und eine kontinuierliche Verbesserung ermöglichen.

Prof. Dr. Michael Grünberger, Präsident der Bucerius Law School, begründet den Vorstoß mit dem akuten Bedarf des Arbeitsmarktes an jungen Jurist:innen: “Wir müssen sicherstellen, dass das erste juristische Staatsexamen endlich moderner wird und viel von seinem abschreckenden Potential verliert. Nie waren der Bedarf und die Chance, das Examen zu reformieren, so groß wie heute. Wir müssen jetzt handeln.”

“Wir hoffen, dass das ‘Hamburger Protokoll’ der Anfang ist von einem weiteren Austausch mit allen juristischen Stakeholder:innen, damit wir uns zusammen die Frage stellen, was die juristische Ausbildung von morgen braucht“, betont Sophie Dahmen, Mitgründerin der Initiative iur.reform.

Teilweise bereits umgesetzt

In einigen Universitäten – oder sogar Bundesländern – wurden Teile der Forderungen in den letzten Jahren bereits angegangen. An anderer Fakultäten stehen die Entscheidungen der letzten Monate den Forderungen hingegen konträr gegenüber.

So fordern die Hamburger Protokolle eine Reduzierung des Pflichtfachstoffes. Betroffenen Fächer sollen aber nicht gänzlich ausgeklammert erden. Statt im Staatsexamen sollten die Themengebiete dann bereits in Klausuren während des Studiums abgefragt werden. In Schleswig-Holstein wurde der Pflichtstoff hingegen bei der letzten Reform ausgeweitet und sogar eine zweite – zusätzliche – Klausur im Strafrecht eingeführt.

Bei der Einführung des integrierten Bachelors gibt es jedoch landauf und landab Erfreuliches zu berichten. So führen viele Bundesländer und juristischen Fakultäten den Zwischenabschluss gerade ein. Nordrhein-Westfalen wird das erste Bundesland, in dem der integrierter Jurabachelor auf Antrag der Landesregierung an allen Universitäten eingeführt wird- genauso wie in Sachsen und im Saarland. In Rheinland-Pfalz legte die Universität Trier hingegen einen Alleingang hin und führte den integrierten Bachelor 2023 ein. Viele andere Universitäten folgen dem Vorbild.

Fest steht: Im Bereich der juristischen Ausbildung ist gerade viel in Bewegung. Vielleicht klappt es ja doch noch mit der lang ersehnten Reform!


Fundstelle: https://www.law-school.de/l

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